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Erste Erkenntnisse über den tatverdächtigen Lkw-Fahrer

Er galt als zuverlässig und unbescholten, hat Familie. Es war ihm verboten Anhalter mitzunehmen. Eine Recherche in Marokko.

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© dpa/Markus Roider, Polizei Sachsen

Von Ulrich Wolf

Eine Woche nach dem Verschwinden der 28 Jahre alten Tramperin Sophia Lösche aus Leipzig werden Details über die Ermittlungen bekannt. Die Polizei verdächtigt einen in Spanien festgenommenen Lastwagenfahrer, die Studentin getötet zu haben.

Auf Anfrage der Sächsischen Zeitung teilte der Arbeitgeber des Verdächtigen mit, dieser befinde sich seit zwei Tagen in Untersuchungshaft im südspanischen Jaén. Dort arbeite man mit Polizisten aus Spanien und Deutschland zusammen. Das Gefängnis an der Nationalstraße 323a liegt inmitten einer mit Olivenbäumen durchsetzten Steppe, rund 100 Kilometer nördlich der Großstadt Granada. Der 40 Jahre alte Verdächtige ist Angestellter der Spedition Benntrans mit Sitz im marokkanischen Tanger. Dort hieß es, Mrabet B. sei seit 2015 für Benntrans tätig und habe sich bislang tadellos verhalten. Er sei verheiratet, habe zwei Kinder und „natürlich keine Vorstrafen“. Ein Foto, das die Spedition der SZ zur Verfügung stellte, zeigt ihn lächelnd mit seiner Familie am Strand von Tanger. Benntrans betonte, seinen Fahrern sei es ausdrücklich verboten, Anhalter mitzunehmen. „Sollte das bei Mrabet der Fall gewesen sein, war es ein eindeutiger Verstoß gegen die Arbeitsvorschriften“, teilte Firmenchef Driss Assila mit.

Sophia Lösche, die aus Amberg in der Oberpfalz stammt, ist nach Angaben der Polizei zuletzt am 14. Juni gegen 18 Uhr auf dem Autohof Schkeuditz-West an der Autobahn 9 gesehen worden. Dort soll sie in den Lastwagen von Mrabet B. gestiegen sein. Sie wollte nach Nürnberg trampen, kam dort aber nicht an. Ihr Bruder Andreas Lösche, Kreisrat und Chef der Grünen im Landkreis Bamberg, meldete sie daraufhin als vermisst. In diversen sozialen Netzwerken startete er eine eigene Suchaktion. Auf Twitter teilte er mit, Sophia sei wahrscheinlich an der Autobahnausfahrt Lauf/Hersbruck kurz vor Nürnberg wieder ausgestiegen. Das ist rund 300 Kilometer von Schkeuditz entfernt. Ein Lastwagen braucht dafür rund vier Stunden. Angeblich hat Mrabet B. jedoch gegen halb zehn am nördlicher gelegenen Rastplatz Sperbes gestoppt – und das für über zwei Stunden. Zwischen dem Rastplatz und der Ausfahrt Lauf liegen nur 30 Kilometer. Dort soll der Lastwagen eine Viertelstunde nach Mitternacht gewesen sein. Was in dieser Zeit geschehen sein könnte, dazu äußert sich die Polizei nicht. Sie sucht vor allem in diesem Abschnitt nach Sophia Lösche, unter anderem auch im Fluss Pegnitz – „bislang jedoch ohne Ergebnis“, sagt Jana Friedrich von der Staatsanwaltschaft Leipzig.

Der Spedition zufolge fuhr Mrabet B. von Lauf aus erst am 15. Juni gegen acht Uhr früh weiter. Offenbar hatte er dort geschlafen. Die nächste Registrierung des Lastwagens sei dann gegen 10 Uhr am Rastplatz Greding südlich von Nürnberg erfolgt. Schließlich stoppte der Lastwagen gegen 15 Uhr in Langweid am Lech nördlich von Augsburg. Dort habe er technische Textilien geladen, hieß es. Danach habe sich Mrabet B. auf den Rückweg nach Marokko begeben, so die Spedition.

Das Unternehmen wurde 1968 in Benningen am Neckar gegründet, daher der Name Benntrans. Rasch entwickelte es sich zu einer mittelständischen Spedition und kaufte sich in Marokko ein. Die Firma musste aber 2009 wegen des zunehmenden Wettbewerbsdrucks sowie eines Verfahrens wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung aufgegeben werden und wurde aufgelöst. Die Marokkaner erwarben die Tochterfirma, machten sich selbstständig und behielten den Namen. Inzwischen ist die Spedition nach eigenen Angaben Marktführer für den Warentransport mit Europa in dem nordafrikanischen Land.

Sophia Lösches Bruder Andreas wehrt sich unterdessen gegen Hasskommentare im Internet. „Wir möchten darauf hinweisen, dass die Nationalität eines möglichen Täters nichts mit seinen Taten zu tun hat“, schrieb der Bruder der Vermissten in einem offenen Brief. Seine Schwester habe Flüchtlingen unter anderem in Griechenland geholfen, sie „würde unter keinen Umständen wollen, dass auf ihre Kosten rassistische Hetze betrieben wird, wie es teils schon geschehen ist.“ Einige Angehörige und Freunde hätten Hasskommentare bis hin zu Morddrohungen erhalten. Es sei unerträglich, wie das Verschwinden seiner Schwester von Rassisten instrumentalisiert werde, bevor überhaupt Klarheit herrsche, was passiert sei.

Spanischen Medienberichten zufolge hat der Lastwagenfahrer gestanden, Sophia Lösche getötet zu haben. Der Nachrichtenagentur Europapress zufolge hat der Marokkaner am Freitagmorgen der Auslieferung nach Deutschland zugestimmt. Die in Spanien bekannte Richterin Carmen Lamela am nationalen Staatsgerichtshof in Madrid habe die Übergabe an die deutschen Behörden bereits angeordnet, hieß es. (mit dpa)