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„Betrunkene Täter kommen zu gut davon“

Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) fordert im Bundesrat eine Verschärfung des geltenden Rechts.

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© Ronald Bonß

Herr Gemkow, die sächsische Landesregierung will im Bundesrat eine Verschärfung des Strafrechts durchsetzen. Worum geht es in dem Antrag, der am Freitag eingereicht wird?

Bisher ist es so, dass ein Angeklagter mit einer Strafmilderung rechnen kann, wenn er vor seiner Tat sehr viel Alkohol getrunken hat. Wer betrunken oder im Drogenrausch ist, handelt ohne Schuld oder ist nur eingeschränkt schuldfähig. Keine Strafe ohne Schuld, lautet das Prinzip. Es gibt eine Ausnahme: Wer sich gezielt betrinkt, um in diesem Zustand eine Straftat zu begehen, kann wegen des vorsätzlichen Vollrausches bestraft werden. Viele Menschen haben das Gefühl, Straftaten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss werden nicht genügend sanktioniert, die Täter kommen zu gut davon. Aus Sicht der Landesregierung soll eine regelmäßige Milderung der Strafe nicht mehr infrage kommen. Das Recht muss die gesellschaftliche Sichtweise widerspiegeln. Es ist eine Frage der Akzeptanz.

Machen die Gerichte Ihrer Meinung nach zu häufig Gebrauch von diesem Strafmilderungsgrund?

Ich glaube, es liegt in der Systematik des Gesetzes, dass die Strafe fast immer gemildert wird, wenn Rauschmittel im Spiel sind. Ab zwei Promille wird in der Regel von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen, ab drei Promille gehen die Gerichte von Schuldunfähigkeit aus.

Wie stellt das Gericht fest, wie viel jemand vor der Tat getrunken hat?

Das geschieht im Rahmen der Beweiswürdigung. Dabei spielen auch die Gewohnheiten des Angeklagten eine Rolle, also wie trinkfest jemand ist. Im Zweifel entscheidet sich ein Richter dafür, den Angaben zu folgen und eine niedrigere Strafe zu verhängen. Das sieht das Gesetz so vor, und jede Abweichung muss gut begründet sein, damit das Urteil nicht aufgehoben wird.

An welche konkreten Fälle denken Sie?

Es gab vor einigen Jahren im Rahmen einer geplanten größeren Reform bereits eine Debatte darüber, das Recht an dieser Stelle zu ändern. Anlass war damals ein Fall aus Bayern. Ein betrunkener Mann hatte Polizisten erschossen. Er konnte letztlich nur wegen Vollrausches zu einer Strafe verurteilt werden, die deutlich unter dem Strafmaß für ein Tötungsdelikt liegt. Diesen Wertungswiderspruch können wir nicht hinnehmen. Ich halte es auch nicht für akzeptabel, dass sexueller Missbrauch unter Alkoholeinfluss gegebenenfalls milder bestraft werden muss.

Haben Sie Unterstützer im Bundesrat?

Es wird unsere Aufgabe sein, im Gesetzgebungsverfahren weitere Unterstützer aus anderen Bundesländern zu gewinnen. Eine Debatte dazu hat es, wie gesagt, schon gegeben, inzwischen haben sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat ein wenig verändert. Unser Antrag geht zunächst in die Ausschüsse und muss später dem Bundestag zugeleitet werden. Die Erfahrung zeigt leider, dass Entwürfe, die aus den Ländern kommen, im Gesetzgebungsverfahren durch das Bundesjustizministerium und den Bundestag gern auf die lange Bank geschoben werden und oft nicht zum Zuge kommen. Diesen Umgang mit Länderinitiativen finde ich sehr kritikwürdig.

In der letzten Legislaturperiode hatte die Bundesregierung die Absicht, das Strafgesetzbuch zu reformieren. Warum hat Ihr Vorschlag damals noch keine Rolle gespielt?

Die Reform ist nie zu Ende geführt worden. Es ist bei großen Gesetzesänderungen häufig so, dass die Widerstände gegen einzelne Punkte so immens sind, dass keine Mehrheit zustande kommt und das gesamte Projekt scheitert. Als Anfang der 1990er-Jahre die Strafen für Körperverletzungen verschärft wurden, wurde bereits darüber gesprochen, dass auch die Strafen für die fahrlässige Tötung angehoben werden müssen. Andernfalls stimmen die Relationen nicht mehr. Die Folge ist, dass eine schwere Körperverletzung unter Umständen ungleich härter bestraft wird als eine fahrlässige Tötung. Seit 20 Jahren sind wir bei diesem Thema keinen Schritt weiter gekommen. Auch diesen Punkt greifen wir in unserem Bundesratsantrag auf. Mir erscheint es sinnvoller, kleinere Änderungen anzustreben, als mit den ganz großen Entwürfen zu scheitern.

Die Verwaltungsrichter lehnen es ab, über Asylklagen in dem geplanten Ankerzentrum für Flüchtlinge zu verhandeln. Wie ist Ihre Position?

Ziel der Landesregierung ist es, mit dem Ankerzentrum in Dresden die Asylverfahren effektiver und zügiger zu gestalten. Dort sollen alle für die Asylverfahren zuständigen Behörden unter einem Dach arbeiten. Die Gerichte müssen meines Erachtens nicht zwangsläufig in das Ankerzentrum umziehen. Aber sie werden nach den jetzigen Plänen Arbeitsmöglichkeiten in dem Zentrum erhalten und können dann, wenn es ihnen sinnvoll erscheint, dort verhandeln und entscheiden.

Der Präsident des Oberverwaltungsgerichts, Erich Künzler, hat in der SZ kritisiert, dass viele Asylurteile folgenlos bleiben. Abschiebungen scheiterten häufig wegen fehlender Pässe. Hat er recht?

Wir haben bereits vor einiger Zeit die Verwaltungsgerichte erheblich verstärkt und 45 zusätzliche Richter eingestellt. Unser Ziel ist es, dass die Asylbewerber so schnell wie möglich Klarheit darüber haben, ob sie bleiben dürfen oder nicht. Außerdem sollen andere Verfahren nicht unter den zahlreichen Asylklagen leiden. Es ist nun Aufgabe der Richter, die Fälle abzuarbeiten. Trotz des großen Aktenberges erledigen sie dies mit großer Motivation. Wie es nach den Prozessen weitergeht, ist im Wesentlichen Sache der Ausländerbehörden. Tatsächlich stoßen wir auf große Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit einzelnen Herkunftsländern. Es ist Sache der Bundesregierung und des Außenministers, auf diesem Gebiet voranzukommen. Die Bundesrepublik unterstützt viele der betroffenen Länder mit Entwicklungshilfe. Diese Zusammenarbeit darf nicht zur Einbahnstraße werden.

Gespräch: Karin Schlottmann