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Bacchus gibt die Krone ab

Jens Weser war zehn Jahre lang der Bacchus von Diesbar-Seußlitz und begleitete die Weinhoheiten. Zum Abschied verrät er, was er unter seinem Kostüm trug.

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© Klaus-Dieter Brühl/Archiv

Von Antje Steglich

Diesbar-Seußlitz. Eigentlich war Jens Weser der Weihnachtsmann. Zog in der Adventszeit gemeinsam mit Winzer-Engel Carola Ulrich von Tür zu Tür, um in Diesbar-Seußlitz vor allem den Senioren eine kleine Überraschung zu bringen. „Eines Tages stand dann der alte Bacchus, Willfried Putzke, vor meiner Tür“, erinnert sich der 47-Jährige. Und kurze Zeit später schon nähte Jens Weser eine Art Toga, schlüpfte in Römer-Sandalen und setzte die Krone aus Weinlaub und Trauben auf.

Jens Weser ist Hobbywinzer und war zehn Jahre lang der Bacchus von Diesbar-Seußlitz.
Jens Weser ist Hobbywinzer und war zehn Jahre lang der Bacchus von Diesbar-Seußlitz. © Sebastian Schultz

Das Kostüm liegt jetzt, zehn Jahre später, eingemottet in einer schweren Holztruhe im Weserschen Haus direkt An der Weinstraße. Nur fürs Foto holt Jens Weser noch einmal die Krone hervor. Im eigenen Weinberg setzt er sich damit auf eine der 200 Stufen und blickt hinunter zur Elbe. Von klein auf ist das hier sein Zuhause. Hier lebten schon die Großeltern. Oma bewirtschaftete damals hundert Weinstöcke – alles in Handarbeit, erzählt Jens Weser. Das ist heute bei elf Mauern und einer 30-prozentigen Steigung nicht anders. Jens Weser selbst steigt während der Lehre im Riesaer Stahlwerk in den Weinbau ein. „Da konnte man sich was dazuverdienen, und zu DDR-Zeiten war Wein wie Goldstaub.“ Obwohl er auch viel Lehrgeld zahlen muss, bleibt er allein schon deshalb dem Weinbau verbunden. Der Rest der Geschichte sei Heimatverbundenheit und glückliche Fügung.

Mittlerweile ist der 47-Jährige als selbstständiger Bauelemente-Händler im ganzen Elbland unterwegs und hat zu den hundert Weinstöcken noch einen weiteren Viertelhektar vom Weinberg hinter dem Haus dazu gepachtet. Hier wachsen Riesling, Müller-Thurgau, Sauvignon Gris, Grauburgunder, Weißburgunder, Traminer, Dornfelder und ein bisschen Solaris. Etwa zwei Tonnen Trauben kommen im Herbst zusammen, die er zur weiteren Verarbeitung an ein Weingut der Region abgibt und dafür eine ordentliche Anzahl an Flaschen Wein zurückbekommt. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum Jens Weser nicht länger der Bacchus von Diesbar-Seußlitz sein will: Zur Federweißermeile Mitte September möchte er mit seiner Frau erstmals die eigene kleine Besenwirtschaft öffnen und so auch die Lücke zwischen Lehmanns Weingut und Seußlitzer Schloss schließen, die von Besuchern oft kritisiert wird. „Wir wollen das zusammen machen, so macht es auch mehr Spaß“, sagt der zweifache Familienvater und Großvater einer kleinen Enkeltochter. Und deshalb werde nun ein Nachfolger gesucht.

Was der mitbringen müsste? Einen guten Umgang mit Menschen, sagt Jens Weser sofort. „Er muss zwar kein Winzer sein, aber ihm sollte auch der Wein schmecken. Das ist vielleicht sogar die Grundvoraussetzung.“ Dabei muss der Bacchus aber immer einen klaren Kopf behalten, also trinkfest sein. „Man kriegt überall nachgeschenkt. Zwei Flaschen gehen da bestimmt an einem Nachmittag drauf.“

Die große Weinprobe und die Federweißermeile sind die beiden großen Auftritte des Bacchus. Dort begleitet er die aktuelle Weinkönigin des Ortes. Und weil die meist recht jung sind, sah sich Jens Weser oft auch als väterlichen Beschützer. Dabei brauchte er manches Mal selbst etwas Schutz – wenn die Frauen nach ein paar Gläschen Wein allzu übermütig wurden und dem hoch gewachsenen Mann unter den Rock greifen wollten. „Das hat viele interessiert, was ich drunter trage“, erinnert sich Jens Weser lachend, „und ob ich es wie die Schotten halte.“ Allerdings habe er doch öfter etwas unter der Kutte getragen, verrät er. „Manche Jahre war es so kalt und nass, da habe ich auch mal eine Unterhose angezogen und die Beine nur nach oben gekrempelt.“ Trotzdem wird er die Zeit als Weingott sicher auch vermissen.

„Es gab Tausende Momente, die toll waren. Am besten war der Kontakt mit so vielen unterschieldichen Menschen“, so Jens Weser. Eine Anekdote erzählt er immer wieder gern: Als das Cabrio, in dem Ortsweinkönigin und Bacchus auf der Meile unterwegs waren, vergessen wurde zu schließen und nach dem Regen klitschnass war. Jens Weser aber nahm auch den nassen Sitz mit Humor – und der hat die Bacchus-Figur der letzten zehn Jahre sicher mit am meisten geprägt.

„Doch mein Nachfolger muss seinen eigenen Bacchus prägen“, sagt Jens Weser. „Mein Vorgänger war ein Weingott mit Vollbart. Danach war ich vielen erst einmal zu groß und zu jung.“ Doch man habe sich an ihn gewöhnt – der eine oder andere gemeinsame Schluck Wein sollte dazu beigetragen haben.

Wer wird der neue Seußlitzer Bacchus? Interessenten können sich beim Tourismusverein Sächsische Elbweindörfer melden [email protected] oder im Weinreich am Seußlitzer Schloss.