Merken

Der Schatz unterm Dielenboden

Ein Bauarbeiter fand bei der Sanierung von Schloss Lauenstein 236 Münzen, die im Dreißigjährigen Krieg versteckt worden waren.

Teilen
Folgen
© ronaldbonss.com

Von Birgit Grimm

Robert Neßler hörte beim Ausschachten ein metallisches Geräusch im Eimer und wunderte sich. Als er im Schutt nachsah, entdeckte er Münzen, insgesamt 236 historische Silberlinge. Ein Schatz? Ein Schatz, natürlich! „Keine Sekunde habe ich daran gedacht, die Münzen einzustecken. Ich habe sie meinem Chef gezeigt, und wir haben sie an der Kasse abgegeben, weil die Museumschefin nicht im Haus war“, erinnert sich der Maurer an den 11. Juli dieses Jahres. Mit seinen Kollegen arbeitete er an der Sanierung der Wirtschaftsgebäude von Schloss Lauenstein. Im Schloss hat das Osterzgebirgsmuseum sein Domizil.

Am Mittwoch bekam Robert Neßler von seiner Firma frei, damit er an der Pressekonferenz im Sächsischen Landesamt für Archäologie teilnehmen kann, auf der „sein“ Münzfund in der Öffentlichkeit präsentiert wird. Die silbernen Münzen liegen in schwarzen Passepartouts, manche haben Grünspan angesetzt. Auch winzige Textilreste, eigentlich nur Fasern, sind zu sehen. Aber nichts, was wie ein Schatz glänzt und glitzert. Wer einst diese kleinen Silberlinge unterm Dielenboden versteckt hat, wird sie nicht lose da hineingelegt, sondern in ein Tuch eingeschlagen oder in ein Säckchen gesteckt haben.

Und das mit dem Schatz will Sachsens Landesarchäologin Regina Smolnik keinesfalls falsch verstanden wissen: „Dieser Münzfund wäre heute etwa 6 000 Euro wert und wäre unter Sammlern kaum verkäuflich. Die Münzen sind abgegriffen, einige sind korrodiert. Es dürfte ein Bediensteter gewesen sein, der sein kleines Vermögen auf diese Weise in Sicherheit brachte.“ Der Wert dieser Münzen entspricht Mitte des 17. Jahrhunderts einem Zimmermannslohn von 140 Tagen oder 240 Pfund Butter oder 590 Litern Pirnaischen Biers.

Die ältesten Münzen, ein Meißner Groschen und ein Prager Groschen, wurden um 1460 geprägt, die jüngsten, es sind gut erhaltene sächsische Groschen, stammen aus dem Jahr 1631. Damals tobte der Dreißigjährige Krieg, von dem auch Lauenstein immer wieder heimgesucht wurde. Überliefert ist, dass am 15. August 1632 fünfhundert kaiserliche Soldaten aus dem böhmischen Aussig nach Lauenstein reinmarschieren wollten. Die Lauensteiner hatten eine Stadtmauer und leisteten erbitterten Widerstand. Gut vorstellbar, dass einer der Schlossdiener seine Barschaft aus Angst vor den plündernden Soldaten unter die Dielen packte. Warum er sein Erspartes später nicht wieder an sich nahm, wird genauso ein Geheimnis bleiben wie sein Name.

„Die Namen könnte man im Kirchenregister finden. Aber man kann heute leider nicht mehr feststellen, wer um 1630 in welchen Räumen des Vorwerks gelebt hat“, erklärt Regina Smolnik. Für die Wissenschaft und für das Osterzgebirgsmuseum ist dieser Fund wertvoll, weil er etwas über das Leben der kleinen Leute erzählt.

Dass die Münzen aus einer Zeitspanne von 170 Jahren stammen, ist nichts Ungewöhnliches. Der Wert eines Geldstücks entsprach seinem Silbergehalt, und so blieb es über Jahrhunderte gültig – wenn es nicht gefälscht wurde. Fünf Münzen in dem Fund wurden extrem mit Kupfer „gestreckt“ und haben keine Prägesignatur. „Geldfälscher gibt es, seit es Geld gibt“, sagt Wilhelm Hollstein, Oberkonservator des Dresdner Münzkabinetts. Er hat die Münzen untersucht, den Wert, also den Silbergehalt, Alter und Prägestätten ermittelt.

Im Landesamt für Archäologie wird der Münzfund nun in den nächsten Monaten restauriert. Normalerweise bewahrt das Münzkabinett im Dresdner Schloss die sächsischen Münzfunde auf. Aber dieser hier soll dauerhaft im Osterzgebirgsmuseum auf Schloss Lauenstein ausgestellt werden. Museumschefin Gabriele Gelbrich sagt: „Der Münzfund ist die größte Überraschung, seit ich im Schloss arbeite.“

Robert Neßler hat nach dem Sensationsfund besonders gut aufgepasst beim Arbeiten im alten Gemäuer. Vergeblich. Kein zweiter Schatz, nirgends. Archäologen wissen: Münzfunde kann man nicht planen, man macht sie zufällig. Weil derjenige, der sein Geld versteckt, ja nicht verrät, wo und wann und warum er es tut.