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AfD will einen Gedenktag für Sachsen

Die Landtagsfraktion drängt auf einen „Tag der Freiheit und Demokratie“. Warum aber macht sich die AfD für solch einen Tag so stark?

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© Sebastian Kahnert/dpa

Von Thilo Alexe

Die Traditionslinie, die AfD-Fraktionschef Jörg Urban zieht, ist lang. „Was Panzer vorerst im Keim erstickten, vollendete die Friedliche Revolution im Herbst 1989.“ Urban spricht vom 17. Juni 1953. „Die Erinnerung an den Volksaufstand in der damaligen DDR droht leider in Vergessenheit zu geraten.“

Die AfD will das ändern. Sie hat einen Gesetzentwurf in den Landtag eingebracht. Ziel ist es, den 17. Juni zu einem Gedenktag zu machen. Er soll als „Tag der Freiheit und Demokratie“ begangen werden.

Warum aber macht sich die AfD für diesen Tag so stark? Die Partei empfindet sich als verwandt mit den Montagsdemonstranten von 1989. Bereits im Gründungsjahr 2013 erkannte der Vizelandeschef Thomas Hartung Parallelen. „Zuweilen kam es mir im Wahlkampf so vor, als sei die AfD heute für viele Sachsen, was die Nikolaikirche 1989 war: ein Ort der Hoffnung“, sagte er damals der SZ. Hartung ist nicht mehr im Vorstand, die Partei hat sich nicht nur in Sachsen einen weiteren Rechtsruck verpasst. Doch Teile der Selbstwahrnehmung sind geblieben. Die AfD inszeniert sich als eine Kraft, die aufmuckt gegen ein übermächtiges System, das dadurch zwar nicht einstürzt, sich aber dennoch verändert.

Die Sicht ist natürlich gewagt. Der Protest der Montagsdemonstranten war um ein Vielfaches riskanter als die Teilnahme an den ersten AfD-Kundgebungen. Dennoch hat die Partei mit dieser Form der Selbstdarstellung Erfolg.

Zudem hebt die AfD ein weiteres Motiv der 1953 Streikenden hervor. Diese wollten die Zulassung westdeutscher Volksparteien in der DDR sowie die Durchlässigkeit der „Zonengrenzen“. Das zeige, so heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass „auch der Wunsch nach Wiederherstellung der deutschen Einheit schon damals eine nicht unbeträchtliche Rolle spielte“.

Auch das zählt zu Grundmustern der AfD-Argumentation: Gerade ostdeutsche Landesverbände, die oft recht regierungsferne Ansichten vertreten und Sympathie mit autoritären Regierungsstilen zeigen, teilen heftig gegen die DDR aus. Sie war, wie es im Gesetzestext heißt, ein „menschenunwürdiges sozialistisches Gesellschaftsexperiment“. Das bedeutet jedoch nicht, dass die heutige Regierung aus AfD-Sicht viel besser ist. Die Partei empfindet sich als eine Art politische Avantgarde, die verkrustete Strukturen aufbricht.

Wenig Chance auf Zustimmung

„Sachsen soll mit diesem Gedenktag ein Zeichen setzen“, betont Urban. „Den mutigen Männern und Frauen gebührt Anerkennung und Respekt. Sie haben unerschrocken ihren Willen bekundet, in einer freien und demokratischen Gesellschaft leben zu wollen.“ Formal geht es darum, das Sonn- und Feiertagsgesetz in Sachsen zu ändern. Für Gedenktage gelten darin weniger strenge Vorschriften als für Feiertage. Gedacht werden soll der „Opfer des Volksaufstandes“. Im Landtag dürfte das Vorhaben allerdings wenig Chancen auf Zustimmung haben – unter anderem auch deshalb, weil Gedenken an den 17, Juni auch ohne eine Gesetzänderung möglich ist und in Städten wie Dresden, Leipzig und Görlitz auch praktiziert wird. Doch egal, wie die Abstimmung ausgeht: Der Antrag hat in jedem Fall Symbolkraft. Denn auch andere Kräfte aus dem neurechten Spektrum wollen den 17. Juni für sich nutzen.

Im Internet mobiliseren sie für einen „Tag der Patrioten“. In dem Aufruf heißt es: „Deutschland ist aufgewacht, vielerorts regt sich Widerstand gegenüber einer menschenverachtenden Politik. Immer mehr Bürger gehen auf die Straße, überall in den Großstädten, oder auf dem Land herrscht politische Aufbruchsstimmung.“

In dem Text werden unter anderem Kandel, Cottbus und Dresden erwähnt – alles Städte, in denen Asylgegner unlängst demonstrierten. Die Idee ist: Deutschlandweit sollen am 17. Juni gleichzeitig Demonstrationen organisiert werden, gegen Asylpolitik, gegen Moscheebau, gegen Kanzlerin Angela Merkel oder auch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Bündnisse wie Pegida und „Kandel ist überall“ unterstützen das Anliegen. Der angebliche Patriotentag soll der neurechten Protestszene zur Vernetzung dienen.