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Zur Geburtstagsfeier darf jeder auf die Bühne

In dem Radebeuler Ortsteil gibt es am Wochenende zum 650. Jubiläum ein Dorffest. Ganz ohne Karussell und Zuckerwatte. Aber mit viel Anwohner-Initiative.

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© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Radebeul. Die weißen Handschuhe liegen schon bereit. Jörg Tretner will sie anziehen, wenn er am Wochenende die Ersterwähnungsurkunde in die Hand nimmt. Und zum Dorffest in Altzitzschewig präsentiert – auf der Bühne, gemeinsam mit seinen Gästen.

Immerhin wird Zitzschewig ganz im Westen der Lößnitzstadt 650 Jahre alt. Auf den Tag genau am 12. Juni. Von sorbischen Siedlern einst – ähnlich schwer auszusprechen wie heute – Czuczkewitz genannt.

Da müssen wir was auf die Beine stellen, waren sich die Bewohner einig. Vor fünf Jahren hatte das schon mal gut geklappt. Beim Weinfest zum 800. Weinbaujubiläum in Sachsen. Mit der Weinbaugemeinschaft und Frank Sparbert als Hauptorganisator. Wir haben mitgezogen, sagt Tretner namens des Zitzschewig-Teams. Das hat sich diesmal an die Spitze gesetzt. „Wir machen das, um dem Dorf die Ehre zu erweisen. Weil wir uns freuen, hier zu wohnen.“ Eine kleine Fete gemeinsam mit den Winzern – so war es anfangs geplant. Dann ist das Ganze gewachsen, sagt Tretner und lächelt. Zwei schöne Tage für Gemeinschaft und Gäste sollen es nun werden. Ohne Händlerbuden, Karussell und Zuckerwatte. Doch deshalb muss niemand auf Essen und Trinken oder Unterhaltung verzichten. Dafür sorgen die Ideen und Initiativen der Zitzschewiger.

Elf Höfe sind geöffnet. Mit ganz verschiedenen Angeboten. Bei Steffen Schlitter beispielsweise ist eine historische Waschküche zu bewundern. Bei Jörg Tretner Bilder der amerikanischen Malerin Ila Emhoff-Gronwald, die heute mit ihrer Familie in Dresden lebt. Sie zeigt 20 Arbeiten, Acryl auf Leinwand, moderne Malerei. Bilder mit Symbolcharakter, Fantasiebilder, die auch verkauft werden.

Am Sonnabend und Sonntag startet das Fest um 10 Uhr. Dann öffnet der Weinausschank der Weinbaugemeinschaft und in den Höfen. Wer wissen will, was in den sechseinhalb Jahrhunderten in Zitzschewig so alles passiert ist, wann es gebrannt hat, welche Gemeindegesetze – Dorfrügen genannt – früher galten, der hat dazu gleich mehrfach Gelegenheit. Wenn die Historie des Ortes vorgestellt wird oder eine Reise in die Vergangenheit ansteht. Der Hof Altzitzschewig 17 zeigt Interessantes aus alten Familienchroniken.

Auch die Naundorfer wollen ihren Nachbarn einen Besuch abstatten. Tretner ist neugierig, was da passiert. Schließlich war das Verhältnis zwischen beiden Dörfern nicht immer unbeschwert. Früher gab es auf dem Tanzboden öfter mal „Kloppe“ , und die Männer spannten sich schon mal gegenseitig die Frauen aus.

Ebenfalls Stimmung und richtig gute Musik verspricht der Auftritt der Bigband des Gymnasiums Coswig. Auch die Gruppe Krambambuli ist mehr als ein Geheimtipp, und die Dorf-Disco-Zitzsch dürfte überraschen. Aber nicht nur die Auftrittsprofis dürfen auf die Bühne. Sondern jeder, der was kann. Ob er ein Instrument beherrscht oder Zauberkunststücke, jonglieren oder ein Gedicht vortragen kann.

Jörg Tretner ist Feuer und Flamme für das Fest, als Moderator und Organisator. Die Vorbereitungen laufen gut. Dank seiner Mitstreiter, wie er mehrfach betont. Und das Ordnungsamt hat mitgezogen, mit Genehmigungen für Straßensperrung und Lagerfeuer. Um ein Fest wie dieses kümmert sich Tretner zum ersten Mal. Dem Produktmanager – er arbeitet in einer Firma, die Geräte für Luftschadstoffmessungen herstellt – gehört seit 20 Jahren ein Haus in Altzitzschewig. Liebe auf den ersten Blick. Nicht zuletzt, weil er sich sofort gut mit seinen Nachbarn verstand. Auch mit Elke Schumann, der ersten Zitzschewigerin, mit der er damals gesprochen hat.

Das gute Gefühl ist geblieben. Ob sie alle auf dem Dorfplatz zum Advent gemeinsam Weihnachtslieder singen oder zur Dorfversammlung neue Ziele beraten. Oder wenn Tretner sieht, wie die inzwischen etwa 30 Kinder der Familien in Altzitzschewig auf dem Dorfplatz spielen.

Vieles davon können die Besucher des Dorf- und Weinfestes aus erster Hand erfahren. Nachdem sie möglichst stressfrei mit Straßen- oder S-Bahn angereist sind.