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Auseinandersetzung um Freitaler Aufmarsch

Pegida-Gründer Lutz Bachmann nennt es das „Glücksritter-Heim“. Seine Anhänger ruft er auf, sich gegen die Asylbewerberunterkunft bei Dresden zu wehren. Doch sie stoßen auf Widerstand.

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© Karl-Ludwig Oberthuer

Von Martin Fischer

Dresden. „Auf die Straße, Leute! Wehrt Euch!“: Dem Facebook-Aufruf von Lutz Bachmann folgen am Dienstagabend rund 80 Menschen. Sie stehen in Gruppen auf dem Rasen und vor den hellen Wohnblocks in der Straße Am Langen Rain in Freital. Einige halten Bierflaschen in den Händen, die Stimmung ist locker. „Wir haben nichts gegen Bürgerkriegsflüchtlinge“, sagt Sebastian. „Aber die da hinten sind keine Bürgerkriegsflüchtlinge. Das sind Wirtschaftsflüchtlinge, die denken, sie könnten hier machen was sie wollen.“

Die da hinten sind die Bewohner des ehemaligen Hotels „Leonardo“. Seit Wochen gibt es gegen die Unterbringung der Asylbewerber Proteste in der nur 20 Autominuten vom Zentrum Dresdens entfernten Stadt. Doch seit die Landesdirektion am Montag angekündigt hat, hier neben den rund 100 bereits vom Landkreis untergebrachten Flüchtlingen noch Platz für bis zu 280 weitere zur Erstaufnahme zu schaffen, schlagen die Wellen hoch.

„Alle haben ein Messer in der Tasche“

„Die sind doch alle kriminell“, klärt eine Frau mit schwarz-rot-goldenem Deutschland-Hut die Umstehenden auf. „Sie beobachten die Mädchen beim Sportunterricht in der Schule.“ Ihre Begleiter nicken zustimmend, sprechen zynisch von „Kulturbereicherern“ und „Fachkräften“, die „hier nicht hergehören“. „Alle haben ein Messer in der Tasche“, weiß einer. Und natürlich immer die neuesten Handys. „Aber das dürfen sie ja nicht schreiben, sonst verlieren sie ihren Job“, sagt er dem Journalisten von der „Lügenpresse“.

Es sind dieselben Vorurteile, dasselbe Vokabular, das man auch montags bei den Pegida-Kundgebungen in Dresden hört, zu denen allwöchentlich noch immer zwischen ein- und zweitausend Menschen strömen, darunter nicht wenige aus Freital. Bachmann selbst nennt die Flüchtlingsunterkunft bei Facebook ein „Glücksritter-Heim“.

Vier Dutzend Polizisten stehen zwischen den Unterkunftsgegnern und etwa 200 Gegendemonstranten, die nach eigenem Bekunden die Asylsuchenden in ihrem Hotel schützen wollen. „Liebe Flüchtlinge, willkommen in Deutschland!“, kann man in deutscher, englischer und französischer Sprache auf einem Plakat lesen, das Aktivisten der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) den Asylgegnern auf der anderen Seite trotzig entgegenhalten. Beide Gruppen beschimpfen sich wechselseitig über die zur Absperrung aufgereihten Polizeiwagen hinweg mit „Nazis, haut ab“ oder „Linksfaschisten“.

Seit Wochen „ein echtes Problem“

„In Freital haben wir seit Wochen ein echtes Problem“, sagt Sachsens Grünen-Landesvorsitzender Jürgen Kasek, der hergekommen ist, „um klar Position gegen Rassismus zu beziehen.“ Doch ungeachtet dieses Problems habe die Staatsregierung hier eine Erstaufnahmeeinrichtung eröffnet, „ohne eine Sicherheitskampagne zu fahren“. Deshalb habe er größten Respekt vor den Menschen, die sich schützend vor die Flüchtlinge stellen.

„Das, was hier geschieht, macht mir Angst“, sagt Kasek. In Sachsen erlebe man seit Pegida eine „Verschiebung des Diskussionsrahmens“. Positionen, die sonst nicht offen geäußert wurden, würden nun offensiv ausgesprochen. „Und wenn das dann noch durch die Politik transportiert wird, schafft das die Stimmung für eine Eskalation.“

Auch Politiker von Linken und SPD äußerten sich besorgt über die Proteste. Besonders erschreckend sei die Stimmungsmache, die die Organisatoren von Pegida in Freital betreiben würden, meinte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann. Linke und Grüne warfen der schwarz-roten Staatsregierung Missmanagement vor. Innenminister Markus Ulbig (CDU) habe die Erstaufnahme nicht im Griff und gefährde Flüchtlinge, erklärte die Linken-Migrationsexpertin Juliane Nagel.

Ausländerbeauftragter über Proteste besorgt

Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) hat den Organisatoren der Demonstrationen gegen eine Asylunterkunft in Freital Dresden aggressive Stimmungsmache vorgeworfen. „Manche Formulierungen der Rädelsführer enthalten zumindest zwischen den Zeilen Aufrufe zu Gewalt gegen Personen und Sachen“, erklärte er am Mittwoch. „Es ist unerträglich, wenn Menschen, die vor Terror auf der Welt geflohen sind, nun in sächsischen Unterkünften erneut in Angst und Schrecken versetzt werden.“ Zugleich warnte er davor, die Standortwahl infrage zu stellen. „Wegbrüllen kann man gesellschaftliche Aufgaben nicht.“

Die Landesdirektion will das Freitaler Hotel als Zwischenlösung für die Erstaufnahme von Flüchtlingen nutzen. Mit der Belegung der 280 Plätze könnten die umstrittenen Zelte, die in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz errichtet worden seien, Zug um Zug wieder abgebaut werden, hieß es.

Schon seit Anfang März fänden jeden Freitag rassistische Aufmärsche gegen die Unterkunft statt, erklärte die örtliche Linken-Wahlkreisabgeordnete Verena Meiwald. Die Wahl der Stadt als Standort für die Erstaufnahme zeige, wie wenig sensibel das Innenministerium vorgehe.

Innenminister rechtfertigt sich

Ulbig rechtfertigte die Unterbringung: „Mit der Einquartierung in Freital können Flüchtlinge aus Zelten herausgebracht werden“, erklärte der Minister. „Ausländerfeindliche oder populistische Parolen Einzelner dürfen nicht die Verantwortung unserer Gesellschaft für eine vernünftige und anständige Unterbringung infrage stellen.“

Zwei junge, dunkelhäutige Männer stehen vor dem Hotel und schauen dem Treiben lächelnd zu. „Seit zwei Tagen sind wir hier“, sagen sie. Aus Indien seien sie gekommen, um in Deutschland Asyl zu beantragen. Geflohen vor der Unsicherheit in ihrer Heimat. Die Verständigung ist holprig. Was die Demonstranten da hinten auf dem Rasen vor den Wohnblocks wollen, scheinen sie nicht wirklich zu verstehen. „Wir fühlen uns gut, wir sind sicher hier in Deutschland.“

„Der Einsatz wurde um 00.45 Uhr beendet“, sagte ein Polizeisprecher. Dennoch werde man vor der Unterkunft präsent bleiben. (dpa)