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Das Kreuz am Straßenrand

Wo Menschen bei einem Verkehrsunfall ihr Leben verloren haben, stellen Hinterbliebene oft Kreuze auf - meist ohne Genehmigung. Warum das bis auf eine Ausnahme kein Problem ist.

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© Julian Stratenschulte/dpa

Ein kleines Kreuz auf dem Mittelstreifen, eine Kerze, ein paar Blumen: Immer wieder erinnern Holzkreuze an Sachsens Straßenrändern an Menschen, die dort bei einem Unfall ums Leben gekommen sind. Obwohl diese Kreuze in der Regel nicht genehmigt wurden, dürfen sie bleiben, ergab eine dpa-Anfrage bei den Straßenbaubehörden. Wie viele von ihnen aktuell im Land stehen, ist nicht bekannt.

Im vergangenen Jahr sind laut Statistischem Landesamt auf sächsischen Straßen 147 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Das waren 15 weniger als ein Jahr zuvor und der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebung in dieser Form im Jahr 1991. Auch die Anzahl der verunglückten Verkehrsteilnehmer ist den Angaben zufolge um 2,7 Prozent oder 467 Menschen gesunken. Mehr als jeder zweite von ihnen verunglückte in einem Auto. Das Nichtbeachten der Vorfahrt war wie schon in den Vorjahren Unfallursache Nummer eins.

Der evangelische Pfarrer und Polizeiseelsorger Christian Mendt etwa hat mit Überlebenden und den Angehörigen der Opfer eines Busunglücks Anfang Juli bei auf der Autobahn A9 bei Gefrees (Bayern) zum Jahrestag des Unfalls ein Holzkreuz aufgestellt. Damals waren von einer Seniorengruppe aus Sachsen 18 Menschen ums Leben gekommen, 30 hatten überlebt.

„Den Menschen war das wichtig“, sagt Mendt. „Sie haben jetzt einen Ort zum Trauern dort, wo ihr Leben einen Einschnitt bekommen hat. Und es ist eine Würdigung der Opfer.“ Für ihn seien die Kreuze an den Straßenrändern die Suche nach einer Antwort auf Ereignisse, für die es keine Erklärung gebe. „Es ist eine Entlastung.“

Die Straßenkreuze gelten eigentlich als Sondernutzung und müssten von den zuständigen Behörden genehmigt werden, stellt die Sprecherin des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr, Isabel Siebert, klar. „Solche Genehmigungen werden aber äußerst selten beantragt.“ Die Straßenbauverwaltung sei deshalb berechtigt, diese sofort wieder zu entfernen. In der Praxis würden sie jedoch geduldet - wenn keine Verkehrsgefährdung bestehe. Ein Sonderfall sei die Autobahn. Dort dürfe niemand auf freier Strecke anhalten - auch nicht, um ein Kreuz zu errichten.

Eine Gefährdung wäre es etwa, sagt Siebert, wenn solche Kreuze mit einer aus Steinen gefertigten Einfassung versehen würden. „Meist jedoch werden kleine Holzkreuze in den Randstreifen eingeschlagen.“

Wie lange diese Kreuze bleiben, sei unterschiedlich. Ohne Pflege verfielen sie irgendwann und kippten von selbst um, sagt Siebert. Würden sie von den Angehörigen der Unfallopfer gepflegt, stünden sie länger. Eine Stelle mit besonders vielen Kreuzen, etwa an Unfallschwerpunkten sei nicht bekannt.

In Chemnitz werden die Straßenkreuze laut einer Sprecherin „als Gedenksymbole aus Pietätsgründen und aus Rücksicht gegenüber den Betroffenen auch ohne Genehmigung geduldet.“ Voraussetzung sei: „Die Kreuze dürfen den Verkehr nicht behindern, Verkehrsteilnehmer nicht ablenken, keine Schilder verdecken oder die Sicht beeinträchtigen.“

„Die Straßenkreuze werden mehr oder weniger toleriert“, heißt es auch in Dresden. Das Straßen- und Tiefbauamt werde nur tätig, wenn sich das Kreuz im öffentlichen Verkehrsraum befinde und eine Verkehrsgefährdung darstelle. Die Anzahl der Kreuze im Stadtgebiet sei nicht bekannt.

Auch im Verkehrs- und Tiefbauamt von Leipzig sind laut Stadt bisher keine Anträge auf Sondernutzung für Straßenkreuze eingegangen. Auch diesbezügliche Bürgerbeschwerden gebe es nicht. Deshalb seien der Verwaltung weder die Anzahl der aufgestellten Kreuze noch deren eventuelle Häufungen an bestimmten Orten bekannt.

Die Straßenkreuze würden toleriert, sofern sie sich nicht flächendeckend im öffentlichen Verkehrsraum befänden und die Sicherheit des Verkehrs an den einzelnen Aufstellorten nicht beeinträchtigten. Dies sei bislang nicht der Fall, heißt es. (dpa)