Merken

Ausgestorben, aber quicklebendig – die Ziesel

Das europäische Erdhörnchen geht auf Tuchfühlung mit seiner einstigen Heimat im Erzgebirge.

Teilen
Folgen

Von Stefan Robert Weißenborn

Einem in Deutschland ausgestorbenen Tier kann man mit etwas Glück im Erzgebirge über den Weg laufen. Eigentlich hatte das europäische Erdhörnchen seinen Platz in den Naturkundemuseen längst sicher – ausgestopft und versehen mit einem Schildchen „zuletzt hierzulande 1985 in freier Wildbahn nachgewiesen“. Dieses Schicksal will ein Tierschützer rückgängig machen. Er sorgt für einen Wiederansiedlungsversuch nahe der tschechischen Grenze, dem einstigen Zuhause des Erdhörnchens.

Seit einigen Wochen erkundet der Ziesel, wie Biologen den kleinen Säuger auch nennen, nach über 20-jähriger Abwesenheit die alte und neue Heimat. Das Projekt zur Wiederansiedlung des bislang letzten in Deutschland ausgestorbenen Säugetiers hat Wolfgang Riether mit seinem Team gestartet. Der Geschäftsführer des Bundes für Naturschutz (BUND) in Sachsen hatte bereits vor etwa zehn Jahren die Idee. Erdhörnchen, die wie die mit ihnen nicht verwandten Erdmännchen aufmerksam Männchen machen können, waren zuletzt Mitte der 80er Jahre in ihrem Lebensraum in Sachsen beobachtet worden. Unter anderem „aufgrund des intensiven Ackerbaus bis in die Hochlagen des Erzgebirges“ seien sie dann aber verschwunden. Wieder einwandern konnten die Tiere aus dem benachbarten Tschechien nicht: „Die Wege sind durch Straßenbau und Umstrukturierung in der Landwirtschaft abgeschnitten“, betont Riether.

Der Tierschützer besorgte sich eine muntere Truppe von Erdhörnchen aus Tschechien sowie Österreich, wo es die Tiere bis heute gibt. Nach einiger Vorbereitungszeit setzte er den Ziesel im Juli 2006 zum ersten Mal wieder auf den ehemals angestammten Boden nahe des Städtchens Geising – zur schonenden Eingewöhnung und für das notwendige Beifüttern allerdings zunächst in ein Gehege. Die fleißigen Buddelkünstler fühlten sich auf dem 300 Quadratmeter großen Gelände zunächst äußerst wohl. Aus dem Winterschlaf wachten dann aber so viele Tiere nicht mehr auf, dass der Aufbau einer eigenständigen Population in weite Ferne rückte. Riether organisierte weitere Tiere, Ende Juli war es dann so weit: Vier der Nager entließ das Team aus dem Gehege.

Seitdem ist der Ziesel nun wieder in freier Wildbahn in Deutschland unterwegs. Die neue Freiheit aber will er zunächst nicht so richtig annehmen. Dennoch bestehen für die Tiere die wohl besten Aussichten der Wiederansiedelung unter den in Deutschland ausgestorbenen Säugern. Für kein anderes Tier sei der Lebensraum wieder so beschaffen wie ehedem. Mindestens 70 Tiere müssen langwierig eingewöhnt werden, als Voraussetzung für die Reproduktionsfähigkeit der Population. Riether: „Frühestens in acht Jahren wird die Auswilderung abgeschlossen sein.“ (ddp)