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Zu viel Land in Sicht

In den vergangenen Wochen hat es nur wenig geregnet. Welche Auswirkungen das auf Gewässer und ihre Bewohner hat.

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© Daniel Schäfer

Von Tobias Winzer, Christian Eissner und Anja Ehrhartsmann

Sächsische Schweiz. Nicht nur Boden und Pflanzen sind ausgedörrt, auch die Gewässer im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind von Hitze und Trockenheit gezeichnet. Grund ist der geringe Niederschlag der vergangenen Wochen. Laut Internetplattform Wetterkontor sind in Dippoldiswalde am Dienstag 8,5 Liter Regen pro Quadratmeter vom Himmel gefallen. Davor hatte es Ende Juni zum letzten Mal geregnet und das bei Höchstwerten von mehr als 30 Grad. In weiten Teilen Sachsens zeichnet sich bereits ein Niederschlagsdefizit ab. Wie die Lage im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist, zeigt die Übersicht der SZ.

Wie steht es angesichts der Wetterlage um die Gewässer im Kreis?

Die meisten Bäche und Seen haben laut Umweltamt im Landratsamt in Pirna einen sehr niedrigen Wasserstand. Einzelne, oft namenlose kleine Zuläufe sind sogar schon ausgetrocknet.

Drohen auch größere Flüsse auszutrocknen?

Der Niederschlag vergangene Woche hat zu einer leichten Erhöhung der Wasserstände an Flüssen wie Biela, Gottleuba, Müglitz, Seidewitz und Kirnitzsch geführt, so Karin Bernhardt vom sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG). Da diese Woche wieder trockenes Wetter vorausgesagt wird, werden die Wasserstände wieder absinken. Ein komplettes Austrocknen der Flüsse ist zurzeit aber nicht abzusehen.

Wie ist der Wasserstand an den Flüssen in der Sächsischen Schweiz?

Die Wasserführung der meisten Elbe-Zuflüsse in der Sächsischen Schweiz bewegte sich am Sonntag unterhalb des Mittelwertes des Jahresminimums. Der Wasserstand der Sebnitz am Pegel in Sebnitz betrug zum Beispiel 23 Zentimeter, die Biela in Bielatal führte 32 Zentimeter, die Seidewitz in Liebstadt 28, die Gottleuba am Pegel Pirna-Neundorf ellf Zentimeter Wasser. Einzig Wesenitz (34 Zentimeter in Elbersdorf) und Müglitz (89 Zentimeter in Mühlbach) lagen noch im grünen Bereich. Auch die Elbe führt weiter Niedrigwasser. Tschechiens Wasserwirtschaftsbetrieb half am Wochenende mit einer Welle, sodass Sonntagnachmittag am Pegel Schöna immerhin 91 Zentimeter gemessen wurden. Der Jahres-Mittelwert liegt hier bei 1,90 Metern.

Wo im Kreis ist die Situation bereits besonders bedenklich?

Ernst ist die Lage vor allem an kleinen Gewässern, die nur aus ihrem eigenen, sehr kleinen Einzugsgebiet gespeist werden. Ob ein Bach aber austrocknet oder nicht, hängt nicht nur vom Regen ab, sondern auch von natürlichen Gegebenheiten wie dem Speichervermögen des Bodens und der umliegenden Pflanzen und davon, wie viel Wasser verdunstet, erklärt Dr. Birgit Hertzog, Leiterin des Umweltamts im Landratsamt Pirna. Zudem spielt die wasserwirtschaftliche Nutzung durch den Menschen eine Rolle. Künstliche, tiefe Gräben trocknen wesentlich schneller aus als naturnahe, geschwungene Bachläufe.

Welche Auswirkungen hat der niedrige Wasserstand auf die Tiere im Wasser?

In der Regel ist es so, dass sich Fische in weitgehend naturnahen Flüssen und Bächen selbst bei Niedrigwasser noch wohlfühlen, da sich dort Flachwasser und Vertiefungen abwechseln, in die sich Fische und Insekten in Trockenzeiten zurückziehen können. Auch Fischtreppen sind in der Regel so bemessen, dass das Queren auch bei Niedrigwasser möglich ist.

Was müsste passieren, damit sich die Situation merklich entspannt?

Ein einzelnes Gewitter wäre laut Einschätzung des Umweltamts auf keinen Fall ausreichend. Wirkliche Entspannung würde lang anhaltender, mäßiger Landregen bringen. Um die Situation an Gewässern aber grundsätzlich zu verbessern, müsste wesentlich mehr für den Wasserrückhalt getan werden. Während Sachsen viel Geld für Hochwasserschutz-Bauten ausgibt, werden Projekte zur Verbesserung des natürlichen Wasserhaushalts in der Fläche vernachlässigt – obwohl sie wirksam helfen könnten, nicht nur Hoch-, sondern auch Niedrigwasser zu vermeiden. Es sei schwierig, sowohl im intensiv genutzten Acker- und Grünland als auch im Wald, Renaturierungsprojekte umzusetzen, weil Eigentümer oder Pächter dadurch wirtschaftliche Einbußen befürchten, bestätigt Birgit Hertzog.

Obwohl es lange nicht regnet, bleiben Wasserstände konstant. Wie geht das?

Wasser, das bei Regen auf den Boden fällt, fließt auf verschiedenen Wegen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in Flüsse und Bäche, erklärt Karin Bernhardt vom LfULG. Das, was aus der obersten Schicht des Bodens abfließt, ist bereits deutlich verzögert. Beim Niederschlagsanteil, der in tiefere Bodenschichten versickert ist, dauert es schon mehrere Tage. Ein Teil des Regens versickert bis in das Grundwasser und fließt nur sehr langsam dem Fließgewässer zu. So kann ein Fluss auch noch viele Wochen nach dem letzten Niederschlag Wasser führen. Nur Starkregen führt dazu, dass die Wasserführung im Fließgewässer schnell ansteigt. Ist der Regen abgezogen, fallen die Wasserstände rasch wieder.

Ab wann ist es untersagt, Wasser aus Flüssen zu entnehmen?

Anhand des Pegelmessnetzes des Freistaates Sachsen kann im Landratsamt Pirna bewertet werden, wie die Wasserverhältnisse im Kreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge sind. Bei Gewässern ohne Messpegel wird abgeschätzt. Gegenwärtig ist die Situation aus wasserwirtschaftlicher Sicht bedenklich, so Birgit Hertzog vom Umweltamt. Die Bevölkerung wurde deshalb aufgerufen, freiwillig auf Wasserentnahme aus Bächen und Flüssen zu verzichten. So sollen die Ökosysteme geschützt werden.

Halten sich die Leute auch an den Hinweis?

Der Landkreis hat bisher keine Allgemeinverfügung erlassen, durch die Wasserentnahmen unter Strafe verboten werden. Stattdessen wird auf die Vernunft jedes Einzelnen gesetzt. Die Nachfragen beim Landratsamt als zeigen, dass viele einsichtig sind. Jedoch wird vereinzelt auch festgestellt, dass trotzdem Pumpenanlagen zur Wasserentnahme aufgestellt werden.