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Das große Fressen

Sachsen leben ungesund. Das haben jetzt Forscher der Universität Leipzig herausgefunden. Ein Problembericht – fast.

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© picture alliance / diekleinert.d

Von Sven Heitkamp

Fünf Jahre hat es geforscht, 10 000 Menschen stundenlang untersucht, vermessen, befragt, Millionen Labordaten ausgewertet und zusätzliche Testreihen unternommen – das „LIFE“-Team der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, das vom Freistaat und der EU für sein einmaliges Vorhaben gefördert wurde. Seit gestern nun liegt eine der größten Untersuchungen über Zivilisationskrankheiten und ihre Ursachen vor. Die Studie offenbart teils alarmierende Befunde über die Gesundheit der Menschen in Sachsens Großstädten, zeigt aber auch erste Lösungswege auf.

Etliche Klagen über gestörtes Essverhalten

Sechs Prozent der Sachsen äußern, ihr Essverhalten sei stark gestört: So essen sie deutlich mehr, wenn sie Angst haben, unter Anspannung oder Stress stehen oder in Gesellschaft sind. Vor allem jede fünfte Frau kennt das Dilemma. Auffällig auch: Fast jede zweite berichtet von Heißhunger-Attacken auf Süßigkeiten, bei den Männern sind es 30 Prozent. Außerdem haben die Herren stärkere Neigung zu übermäßigem Alkoholgenuss. Jeder Vierte kontrolliert dagegen seine Nahrungsaufnahme bewusst. „Es ist meist das Bemühen, Übergewicht zu vermeiden“, erläutert Ernährungswissenschaftlerin Antje Löffler.

Bluthochdruck und Diabetes weit verbreitet

So sind nicht nur Fettleibigkeit und krankhafte Adipositas auf dem Vormarsch. Ein wachsendes Gesundheitsproblem ist zudem die Verbreitung von Bluthochdruck, der das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall enorm erhöht. 38 Prozent der Männer und 32 Prozent der Frauen sind davon laut Studie betroffen. Bei den 70- bis 79-Jährigen haben mehr als drei Viertel behandlungsbedürftigen Bluthochdruck. Fast jeder Zehnte könnte zu hohen Blutdruck haben – ohne überhaupt davon zu wissen.

Nach der Massenuntersuchung gehen die Wissenschaftler darüber hinaus davon aus, dass bis zu drei Prozent der Erwachsenen unter Diabetes leiden, ohne dass sie bisher entdeckt wurde . Weitere drei Prozent tragen ein erhöhtes Diabetes-Risiko in sich. Nach eigenen Angaben leiden etwa 7,5 Prozent der Männer und 6,5 Prozent der Frauen an Diabetes. Jeder fünfte über 60-Jährige leidet zudem an Diabetes.

Aktivität der Gene verändert den Stoffwechsel

Den Wissenschaftlern gelang es zudem, Zusammenhänge zwischen Gen-Anlagen und Stoffwechsel herzustellen. In einer extrem aufwendigen Analyse von Labormedizinern und genetischen Statistikern wurden sechs neue genetische Varianten entdeckt, die mit Veränderungen des Energiestoffwechsels zusammenhängen. Zudem wiesen die Forscher nach, dass Stoffwechselveränderungen durch veränderte Aktivität der Gene ausgelöst werden. „Dies eröffnet Therapieansätze zur Behandlung von Erkrankungen wie Übergewicht, Diabetes oder Herzerkrankungen“, sagt Markus Scholz, Professor für genetische Statistik.

Frauen sprechen heute tiefer als bisher gedacht

Überraschende Entdeckung: Frauen sprechen mit tieferen Stimmen als angenommen und in Lehrbüchern verzeichnet. „Statt einer Oktave liegt die Frauenstimme nur noch etwa eine Quinte – also knapp die Hälfte des Wertes – über der Männerstimme“, sagt Wissenschaftler Christoph Engel. Ob Frauen heute bewusst ihre Stimme „tiefer legen“, oder ob es hormonelle Ursachen gebe, müsse noch erforscht werden.

Die LIFE-Studie soll die Grundlage für weitere Untersuchungen bilden, die ab Herbst nächsten Jahres beginnen sollen. Dafür müssen die Forscher allerdings noch finanzielle Unterstützung bei Bund, Freistaat, Forschungsgesellschaften und Industrie einwerben.