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Das bisschen Regen reicht nicht

Die Felder sind ausgetrocknet. Bei der Agrargenossenschaft im ostsächsischen See sieht man auch eine Gefahr für die Milchwirtschaft.

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© André Schulze

Von Thomas Staudt

Wir wollen nicht klagen“, sagt Andreas Graf. Grund dazu hätte der Landwirt und Vorstand der Agrargenossenschaft See. Ihm drohen in diesem Jahr Ernteeinbußen von rund 30 Prozent. Im Frühjahr ist einfach zu wenig Regen gefallen. 46 Liter pro Quadratmeter waren es von Ostern an gerechnet bis jetzt. Das entspricht einem Drittel der Menge, die sonst im Schnitt registriert wird. Die Folge: Die Böden sind bis in eine Tiefe von 20 Zentimetern ausgetrocknet. „Man sieht ja, wie sich das auswirkt. Bei den Frühjahrskulturen, bei Getreide und Raps, finden sich keine Grünpflanzenbestandteile mehr.“ Sie wachsen nicht mehr richtig. Das können sie gar nicht. Sie sind ausgetrocknet wie die Böden. Den benachbarten Genossenschaften in Jänkendorf, Nieder Seifersdorf oder Spree ergeht es ähnlich. Andreas Graf hat mit den Kollegen gesprochen.

Frederik Raff (32) ist Diplom-Meteorologe beim Wetterdienst MeteoGroup Deutschland.
Frederik Raff (32) ist Diplom-Meteorologe beim Wetterdienst MeteoGroup Deutschland. © privat

Eine Änderung der Situation hat auch die aktuelle Pause des Hochsommers mit etwas kühleren Temperaturen und Niederschlägen nicht gebracht. „Wir hatten von Freitag bis Sonntag vielleicht drei bis vier Liter Regen pro Quadratmeter“, sagt Tobias Kärber, der für den Landbau zuständig ist. Das bisschen Regen reicht nicht aus. Das einzige, was gut funktioniert, ist die Heuernte, diese Flächen fehlen aber später bei der Silageproduktion für die Tiere. Drei Schnitte pro Saison sind üblich. Der erste lag mit einem Volumen von 900 Tonnen im jährlichen Mittel. Der zweite ist in den nächsten zwei Wochen fällig. Er wird quantitativ deutlich unter dem Soll liegen. Aber auch qualitativ wird die Ernte unterdurchschnittlich ausfallen, weil das Gras wegen der Trockenheit weniger vital ist. „Wenn es so weitergeht, haben wir ein massives Problem“, so Kärber. Denn aus dem Heu wird Silage. Sie bildet die Futtergrundlage für die 250 Milchkühe im Winter. 2 500 Tonnen werden pro Jahr benötigt, dazu 6 000 Tonnen Maissilage. Für gewöhnlich reichen die 230 Hektar Grünland. Aber dieses Jahr ist das anders.

Die Milchwirtschaft ist für die Agrargenossenschaft von großer Bedeutung. Alle Böden sind von minderer Qualität. Viele Areale verfügen über einen hohen Sandanteil. „Je mehr Sand enthalten ist, desto schlechter speichern die Böden das Wasser“, erklärt Tobias Kärber. Das gilt im Besonderen für Kosel und Petershain. In Kollm sind die Bodenverhältnisse etwas günstiger. Die EU zahlt eine Zulage bei schlechter Bodenbonität. Rund ein Drittel des Gesamterlöses sind Fördermittel. Ernteausfälle gleicht die EU nicht aus. „Weil unsere Böden allenfalls Mittelmaß sind, müssen wir unsere Böden veredeln“, erklärt Graf. Das funktioniert derzeit noch über die Milchwirtschaft und die daran angeschlossene Biogasanlage.

Doch den Landwirten sind Grenzen gesetzt. „Ein Handwerker würde seine Produkte teurer verkaufen, wenn er für die Ausgangsmaterialien dauerhaft hohe Preise bezahlt. Aber das können wir nicht.“ Bleibt die Heu -und Futterernte unter den Erwartungen, muss Futter zugekauft werden. Damit steigen die Produktionskosten. Die Preise für Milch steigen nicht. Produktion und Warenwelt sind längst auseinandergedriftet. Landwirtschaftliche Produkte werden auf dem Weltmarkt gehandelt. Schlechte Ernten in der Oberlausitz haben keine Auswirkungen auf die Preise, noch nicht einmal deutschlandweit. Und selbst wenn hierzulande schlechte Erträge eingefahren werden, können die Ernten in China oder den USA besonders gut ausfallen.

Eine Notlösung in der augenblicklichen Situation wäre, Stilllegungsflächen für die Heuernte zu nutzen. Das geht nur mit einer Ausnahmegenehmigung. Aber der Landesbauernverband und das Staatsministerium für Landwirtschaft zögern. Erst in einem Monat soll eine Entscheidung fallen. „Dann ist es zu spät, wer weiß schon, wie dann das Wetter ist“, meint Graf. Er hätte die Situation lieber bei einem Vororttermin erörtert als über Telefon und E-Mail.

Trotz der angespannten Lage ist die Stimmung in See gut. Heute ist Flurbefahrung für die 28 Mitarbeiter. Nach Begutachtung der 1 850 Hektar Wirtschaftsfläche erläutern Graf und Kärber die Aussichten. Anschließend wird gegrillt. „Wir haben zuletzt gut gewirtschaftet“, wird Andreas Graf sagen. Aber auch, dass die Sorgen größer werden, ganz allgemein und vor allem, wenn das nächste Jahr wieder so ausfällt wie dieses. Aber: „Wir haben bisher immer Lösungen gefunden.“ Graf und Kärber haben sich schon etwas zurechtgelegt. Ihr Optimismus hat gelitten. Aber er ist noch da.

Ist dieses Wetter noch normal?

Längere Trockenphasen werden immer häufiger, sagt der Meteorologe Frederik Raff.

Herr Raff, was ist das gerade für ein Wetter, das uns seit Wochen keinen oder kaum Regen bringt – und wenn, dann nur örtlich, dafür aber gleich als Starkregen?

In den vergangenen Wochen haben sich immer wieder kräftige Hochdruckgebiete über dem Nordmeer und Skandinavien etabliert, die auch das Wetter bei uns beeinflusst haben. Was aktuell fehlt, ist der Westwind, der uns vom Atlantik her Tiefdruckgebiete und großflächigen, langanhaltenden Regen bringen würde. Diese Lage ist so stabil, dass sich auch in den nächsten Tagen nicht viel ändert.

Wie entstehen die schweren Gewitter?

Ab und zu schaffen es Tiefausläufer von Westeuropa, sich mit feuchter und schwül-warmer Luft dazwischenzuschieben. Im Tagesverlauf können sich dann vor allem vom Bergland aus teils heftige Gewitter entwickeln. Diese sind aber so punktuell und räumlich begrenzt, dass eine ortsgenaue Vorhersage selbst mit hochaufgelösten Wettermodellen nicht möglich ist.

Ist das Wetter noch normal? Häufen sich nicht heute Hitzeperioden, Trockenheit und Überschwemmungen?

Zuerst einmal: Trockenphasen und Starkregenereignisse hat es immer schon gegeben. Sie sind nur heute viel mehr im Bewusstsein, weil die Bilder schnell und von überall her über die sozialen Medien verbreitet werden. Es deutet sich aber tatsächlich an, dass sich die Westwinddrift abgeschwächt hat, die normalerweise mit ihrer feuchten Luft den Regen bringt. Das heißt, dass die Hochdruckwetterlagen stabiler werden und damit auch die Trockenheitsphasen.

Sind das Zeichen des Klimawandels?

Ich bin Meteorologe, kein Klimatologe. Ich beurteile die aktuelle Wetterlage. Die zeigt aber: Der Mai war viel zu trocken. So hat es im ganzen Monat im Kreis Bautzen nur an sechs Tagen geregnet: in Sohland/Spree gerade mal 16,7 Liter pro Quadratmeter, in Weißenberg 20,3 Liter. Normal wären um 70 Liter im gesamten Monat. Die wurden nur dort erreicht, wo sich örtliche Gewitter mit Starkregen gebildet hatten: Spitzenreiter waren Königswartha mit insgesamt 94,1 Litern und Burkau mit 66,5 Litern.

Gespräch: Jana Ulbrich