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Das unsichtbare Gas

Seit 2015 können Schulen kostenlos die Radonkonzentration messen lassen. Das hat nicht immer richtige Konsequenzen.

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Von Andrea Schawe

Sie sind kaum größer als ein Rauchmelder und hängen neben der Lampe oder dem Beamer: Radon-Exposimeter. Damit wird die Konzentration des Edelgases in Klassenräumen gemessen. Seit 2015 misst die staatliche Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft im Auftrag des Umweltministeriums Radonwerte in Schulen und Kindertagesstätten. Die SZ klärt die wichtigsten Fragen.

Woher kommt Radon und wie schädlich ist es?

Radon kommt überall in der Natur vor. Es entsteht beim radioaktiven Zerfall von Uran. Wenn es aus dem Boden durch das Mauerwerk in Gebäude zieht, kann es sich in schlecht belüfteten Räumen ansammeln. Da das Edelgas schwerer ist als Luft, ist die Konzentration in Keller- und Erdgeschossräumen am höchsten. Studien zeigen, dass Radon verschiedene Krebserkrankungen verursachen kann. Es liegt nach Angaben des Bundesamtes für Strahlenschutz vor allem ein Zusammenhang mit Lungenkrebs nahe. Wie hoch das Risiko ist, hängt von der Konzentration des Gases und der täglichen Aufenthaltsdauer in den betroffenen Räumen ab.

Wie viele Schulen wurden überprüft?

Bisher nahmen nach Angaben des Umweltministeriums sachsenweit 129 Kommunen mit 388 Gebäuden am Messprogramm teil. Insgesamt wurden mehr als 3 120 Exposimeter verteilt. In Dresden wurde die Radonkonzentration in 65 Schulgebäuden gemessen. Die Messung dauert ein Jahr und ist freiwillig. Ziel des Programms sei es, eine Datenbasis für eine bessere Einschätzung der tatsächlichen Radonwerte in den Schulen zu schaffen. Es handele sich allein um eine präventive Maßnahme, heißt es vom Umweltministerium.

Was ergaben die Messungen?

In 84 der 224 überprüften Schulen tritt das Edelgas stärker auf, als es der EU-Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter erlaubt. In den ehemaligen Bergbaugebieten im Erzgebirge wird der Wert in der Hälfte der Schulen überschritten. In Dresden wurde in zehn Schulen eine sehr starke Belastung festgestellt – im Jahresdurchschnitt mehr als 600 Becquerel pro Kubikmeter. In der 14., 48., 71. und 80. Grundschule wurde eine Radonkonzentration zwischen 1 300 und 5 900 Becquerel pro Kubikmeter gemessen. Im Landkreis Görlitz sind vier Schulen stark belastet. Messungen im Landkreis Bautzen, Leipzig, Meißen und Nordsachsen ergaben keine deutlichen Überschreitungen.

Was sagen die Messewerte aus?

Die Messungen finden über den Zeitraum von einem Jahr statt. Nur so ist eine repräsentative Bewertung der Radonbelastung erlaubt, teilt das Umweltministerium mit. Das bedeutet, dass auch gemessen wird, wenn sich über längere Zeit keine Personen in den Räumen aufhalten – etwa nachts oder in den Ferien. „Die Konzentration von Radon steigt in der Nacht durch fehlende Luftbewegungen an, während sie mit dem ersten Luftzug durch das Öffnen von Türen abnimmt“, erklärt Ministeriumssprecherin Bianca Schulz. Die Konzentration sei in jedem Raum auch unterschiedlich hoch. Die Messwerte würden ohne konkrete Aufenthaltszeit keine Aussagen zur tatsächlichen Radonexposition von Schülern oder Lehrern zulassen, heißt es vom Dresdner Schulverwaltungsamt.

Wurden Lehrer und Eltern über die Ergebnisse informiert?

In vielen Fällen nicht. In einem Zwickauer Gymnasium wurden Messgeräte aufgestellt, ohne dass alle Betroffenen Bescheid wussten. Es gab eine ausdrückliche Anweisung, die Schüler nicht aktiv über die Messungen zu informieren. „Das halte ich für bedenklich“, sagt Petra Zais (Grüne). Die Informationspolitik von Land und Schulträgern schüre Misstrauen und verunsichere Lehrkräfte, Schüler und Eltern. Auch in Dresden wurde nicht informiert. Das Schulverwaltungsamt stellt die Messergebnisse aber auf Anfrage zur Verfügung und erläutert sie bei Bedarf auch, heißt es. Das Umweltministerium sieht die jeweilige Gemeinde in der Pflicht.

Was kann man gegen eine hohe Radonkonzentration machen?

Das Umweltministerium empfiehlt ab einem Wert über 300 Becquerel pro Kubikmeter, die Räume vor der Nutzung gut zu lüften. Ab Messwerten von mehr als 600 Becquerel pro Kubikmeter sollten bauliche Maßnahmen geprüft werden – etwa die gasdichte Abdichtung von Kellerwänden und Bodenplatte, der Einbau eines Lüftungssystems oder eine zusätzliche Absaugung der Bodenluft unter dem Gebäude. Ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, entscheidet der Schulträger. „Das ist bei Bestandsgebäuden in der Regel mit umfangreichen Eingriffen in die Bausubstanz verbunden“, so das Dresdner Schulverwaltungsamt, und damit teuer.