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Das schwierige Erbe des letzten Königs

Dedo von Sachsen ist tot. Als er geboren wurde, saß sein Großvater schon nicht mehr auf dem Thron. Das Schicksal der Wettiner ohne Krone – eine SZ-Serie.

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Von Hans Eggert

Als er am 8. November 1918 aus Dresden floh – selbst Sozialdemokraten fragten sich, warum er das tat – und fünf Tage später auf seinen Thron verzichtete, könnte Friedrich August III. dieses „Machd euern Dreck alleene“ von sich gegeben haben. Hat er es? Es gibt Zweifel. Königs-Enkel Albert, ein promovierter Historiker, hielt es immerhin für möglich. Nur wollte er den „Dreck“ durch „Kram“ ersetzt sehen – der Majestäts-Würde wegen. Wie auch immer: Der Ex-König trug schwer daran, dass es seine Sachsen nun „alleene“ machten.

Geld- und andere Sorgen

„Der Winter hier in Sibyllenort wird immer langweiliger. Auf die Dauer werden wir es hier nicht aushalten“, schrieb der seit zwei Monaten arbeitslose Friedrich August von Sachsen im Januar 1919 an seine Schwägerin. Da war er 53 Jahre alt, davon 14 Jahre König, ein disziplinierter Arbeiter, dem nichts über geregelte Tagesabläufe ging. Und nun das Exil im Schloss Sibyllenort, in der schlesischen Provinz: Wie eh und je früh ein Ausritt, die Andacht, Zeitung, Post. Zuweilen Jagdausflüge, ein Mittagsschläfchen, später die Skatrunde mit Hofkaplan und Hofmarschall – das Leben ohne Thron musste gelernt werden, und die Erinnerung an „Früher“ schmerzte.

Noch 1924 schrieb der frühere König an den „sehr geehrte(n) Herr(n) Generalfeldmarschall“ Paul v. Hindenburg: „In unserer traurigen Zeit sind die Erinnerungen an unsere vergangenen Heldenzeiten das schönste für einen deutschen Mann... Damals war es noch eine Freude und ein Stolz, ein Deutscher zu sein. Gott gebe, dass wir die Zeit noch einmal erleben.“

Zunächst 200 Flaschen Wein

Das Hoffen war vergebens. Friedrich August musste sich neu einrichten. Ernst Heinrich, sein Drittgeborener, sorgte sich darum in ganz spezieller Weise. Als Leiter der Verwaltung des Wettiner-Besitzes musste der all seine Überzeugungskünste einsetzen, um dem Patriarchen klarzumachen, wonach die Zeit verlange: Es musste aufs Geld geschaut werden.

Friedrich August hatte in Sibyllenort einen großzügigen Mitarbeiterstab etabliert, und das kostete – etwa 200000 Mark jährlich, zu viel, wie Ernst Heinrich vorrechnete. „Bei einem kleineren Haushalt“, riet er dem Vater, „hättest Du persönlich viel mehr davon als jetzt“. Wie stand es um das Vermögen der bis vor Kurzem reichsten sächsischen Familie? 1918 war ihr sächsischer Besitz beschlagnahmt worden, seit 1919 liefen Rückgabe-Gespräche mit dem Freistaat. Als Erstes erging aus Sibyllenort das Verlangen nach 400 Flaschen Wein aus dem Schlosskeller. Selbst das sächsische Kabinett musste sich damit beschäftigen. Der Innenminister bewilligte schließlich 200 Flaschen.

1924 endlich wurde ein Vertrag geschlossen. Übersichtlich waren die einschlägigen Verhandlungen beim Umgang mit dem Residenzschloss oder Schloss Pillnitz – die gehörten seit 1830/31 dem sächsischen Staat. Einfach war es auch mit dem Privatbesitz der Wettiner. Sie erhielten es zurück. Als problematisch erwies sich die dritte Kategorie: der Kronfideikommiss, eine Zwischenform von Staats- und Familieneigentum. Dazu gehörten so attraktive „Objekte“ wie das Grüne Gewölbe und die Gemäldegalerien. Sie fielen am Ende der öffentlichen Hand zu.

Was Friedrich August bei seinem Tode 1932 zu vererben hatte, war dennoch beträchtlich und ermöglichte der Familie ein komfortables Leben. Neben reichen Kunst-, Porzellan- und Silberbeständen und einigen Geldanlagen war da Sibyllenort mit riesigen Ländereien, bewertet mit satten 13452200 Reichsmark. Die sächsische Vermögensverwaltung meldete dazu 2147870 Reichsmark: Schloss Moritzburg samt Domäne, die Rittergüter Jahnishausen bei Riesa, Helfenberg und Gönnsdorf nahe Dresden, die Villen in Hosterwitz und Strehlen, mehrere Grundstücke in Dresden, so auch das in Wachwitz. Friedrich August verfügte in seinem Testament, die wesentlichen Teile dieses Vermögens seien zusammenzuhalten: „Ich schließe ... jede Veräußerung hinsichtlich meines Grundbesitzes mindestens auf die Dauer von 30 Jahren aus.“

Die letzte Rechnung

30 Jahre. Abgesehen davon, dass 1962 nichts mehr zu verteilen gewesen wäre – die längst auseinanderstrebenden Erben ließen den letzten Willen des Vaters noch 1932 links liegen. Der Besitz wurde aufgeteilt, Friedrich Christian, der neue Chef des Hauses, erhielt unter anderem Sibyllenort und Wachwitz, Ernst Heinrich Moritzburg, Jahnishausen, Gönnsdorf und Helfenberg. Georg, der Kronprinz, seit 1924 Priester und später Jesuitenpater, bekam eine Leibrente.

Und vom zornigen Testamentsvollstrecker Arthur Meding, einem Dresdner Anwalt, der am 1. September 1932 verstarb, bekamen die Erben als letzten Gruß eine Rechnung der Reichsbahn über 2.918 Reichsmark für die Überführung des Sarges von Breslau nach Dresden. Obwohl der Verblichene im Testament von der Regierung „freie Fahrt“ verlangt hatte. Der letzte sächsische König und seine Zeit waren endgültig zu Grabe getragen.