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Zurück zu neuem, alten Klang

Die Firma Jehmlich restauriert die Radeburger Orgel. Sie gibt Einblick in ihre 100-prozentige Handarbeit.

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© Arvid Müller

Von Uta Büttner

Radeburg. Einmal gut durchgepustet und in Form geschlagen: Ganz so einfach ist es nicht, damit die Radeburger Jehmlich-Orgel demnächst wieder ihren Klang erhält – wie einst 1881, als das Gotteshaus ihr musikalisches Herzstück bekam. Schmutz, Verschleiß durch die jahrzehntelange Nutzung und auch unsachgemäßes Stimmen haben dem Instrument extrem zugesetzt. Einige Pfeifen sind sehr stark deformiert oder sogar zerstört. „Das passiert unter anderem, wenn kein Stimmhorn“, das Stimmgerät, „zur Hand ist“, erklärt Ralf Jehmlich. Er ist Geschäftsführer der standesgemäß mit der Restaurierung beauftragten Firma Jehmlich Orgelbau Dresden GmbH.

Geschäftsführer Ralf Jehmlich (l.) und Mitarbeiter Michael Kronesser an einer Windlade der Radeburger Orgel
Geschäftsführer Ralf Jehmlich (l.) und Mitarbeiter Michael Kronesser an einer Windlade der Radeburger Orgel © Arvid Müller
Die Tasten der Manualklaviaturen sind stark abgenutzt. Fotos: Arvid Müller
Die Tasten der Manualklaviaturen sind stark abgenutzt. Fotos: Arvid Müller © Arvid Müller

Doch das ist bei Weitem nicht alles, was der Orgel widerfahren ist. 1917 mussten die 29 sichtbaren sogenannten Prospektpfeifen für die Kriegswirtschaft abgegeben werden. „Unter anderem wurde das Zinn zu Konservenbüchsen verarbeitet“, erzählt Ralf Jehmlich. 1921 erhielt das Instrument dann neue Prospektpfeifen – allerdings aus minderwertigerem Zink. Der typische tragende sogenannte Prinzipal-Klang war damit verloren. Deshalb beauftragte die Kirchgemeinde nun auch den Neubau der Prospektpfeifen in der originalen Zinnlegierung. Alte Unterlagen vom damaligen Bauvertrag zur chemischen Zusammensetzung der Legierung sind noch vorhanden, sagt Ralf Jehmlich.

Im Mai vergangenen Jahres bauten die Orgelbauer fast alle Pfeifen – bis auf ein paar wenige große aus Holz – für die Restaurierung in der Werkstatt aus. Jegliches Stimmen half schon lange nicht mehr viel. „Man muss sich einen Chor vorstellen, bei dem alle Sänger mit vorgehaltener Hand singen und den Mund nicht richtig öffnen. Und dann hat jeder noch einen schiefen Mund. Der eine in die eine Richtung und der andere in die andere“, beschreibt Ralf Jehmlich den Klang vor der Restaurierung. Trotzdem wurde bis zum Schluss gespielt. „Kantor Markus Mütze kannte natürlich die Problemtöne und hat gekonnt um sie herumgespielt“, sagt Ralf Jehmlich.

Doch nicht nur die Verschmutzung war ein Problem. Auch die aus Holz bestehenden Windladen – in denen die Windverteilung zu den Pfeifen erfolgt – waren von der langen Zeit gezeichnet. Unendlich viele Risse hatten sich gebildet. „Wir haben die Risse in den beiden Manualwindladen aufgesägt und dann wieder zugespänt. Auch alterungsbedingt sprödes und undichtes Leder musste erneuert werden. Denn die Windladen – das Herzstück einer Orgel – müssen absolut dicht sein, damit jede Pfeife eine bestimmte Windmenge und den richtigen Winddruck erhält“, erläutert Ralf Jehmlich, der den Familienbetrieb in sechster Generation führt.

Auch die beiden Klaviaturen des Spieltisches stehen in der Werkstatt. Mechanischer Abrieb und Schweiß unzähliger Finger haben in den mehr als 100 Jahren die mit Knochen belegten Tasten verfärbt und teilweise stark beschädigt. „An der Abnutzung kann man sehen, dass der Ton d1 am meisten gespielt wurde“, sagt Ralf Jehmlich.

Noch etwa einen Monat haben die Orgelbauer in der Werkstatt zu tun. „Dann könnten wir mit der Arbeit in der Kirche beginnen.“ Eigentlich sollte diese Ende Februar starten. Doch es gibt Bauverzögerungen bei der gleichzeitigen Innensanierung des Gotteshauses. „Erst wenn alle Bauarbeiten fertig sind, können wir mit unserer Arbeit in der Kirche beginnen, die noch mal etwa vier Monate in Anspruch nimmt.“ Nach der Reinigung und Überarbeitung der in der Kirche verbliebenen Orgelteile werden die Pedalwindladen, deren Schäden nicht so groß sind, restauriert. Danach bauen die Jehmlich-Mitarbeiter alle Teile der Orgel wieder ein. Auf einer Manualwindlade stehen etwa 500 Pfeifen. Beim Ausbau wurde alles genaustens dokumentiert, damit jede Pfeife wieder an den richtigen Platz kommt. Zum Schluss wird das Pfeifenwerk nachintoniert, um Klangfarbe und Lautstärke der Pfeifen an die individuelle Kirchenakustik anzupassen. Danach erfolgt das gesamte Stimmen der Orgel.

Für die Finanzierung der etwa 50 000 Euro teuren Orgelrestaurierung in 100-prozentiger Handarbeit initiierte die Kirchgemeinde eine Spendenaktion mit der Übernahme einer „Pfeifen-Patenschaft“. Bisher sind knapp 31 000 Euro zusammengekommen.

Doch ein wenig wird es noch dauern, bis Markus Mütze den rund 1 200 kleinen und großen Pfeifen von etwa acht Millimeter bis fünf Meter wieder die schönsten – und alle – Töne entlocken kann. Denn laut Kirchgemeinde werden die Bauarbeiten in der Kirche noch bis etwa Oktober dauern. Erst danach können die Orgelbauer ihr Werk im Gotteshaus vollenden.

Informationen zur Spendenaktion unter www.kirchgemeinde-radeburg.de/orgelsanierung