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Zurück am Arbeitsplatz bei Selectrona

Kai Ullrich hat eine Halsrippe mehr als üblich. Das hätte ihm beinahe seinen Arm gekostet.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Glashütte. Um seine Halsrippen hat sich Kai Ullrich aus Glashütte so wenig Gedanken gemacht wie alle andere Menschen auch. So wusste er auch gar nichts davon, dass er eine mehr hat als üblich – bis ihm dieser kleine Knochen vor zehn Jahren große Schwierigkeiten machte.

Bis dahin hat der gelernte Werkzeugmacher, der heute 47 Jahre alt ist, gut mit den zusätzlichen Rippen gelebt. Es sind ja keine großen Knochen wie die Rippen, die den Brustkorb bilden, sondern nur kleine Knochenfortsätze. Die meisten Menschen haben davon sechs, geschätzt jeder hundertste Mensch sieben. Zu ihnen gehört auch Kai Ullrich. Lange Jahre lebte er ohne Probleme damit, bis er vor zehn Jahren Schwierigkeiten im rechten Arm bekam.

Sein Arzt konnte sich anfangs auch keinen Reim darauf machen. Ullrich hatte schon einen Termin für die Untersuchung in der Röhre, dem Magnetresonanztomographen. Aber zu diesem Termin kam es gar nicht mehr. Im August 2008 erkrankte er akut. Der Arm wurde nicht mehr richtig durchblutet. Der Notarzt musste kommen. Ulrich kam erst nach Dresden ins Krankenhaus und wurde dann mit dem Hubschrauber nach Kassel ans dortige Diakonissenkrankenhaus verlegt. Genauere Erinnerungen hat er nicht daran. Denn die Ärzte haben ihn drei Tage in ein künstliches Koma versetzt, während sie darum kämpften, dass sein Arm erhalten bleibt. Anderthalb Jahre erlebte er dann eine Folge von Therapien und Reha-Maßnahmen, ehe er im Januar 2010 nach fast anderthalb Jahren wieder in seine Firma in Reinholdshain zurückkehrte.

Seit 1996 arbeitet er bei der Selectrona GmbH, die damals, als er anfing, noch Steffen Söhner GmbH hieß. Er war zuständig für den Wareneingang, kontrollierte, ob Lieferungen vollständig sind, die Papiere stimmen und brachte das Material an seinen Platz im Lager oder an die Maschine, wo es benötigt wurde. Hier war auch Handarbeit gefordert. Mit dem Hubwagen die Paletten hochpumpen und dann durch die Firma fahren. Das erforderte Kraft. Doch die hatte sein rechter Arm nicht mehr in dem erforderlichen Maße.

Anfang hatte er seine Wiedereingliederungsphase, in der er reduziert gearbeitet hat, erst vier Stunden am Tag, dann sechs Stunden, bis er wieder voll eingestiegen ist. Damit er die Arbeit aber auch mit dem eingeschränkten Arm bewältigen konnte, hat Selectrona seinen Arbeitsplatz umgestaltet. Der Handhubwagen wurde durch ein Elektrogerät ersetzt, das die Last auf Knopfdruck in die Höhe hievt.

Aber das war nur der erste Schritt. Ullrich war eine Zeit lang mit einem Schrittzähler unterwegs. Dabei haben er und die Firma festgestellt, dass er an einem normalen Arbeitstag acht bis zehn Kilometer zu Fuß zurücklegt, auch das eine Anstrengung und Belastung. Also kam ein zweiter Elektrohubwagen mit einer Plattform dazu. Da stellen sich die Mitarbeiter drauf und müssen die Last nur noch steuern, nicht mehr selbst ziehen: eine spürbare Erleichterung für Ullrich, dem die Ärzte nach seiner Erkrankung eine 50-prozentige Erwerbsminderung bescheinigt hatten. Mit den Anpassungen am Arbeitsplatz konnte er seine Aufgabe weiter ausfüllen.

Es gibt auch andere Arbeitsplätze im Unternehmen, die an besondere Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst wurden. Uwe Hohenstein, der Logistikchef, nennt als Beispiel einen höhenverstellbaren Schreibtisch. Dort kann ein Mitarbeiter auch einmal im Stehen arbeiten.

Mit seiner neuen Situation kam auf Kai Ullrich auch eine zusätzliche Aufgabe zu. Seit 2010 hat Selectrona einen Betriebsrat. Damit verbunden, sollen die betroffenen Mitarbeiter im Unternehmen auch einen Schwerbehindertenvertreter wählen. Gunar Fischer, der Betriebsratsvorsitzende, kam mit dem Anliegen auf Ullrich zu. Und der hat sich einverstanden erklärt. Nun vertritt er die Interessen der betroffenen Kollegen. Sieben Schwerbehinderte sind bei Selectrona beschäftigt, wie Christina Ludewig, die Assistentin der Geschäftsleitung informierte. Ullrich hilft seinen Kollegen beispielsweise bei Anträgen.

Die behindertengerechte Anpassung seines Arbeitsplatzes ist auch als Beispiel in eine Broschüre des Sächsischen Sozialministeriums aufgenommen worden mit dem Titel: „Arbeiten ohne Hindernisse. Sächsische Unternehmen zeigen gelungene Inklusion.“ Außerdem war es Anlass, dass das Ministerium und die TU Dresden eine Fachtagung zum Thema in Reinholdshain veranstalteten.