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Warum Lehrer gegen ein Milliardenprogramm protestieren

Mit Trillerpfeifen, Rasseln und Transparenten machten sächsische Lehrer vor dem Kultusministerium in Dresden Druck. Was sie wollen und welche Chancen sie haben.

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© kairospress

Von Andrea Schawe

Dresden. Mit Trillerpfeifen, Rasseln und Transparenten machten die Lehrer Druck. Etwa 2 000 Teilnehmer forderten am Dienstag vor dem Kultusministerium mehr Wertschätzung. Die Sächsische Zeitung erklärt die wichtigsten Punkte.

Was wollen die Lehrer?

Sie wollen Nachbesserungen am Handlungsprogramm. Die Verbeamtung führe zu Ungerechtigkeiten im Lehrerzimmer, weil junge künftig mehr verdienen. Den Lehrern geht es um deutliche Einkommensverbesserungen für Angestellte und die Senkung der Arbeitsbelastung. Doch die Lehrerorganisationen sind sich nicht einig – vor allem bei der Verbeamtung. Die GEW hat sich dagegen ausgesprochen, wohl auch, weil ihnen damit ein Mitgliederschwund bevorsteht. Der sächsische Lehrerverband begrüßt die Verbeamtung, ebenso der Verband der Gymnasiallehrer.

Wie reagiert das Kultusministerium?

„Ich habe großen Respekt vor dem Protest der Lehrer“, sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) vor der Demo. „Ich nehme den sehr, sehr ernst.“ Er verwies aber auch auf finanzielle Verbesserungen für Oberschul- und Förderschullehrer sowie nun für Grundschullehrer. 420 Millionen Euro des aktuellen 1,7-Milliarden-Euro-Paketes sind ausschließlich für die älteren, angestellten Lehrer vorgesehen. Sie könnten erstmals befördert werden, es gebe eine Leistungsprämie und eine Zulage, über deren Auszahlung momentan noch verhandelt werde. „Der Vorwurf, wir würden nur Verlierer produzieren, ist nicht richtig.“ Ziel des Handlungsprogramms ist es, mehr junge Lehrer für den Schuldienst in Sachsen zu gewinnen – nur so seien auch Entlastungen für die älteren möglich.

Wie realistisch sind die Forderungen?

Das Argument ist: Die Nettolücke zwischen verbeamteten und angestellten Lehrern lasse sich aus tarifrechtlichen Gründen nicht schließen. Eine angestellte Lehrkraft in der Entgeltstufe 13 verdient nach mehrjähriger Dienstzeit etwa 5 400 Euro brutto. Um ein „Beamten-Netto“ von etwa 3 500 Euro pro Monat zu bekommen, müsste das Gehalt um rund 1 200 Euro pro Monat erhöht werden. Das Problem: Da sich das Tarifrecht auf das Beamtenrecht stützt, müsste eine solche Brutto-Erhöhung auch für die verbeamteten Lehrkräfte vorgesehen werden. Es seien Erwartungshaltungen geschürt worden, die „ich beim besten Willen nicht bedienen kann“, sagte Piwarz. Dem Freistaat seien nicht nur finanziell Grenzen gesetzt, er sei auch an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gebunden. „Wir können nicht ohne Weiteres eine allgemeine Zulage für angestellte Lehrer zahlen“, stellte Piwarz klar. Dem muss die Tarifgemeinschaft der Länder zustimmen. „Ob diese kommt, ist mehr als fraglich.“ Momentan laufen Gespräche mit dem Finanzminister. „Die Signale, die ich bekommen habe, sind eher negativ“, sagte Piwarz.

Die Lehrer-Demo in Dresden

In Dresden sind am Dienstag Lehrer auf die Straße gegangen, um gegen das Handlungsprogramm der Regierung zu protestieren.
In Dresden sind am Dienstag Lehrer auf die Straße gegangen, um gegen das Handlungsprogramm der Regierung zu protestieren.

Gibt es Kritik an den Lehrern?

Gegenwind kommt von Ex-Kultusminister Frank Haubitz. Der Schulleiter des Gymnasiums Dresden-Klotzsche hatte in seiner 52-tägigen Amtszeit die Verbeamtung der Lehrer entscheidend vorangetrieben. Nun wirft er Gewerkschaften und SPD Populismus vor. „Da werden Thesen und Versprechungen unter die Lehrer geworfen, die mit nichts untersetzt sind“, sagte Haubitz. Er spricht von „Vorgaukeln falscher Tatsachen“. Er rate den Lehrern dringend, den Bogen nicht zu überspannen. „Es hat sich eine Nimmersatt-Mentalität entwickelt, über die ich nur den Kopf schütteln kann“, so Haubitz. Er habe die Erwartungen selbst geschürt, sagte Sabine Friedel (SPD). In seiner Zeit als Minister hatte er „einen Ausgleich für die älteren Kollegen, die das Schulsystem in den letzten Jahrzehnten getragen und zum Erfolg geführt haben“, angekündigt. Der Philologenverband, dessen Vorsitzender Haubitz war, distanzierte sich von den Äußerungen.

Wie geht es weiter?

In der kommenden Woche ist ein Gespräch der Lehrerorganisationen mit dem Kultusminister geplant. Dass Piwarz Änderungen am Programm zustimmt, scheint unwahrscheinlich. „Ich möchte dem Anhörungsverfahren zum Gesetz nicht vorweggreifen“, sagte er. Das läuft noch bis nach den Sommerferien. Grüne und Linke unterstützen den Protest für eine Weiterentwicklung des Paketes. Ein „Nachteilsausgleich für alle nicht verbeamtungsfähigen Lehrer ist unentbehrlich“, sagt Petra Zais (Grüne). Linke-Bildungspolitikerin Cornelia Falken forderte, die Fehlentscheidung Verbeamtung wieder aufzuheben.