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Zweifacher Neustart in Neukirch

Stephan Weise zog mit seiner Familie von Bautzen in die Oberlandgemeinde. Dort leitet er jetzt die Tagespflege beim Deutschen Roten Kreuz.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Neukirch. Mit dem Fahrrad braucht Stephan Weise nur wenige Minuten bis zur Arbeit. Er und seine Frau haben in Neukirch ein Haus gebaut. Zuvor lebten sie in Bautzen. Der 31-Jährige, der in Kleinwelka aufgewachsen ist, ist bekennender Oberlandfreund. Er mag die Landschaft, die Ruhe, die aufgeschlossenen Menschen. „Es geht im Ort familiär zu“, sagt er.

Nun arbeitet er auch in seinem neuen Heimatort. Seit Anfang Juli leitet er die Tagespflege des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Neukirch. Der Sozialverband eröffnete sie vor einem Jahr. Stephan Weise war damals noch in der Ausbildung zum Pflegedienstleiter. Deshalb baute zunächst Sandra Müller, die Leiterin der DRK-Tagespflege in Königswartha, zusammen mit dem Oberlandteam die Neukircher Einrichtung auf. Nun ging sie zurück zu ihrer angestammten Pflegeeinrichtung. Stephan Weise, inzwischen ebenfalls Pflegedienstleiter, übernahm die Leitung.

Die Tagespflege bietet zwölf Plätze. Alle sind belegt. Der jüngste Besucher ist Anfang 60, die älteste Besucherin 92 Jahre alt. Zwei Drittel der Tagesgäste sind Frauen, ein Drittel Männer. Die Senioren kommen nicht nur aus Neukirch, sondern auch aus Wehrsdorf, Sohland und Wilthen. Sie werden am Morgen entweder von Angehörigen gebracht oder mit dem Fahrdienst des DRK auf zwei Touren zu Hause abgeholt und am Nachmittag wieder nach Hause geschafft. Kern der Tagesstätte ist ein großer Raum mit langem Tisch, darauf Namensschilder, sodass jeder seinen Stammplatz hat, gediegenen Polstermöbeln in einer Ecke und einer Einbauküche am gegenüberliegenden Zimmerende. Fast wie in einem modernen Wohnzimmer. Das gehört zum Konzept. „Wir sind in der Tagespflege wie eine große Familie, in der jeder seinen Platz hat“, sagt Stephan Weise. Zwei Ruheräume, ein Pflegebad und eine Terrasse gehören mit zur Einrichtung. Je nach Pflegegrad kommen die Tagesgäste durchgehend von Montag bis Freitag oder auch nur an einzelnen Tagen in der Woche. Die Einrichtung möchte pflegende Angehörige entlasten, aber auch beitragen, die Lebensqualität von Senioren zu erhöhen. „Viele sind tagsüber allein zu Hause, einige leben auch generell allein in ihrem Haus oder ihrer Wohnung. Sie blühen regelrecht auf, wenn sie mit Angehörigen ihrer Generation zusammenkommen“, sagt der Pflegedienstleiter, dem mit der Pflegefachkraft Jana Kießlich sowie den Mitarbeitern für soziale Betreuung und Hauswirtschaft und dem Fahrdienst ein kleines Team zur Seite steht.

Wurzeln in der Region

Die Tagespflege gibt dem Tag eine Struktur – und älteren Menschen Nähe. Sie trägt bei, damit Senioren möglichst lange zu Hause und somit in ihrem gewohnten Umfeld bleiben können. Sie knüpft an der Lebenswirklichkeit älterer Menschen an, indem sie das anbietet, was viele ihr ganzes Leben lang gemacht haben. So weit es die Fähigkeiten noch zulassen, wird gemeinsam gekocht, gewerkelt, Handarbeiten gemacht. Backen kommt bei den Senioren immer gut an. Ebenso das gemeinsame Grillen. Hinzu kommen Bewegungsangebote – von Fingerübungen bis zur Gymnastik. In Bewegung zu bleiben, ist wichtig. Ein Anliegen der Pflege ist es, Fähigkeiten zu fördern und zu erhalten.

Es kommt mitunter vor, dass die Tagespflege Menschen zusammenführt, die sich von früher her kennen, dann aber, oft jahrzehntelang, aus den Augen verloren haben, berichtet Stephan Weise. Er, der 31-Jährige, hört interessiert zu, wenn sich „die Alten“ unterhalten; wenn sie erzählen, wie es früher einmal gewesen ist. Es interessiere ihn, wie es einst im Ort und der Region war, sagt er – und man spürt, da ist viel Empathie zu den Tagesgästen und Liebe zum Beruf. Stephan Weise kam schon frühzeitig mit dem Thema Pflege in Berührung. Seine Uroma wurde im Pflegeheim Kleinwelka betreut. „Wir haben sie oft besucht und gemeinsam schöne Momente erlebt“, sagt er. Diese Erfahrung und der Wunsch, etwas mit Menschen zu tun, beeinflussten seine Berufswahl. Er lernte Altenpfleger im DRK-Heim Königswartha mit 108 Plätzen, übernahm dort im Jahr 2014 die Leitung eines Wohnbereiches und qualifizierte sich zum Pflegedienstleiter. Die Stelle als Leiter der Tagespflege in Neukirch war ausgeschrieben. Er bewarb sich, weil für ihn und seine Frau damals schon feststand, dass sie in die Oberlandgemeinde ziehen werden.

Dort sind sie angekommen, ohne ihre Wurzeln aufzugeben. Beide spielen in ihrer Freizeit Volleyball in Großröhrsdorf, der einstigen Heimatstadt seiner Frau, und Speedbadminton in Bautzen. Ihr anderthalbjähriger Sohn besucht in Neukirch eine Kindertagesstätte. „Die des DRK ‚Zur kleinen Feuerwehr‘“, schiebt Stephan Weise gleich noch hinterher.