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Zeckenalarm in Sachsen

Die Zahl der Erkrankten ist dieses Jahr höher als sonst. Man kann vorbeugen, doch viele tun es nicht.

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© www.zecken.de/dpa

Von Stephanie Wesely

Professor Martin Pfeffer hatte es kommen sehen: „Dieses Jahr sind die Zecken besonders zahlreich und aktiv“, sagt der Veterinärmediziner von der Uni Leipzig. Deshalb sind die ersten Erkrankungen früher als in anderen Jahren aufgetreten. Zecken sind vor allem für zwei Krankheiten verantwortlich – die Borreliose und die Frühsommermeningoenzephalitis (FSME).

© Ariane Bühner

Die Krankheit Borreliose

Borreliose ist am weitesten verbreitet. Mit 120 000 Fällen pro Jahr wird gerechnet. Genauer lässt sich das nicht sagen, denn die Krankheit ist nur in acht Bundesländern meldepflichtig. Sachsen ist eins davon. Knapp 1 900 Fälle registrierte die Landesuntersuchungsanstalt Sachsen im Jahr 2017. Bis zur zweiten Juliwoche gab es bereits 772 Borreliosekranke, 200 mehr als im letzten Jahr um diese Zeit. Besonders betroffen ist der Osten des Freistaates, zum Beispiel die Stadt Dresden, der Raum Görlitz und die Sächsische Schweiz, aber auch das Vogtland, Mittelsachsen und das Erzgebirge. Borreliose wird durch Bakterien übertragen, die sich im Verdauungstrakt der Zecken befinden. Bis sie in die Stichwunde abgegeben werden, können zwölf Stunden vergehen, so das RKI. Eine rasche und sachgerechte Entfernung der Zecke kann deshalb vor einer Infektion schützen. Bis Antikörper im Blut nachweisbar sind, vergehen mindestens drei Wochen. Ein zuverlässiges Anzeichen ist aber die Wanderröte – eine rote, oft erhabene Stelle um den Einstich, die juckt oder schmerzt. Ist sie vorhanden, behandelt der Arzt mit Antibiotika. Manche Borrelioseerkrankungen verlaufen anfangs symptomlos und zeigen sich Wochen später durch Gelenk- und Nervenentzündungen. Lähmungen, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen können die Folgen sein. Eine Impfung gibt es nicht.

Die Krankheit FSME

FSME ist seltener als Borreliose, dafür aber eine sehr schwerwiegende Infektion. Vier Fälle wurden seit Jahresanfang in Sachsen gemeldet. Die Patienten kommen aus dem Vogtland, aus der Sächsischen Schweiz und dem Erzgebirge. Deutschlandweit gibt es bis jetzt knapp 200 Erkrankte. Von Jahr zu Jahr steigen die Zahlen: 2017 meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 485 Fälle, ein Jahr zuvor waren es 340.

Die FSME wird durch Viren ausgelöst, die etwa drei Prozent aller Zecken in ihren Speicheldrüsen haben. Die Erreger gelangen unmittelbar mit dem Stich ins Blut. Bei vielen bleibt der Stich folgenlos. Etwa jeder dritte Infizierte erkrankt. Im ersten Krankheitsstadium, das ein bis zwei Wochen nach dem Stich beginnt, treten Gliederschmerzen, Fieber und grippeähnliche Symptome auf. „Nach einer fieber- und beschwerdefreien Phase steigt bei etwa zwei Drittel der Betroffenen das Fieber plötzlich wieder an. Das ist ein Zeichen für das zweite Stadium, wenn die Viren auf Gehirn und Nerven übergegangen sind“, sagt Dr. Olaf Leschnik, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Krankenhaus Rodewisch im Vogtland. Am häufigsten entzündet sich die Gehirnhaut, seltener das Gehirn und das Rückenmark. Schwere Lähmungen bis hin zur Pflegebedürftigkeit, aber auch Todesfälle können die Folgen sein.

Die Medizin hat bisher noch nicht herausfinden können, warum es bei einigen Menschen zu schlimmen Komplikationen kommt und sie sogar daran sterben, während andere Infizierte nur leicht oder gar nicht erkranken. „Sicher ist, dass das Alter der Patienten eine Rolle spielt. Je älter die Person, umso schlimmer kann die FSME verlaufen“, sagt Dr. Leschnik. Männer erkranken ungefähr doppelt so häufig wie Frauen. Auch bei den schweren Verläufen sind Männer vorn. Sie sind rund dreimal so oft betroffen. Eine ursächliche Behandlung gibt es Leschnik zufolge nicht. „Die Krankheit verläuft schicksalhaft. In der Klinik behandeln wir mit Schmerzmitteln sowie mit Physio- und Ergotherapie.“

Der Schutz

Der effektivste Schutz vor diesen Erkrankungen ist es, Zeckenstiche zu vermeiden. Beim Streifen durch hohes Gras und Gebüsch trägt man am besten lange Hosen, die in die Socken gesteckt werden, und feste Schuhe. Auf hellen Stoffen sind die Krabbeltiere am besten zu erkennen. Haben sie trotzdem den Weg unter die Kleidung gefunden, kann man sie unter der Dusche abspülen, solange sie sich noch nicht festgesaugt haben, empfiehlt das RKI. Doch Duschen ersetzt nicht das gründliche Absuchen des Körpers – am besten gegenseitig. Die Zecken stechen gerne in weiche, warme Hautstellen. Eine festgesaugte Zecke lässt sich mit einer Splitterpinzette oder einer Zeckenkarte entfernen. Das Tier wird mit einem kräftigen Ruck gerade herausgezogen, nicht gedreht oder gedrückt. Anschließend wird die Haut desinfiziert.

Die Impfung

Gegen die FSME gibt es für Kinder und Erwachsene eine wirksame und verträgliche Impfung. Sie wird dann von der Kasse bezahlt, wenn der Versicherte in einem Risikogebiet wohnt oder in ein solches reist. In Sachsen gibt es vier Risikogebiete. Das Vogtland seit 2014 und drei weitere seit diesem Jahr: der Landkreis Zwickau, der Erzgebirgskreis und der Landkreis Bautzen. „Wer in Chemnitz oder Dresden wohnt, bekommt die Impfung nicht bezahlt, es sei denn, man hält sich auch in Risikogebieten auf, an Autobahnraststätten oder beim Wandern“, sagt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen. Auch für Reisen ins Ausland übernehmen die meisten Kassen die Impfkosten. Eine aktuelle Übersicht gibt es beim Centrum für Reisemedizin (www.szlink.de/fsme).

„Ein vollständiger Impfschutz besteht aus drei Impfungen“, sagt Dr. Dietmar Beier, Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission. Die ersten beiden erfolgen im Abstand von ein bis drei Monaten, die dritte nach neun bis zwölf Monaten. „Aufgefrischt wird das erste Mal nach drei Jahren, danach bei unter 60-Jährigen alle fünf, bei über 60-Jährigen alle drei Jahre“, sagt er.

Trotz Kostenübernahme hatten Ende 2016 nur 13 Prozent der Sachsen einen vollständigen Impfschutz, sagt Jörg Förster, Sprecher des Sozialministeriums im Freistaat. „Die 11- bis 18-Jährigen sind am besten geschützt, die Erwachsenen am schlechtesten, obwohl FSME mit zunehmendem Alter schwerer verlaufen kann.