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Auf den Leib gemalt

Die Meißnerin Silke Kirchhoff ist eine der besten Bodypainterinnen der Welt. Sogar für einen Film auf Netflix hat sie schon direkt auf nackte Haut gemalt.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Keiner der ausgebildeten Visagisten am Babelsberger Filmset hatte sich das zugetraut. Immerhin ging es um den persönlichen Wunsch des Regisseurs Duncan Jones, keinem Geringeren als dem Sohn von David Bowie. Für „Mute“, eine Produktion für den Video-Streaming-Dienst Netflix, wünschte sich Jones für eine einzige Szene ein „Pixel-Girl“: eine junge Frau, die so angemalt war, dass sie aussah, als würde sie aus lauter einzelnen Pixeln bestehen.

Silke Kirchhoff in Aktion: Bei einem Ganzkörper-Painting hat der Fotograf und Bodypainter Frank Dobbert diese Zeitraffer-Aufnahme gefilmt.
Silke Kirchhoff in Aktion: Bei einem Ganzkörper-Painting hat der Fotograf und Bodypainter Frank Dobbert diese Zeitraffer-Aufnahme gefilmt. © Frankdobbertfotografie.de
Das Malen hat Silke Kirchhoff schon an viele Orte geführt: zu Wettbewerben, auf Messen und Festivals im In- und Ausland. Die Eintrittskarten behält sie als Erinnerung.
Das Malen hat Silke Kirchhoff schon an viele Orte geführt: zu Wettbewerben, auf Messen und Festivals im In- und Ausland. Die Eintrittskarten behält sie als Erinnerung. © Claudia Hübschmann
Das wichtigste Werkzeug der Künstlerin neben ihren Farben: die Pinsel. Nur mit Pinsel und Schwamm entstehen ihre Bodypaintings, für Grundierungen nimmt sie auch mal eine Airbrush-Pistole zum Aufsprühen.
Das wichtigste Werkzeug der Künstlerin neben ihren Farben: die Pinsel. Nur mit Pinsel und Schwamm entstehen ihre Bodypaintings, für Grundierungen nimmt sie auch mal eine Airbrush-Pistole zum Aufsprühen. © Claudia Hübschmann
Etliche Preise hat Silke Kirchhoff bereits eingeheimst: Die Pokale im Vordergrund sind vom Beauty-Forum Leipzig, die hinten von der WM, die Tuba gab es für den 1. Platz beim Apoldaer Bodypainting 2017.
Etliche Preise hat Silke Kirchhoff bereits eingeheimst: Die Pokale im Vordergrund sind vom Beauty-Forum Leipzig, die hinten von der WM, die Tuba gab es für den 1. Platz beim Apoldaer Bodypainting 2017. © Claudia Hübschmann

Ein Job für Bodypainter, also „Körpermaler“, wie Silke Kirchhoff. Am Ende war es die 43-jährige Wahl-Meißnerin, die zusammen mit einer Kollegin aus Münster das „Pixel-Girl“ vier Stunden lang bemalte. „Duncan Jones war sehr begeistert“, sagt Kirchhoff und lächelt stolz.

Die Frau mit den pastellbunt gefärbten Haarsträhnen sitzt am Küchentisch in ihrem Haus auf dem Meißner Questenberg, dem „Monte Questo“, wie man hier im Scherz gerne sagt. An der Wand hängen Fotos ihrer drei Kinder, im Flur Schwarz-Weiß-Bilder, die ihr Sohn Pepe fotografiert hat, zwei Türen weiter geht es in das fliederfarben gestrichene Arbeitszimmer der Künstlerin. Hier stehen extravagante Kopfbedeckungen auf einem Tisch. „Basteln gehört leider auch dazu“, sagt Kirchhoff bescheiden. Dabei hat sie mit der rosa „Zuckerwatte“-Perücke und der dazugehörigen Körperbemalung sogar den ersten Platz beim Beauty-Forum Leipzig 2016 geholt. Nicht die einzige Auszeichnung, wie die Reihe an Trophäen auf einer Kommode zeigt. Ihre beste Platzierung bisher: Silber bei der Weltmeisterschaft in Klagenfurt. Lange Zeit hat Silke Kirchhoff aber vor allem Einhörner, Schmetterlinge oder Spiderman gemalt.

Mit Kinderschminken fing vor 20 Jahren alles an. Die gelernte Hauswirtschafterin, die aus Auerbach im Vogtland stammt, brachte sich dafür alles selbst bei. „Dann habe ich lange gar nicht gemalt“, sagt sie. In der Lausitz leitete sie ein Freizeitheim, mit ihrem Mann und den Kindern zog sie erst in das Pfarrhaus in Miltitz, bevor sie vor sechs Jahren das hellblaue Haus auf dem Questenberg kauften. Da war Silke Kirchhoff längst zurück im Geschäft, und das erfolgreicher als jemals zuvor.

2010 fängt sie wieder an, Gesichter zu bemalen, und macht sich nun sogar selbstständig. „Aber irgendwann war auch das Gesicht zu klein.“ 2011 nimmt sie das erste Mal an der WM teil – ohne jemals zuvor ein Ganzkörper-Bodypainting gemacht zu haben. „Aber ich dachte, dich kennt hier ja keiner“, sagt Kirchhoff und grinst. Sie belegt auf Anhieb den sechsten Platz bei den Amateuren. Im Jahr darauf ist es schon der zweite. „Danach musste ich zu den Profis.“

Heute ist Silke Kirchhoff eine der Besten in der überschaubaren Szene. Sie ist deutschlandweit und sogar über die Landesgrenzen hinaus unterwegs, malt für Firmen oder Messen – mal eine Leopardin, mal ein Klimt-Girl. Für eine Motorradmesse malte sie schon einen ganzen Motorradanzug auf eine Frau, oder ein paar Jeans, die man, auch dank aufgeklebter Details wie einem Gürtel oder Fransen, kaum von einer echten Hose unterscheiden konnte.

Die Frauen – männliche Modelle sind selten – stehen bei einem Wettbewerb schon mal gut zwölf Stunden, erzählt Kirchhoff. Denn meistens werden ihre Körper ringsum bemalt, die einzige „Kleidung“ ist ein Slip und manchmal Nippelcover, die die Brustwarzen verschwinden lassen. Unter der Farbe, die Kirchhoff nur mit Pinsel und Schwamm aufträgt, wird beides unsichtbar. „Und weil ich das immer wieder gefragt werde“, sagt Kirchhoff, „ja, die Models können noch auf die Toilette gehen“. Damit sie sich auch noch einigermaßen bewegen oder etwas essen können, werden Achseln und Hände erst ganz zum Schluss bemalt. Trotzdem ist ihr ein Modell auch schon einmal umgekippt.

Es klingelt an der Haustür des hellblauen Hauses auf dem Questenberg, und Silke Kirchhoff öffnet kurz dem Paketboten. Dann kommt sie strahlend mit einem kleinen, braunen Päckchen zurück. „Neue Farben“, sagt sie. Einen Moment zuvor hatte sie noch erzählt, dass sie eigentlich schon viel zu viele Farben habe. „Aber die hier sind wirklich sehr gut!“

Auch für Bodypaintings nutzt sie übrigens Kinderschminkfarben auf Wasserbasis. Tatsächlich macht das Bemalen von Kindergesichtern auch heute noch den Großteil ihrer Arbeit als Künstlerin aus. Kirchhoff wird von Kindergärten oder für Privatfeiern gebucht und gibt eigene Kurse. Mit einer kleinen Kinderschminkstation steht sie auch schon mal bei Rewe neben dem Leergutautomaten.

Seit Kurzem bietet Silke Kirchhoff auch das Bemalen von Schwangerenbäuchen an. Das sei sehr persönlich und wegen der weichen Pinsel ein ganz besonderes Erlebnis für die werdenden Mütter. Und die Babys im Bauch zeichneten den Weg der Pinsel manchmal sogar nach.

Nur eine Anfrage lehnt Silke Kirchhoff immer ab: „Ich mache nicht Schönschminken.“ Wenn eine Freundin sie fragt, ob sie sie nicht für ihre Hochzeit schminken könne, schickt sie sie zu einem Visagisten.

„Erfolg ist das, was folgt, wenn du dir selbst folgst“, steht auf einer Postkarte, die Kirchhoff aufgehängt hat. „Ich habe einen der schönsten Berufe“, sagt sie selbst etwas weniger poetisch. Ihre Familie vom Malen ernähren, das könnte sie nicht. „Dafür ist es zu sehr Kunst.“ Aber manchmal kommt ihre Tochter strahlend aus der Schule zurück, weil ihre Mitschüler über Bilder des berühmten US-amerikanischen Bodypainters Craig Tracy staunten und sie mit einem Schulterzucken sagen konnte: „Na, und? Meine Mama kennt den.“

Im Juli findet die nächste Weltmeisterschaft der Körpermaler statt, Silke Kirchhoff ist natürlich schon angemeldet. An der Wand in ihrem Büro hängt ein Entwurf für das, was sie ihrem Modell dann auf den Leib malen wird. Verrückt und bunt wird es aussehen – und ganz und gar nicht kleinkariert verpixelt wie die Schauspielerin im Netflix-Film. Der ist auf dem Streaming-Portal inzwischen schon zu sehen. Wer den Namen Silke Kirchhoff im Abspann sucht, der wartet jedoch vergeblich. Die Bodypainterinnen wurden nicht namentlich genannt. „Das haben wir schon moniert“, sagt Kirchhoff. Wirklich böse ist sie deshalb aber nicht. Dafür gibt es zu viel anderes zu malen. Und die neuen Farben müssen ja auch noch getestet werden.