Merken

Zugedröhnt am Steuer

Die Polizei zog 2017 in Ostsachsen mehr als 1 000 Fahrer unter Alkohol und Drogen aus dem Verkehr. Die Dunkelziffer ist viel höher.

Teilen
Folgen
© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Im Rückspiegel sieht Jörg Scharschuch den alten VW Passat näherkommen, am Steuer ein Mann mit tätowierten Armen, Mitte 40 vielleicht. Sofort meldet sich Scharschuchs Bauchgefühl. Ein kurzes Nicken zur Kollegin auf dem Beifahrersitz, dann fährt der Polizeihauptmeister los. Einen Augenblick später fordert die Leuchtschrift auf dem Streifenwagen den Passat zum Anhalten auf. Der Fahrer stimmt einem Alkoholtest ohne Diskussion zu und pustet ins Röhrchen. Er hat ja nichts zu befürchten: 0,0 Promille zeigt der Alkomat an. Der Polizist wünscht gute Weiterfahrt.

So ist es ihm ja eigentlich auch lieber, sagt Jörg Scharschuch. In seinen 20 Dienstjahren im Bautzener Polizeirevier erlebt er es leider viel zu oft auch ganz anders: Er hat schon Fahrer aus dem Verkehr gezogen, die mit über zwei Promille noch gerade stehen konnten und Sturzbetrunkene, die nicht mal mehr aus dem Auto kamen. Er hat unzählige Fahrer unter Drogen erwischt. Der 40-Jährige hat ein gutes Auge für die Zugedröhnten hinterm Steuer. Alkohol- und Drogentests hat er auf seinen Streifenfahrten immer dabei. Und immer, wenn die aktuelle Auftragslage es zulässt und er gerade nicht zu einem Einsatz gerufen wird, hält er Ausschau nach Leuten, die in diesem Moment alkoholisiert oder unter Drogen unterwegs ein könnten. Scharschuchs Trefferquote ist hoch. Einen am Tag erwischt er immer.

Erschreckende Zahlen

Dass diese Kontrollen beileibe nicht zum Spaß sind, zeigt ein Blick auf die Zahlen aus der Görlitzer Polizeidirektion: So haben die Beamten bei Kontrollen in den Kreisen Bautzen und Görlitz allein im vergangenen Jahr 874 Fahrzeugführer unter Alkohol aus dem Verkehr gezogen und 305, die unter Drogen standen. In diesem Jahr waren es von Januar bis Mai schon 388 Alkohol- und 204 Drogenfahrer. „Das sind schon ziemlich erschreckende Zahlen, vor allem, wenn man bedenkt, dass wir ja nur sporadisch kontrollieren können“, sagt Jörg Scharschuch. Er will gar nicht dran denken, wie viele in diesem Moment gerade unbehelligt auf den Straßen unterwegs sind und nicht erwischt werden. Das Dunkelfeld auf diesem Gebiet dürfte ein Vielfaches betragen.

Auch in einer anderen Statistik zeigt sich die Dimension des Problems: Fast jeden Tag passiert auf den Straßen der Oberlausitz ein Unfall, bei dem der Verursacher unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht. Erst am Montagabend war ein 37-Jähriger unter Alkoholeinfluss mit seinem VW Caddy zwischen Weißenberg und Bautzen von der Autobahn abgekommen, am Dienstagmittag zogen Polizeibeamte einen Alfa-Romeo-Fahrer mit 1,14 Promille aus dem Verkehr. Am Donnerstag rammte ein betrunkener Fahranfänger in Bischofswerda zwei parkende Autos.

Alkohol- und Drogenkonsum gehört neben überhöhter Geschwindigkeit, Vorfahrtsfehlern und unzureichendem Sicherheitsabstand zu den Hauptunfallursachen in der Region. 2017 zählte die Polizei in den beiden Landkreisen 316 Unfälle, bei denen die Verursacher unter Alkohol oder Drogen standen. Drei Menschen kamen ums Leben, 60 wurden schwer, über 100 leicht verletzt. „Drogen und Alkohol am Steuer sind kein Kavaliersdelikt“, sagt der Bautzener Amtsrichter Dirk Hertle. „Wer sich so bewusst hinters Lenkrad setzt, ist kriminell und muss mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden.“ Einen jungen Mann, der unter Drogeneinfluss auf der Autobahn einen tödlichen Unfall verursachte, verurteilte er etwa zu dreieinhalb Jahren Gefängnis.

Kontrolltätigkeit verstärkt

Auch ohne Unfall wird es teuer: Wer von Jörg Scharschuch und seinen Kollegen bei einer Verkehrskontrolle unter Drogen oder mit einer Alkoholkonzentration zwischen 0,5 bis 1,09 Promille erwischt wird, bekommt zwei Punkte in Flensburg, muss 500 Euro Bußgeld bezahlen und einen Monat laufen. Wiederholungstäter werden mit zwei Punkten, 1 000 Euro Geldbuße und drei Monaten Fahrverbot bestraft. Bei mehr als 1,1 Promille müssen Autofahrer sogar mit einer Freiheitsstrafe rechnen.

Aber für manche ist das offenbar alles noch nicht abschreckend genug. Schon seit dem vergangenen Jahr hat die Polizei deshalb ihre Kontrolltätigkeit verstärkt. „Wir sind bemüht, das so häufig wie möglich zu tun“, bestätigt Direktionssprecher Thomas Knaup. „Die Betroffenen sollen merken, dass die Beamten auf der Straße sind.“

Jörg Scharschuch und seine Streifenkollegin haben einen jungen Mann in einem Seat angehalten: große Pupillen, Schweißperlen auf der Stirn, unruhig. Der Polizeihauptmeister holt das Gerät für den Drogenschnelltest. Treffer!