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Die Absteiger

Nur vier Prozent sind völlig enttäuscht vom Leben. Wie der Ex-Lehrer Lutz Graupner aus Freital.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Das Leben von Lutz Graupner schien eigentlich bereits klar definiert. Als 1989 die Mauer fiel, hatte der damalige Mittzwanziger sein Pädagogik-Studium abgeschlossen, arbeitete als Unterstufenlehrer im Fach Werken. „Dass alles einmal völlig anders kommen würde, hätte ich damals nie gedacht“, sagt der 50-Jährige heute. 25 Jahre später arbeitet er wieder mit Kindern. Allerdings nicht im geliebten Lehrerberuf. „Weil mir das Fach Mathematik fehlte, wurde mein Uni-Abschluss nach der Wende plötzlich nicht mehr anerkannt.“ Wie viele andere Unterstufenlehrer wird Graupner Anfang 1992 vor die Tür gesetzt. Eltern und Schüler protestieren, denn der Pädagoge ist an der Klingenberger Oberschule beliebt und sogar Vertrauenslehrer. Das fehlende Fach nachzuholen sei damals nicht möglich gewesen, so Graupner. Für ihn ist der Rauswurf eine Katastrophe, sein Traum vom Lehrerberuf zerplatzt. „Wenn mich Schüler und Eltern dort nicht mehr hätten haben wollen, hätte ich mich fragen müssen, ob ich im richtigen Beruf bin. Aber so – das tat schon sehr weh.“

Graupner hakt den Lehrerberuf ab, schlägt sich in den Folgejahren mit verschiedenen Jobs durchs Leben: Verkäufer im Modelleisenbahngeschäft, Kraftfahrer, Pizza-Lieferant. Doch alle Firmen machen nach und nach dicht. Die Kinder fehlen ihm. Der Tiefpunkt ist 2003 erreicht, da sitzt der Freitaler erstmals ohne Job zuhause. Graupner wird schwer krank, ist kurz davor, sich völlig aufzugeben. „Heute bin ich froh, dass ich es nicht tat, dass ich mich immer wieder selbst rausgezogen habe.“

Lehrer ist Lutz Graupner nie wieder geworden. Und trotzdem kann er heute als Verkehrshelfer und Freizeitbetreuer an einer Grundschule wieder mit Kindern arbeiten. Reich wird man davon nicht. Aber die Arbeit tue ihm gut, sagt er. Hier werde er endlich wieder gebraucht. (jan)

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