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Eng, wenig Grün – aber Striesen

Mit der „Gartenstadt“ ist ein neues Viertel mit 29 Häusern entstanden. Trotz Kritik sind schon viele Wohnungen bezogen.

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© René Meinig

Von Sophie Arlet

Im Garten sägt ein Arbeiter die neue Küche zurecht. Auf der Straße vor dem Haus tuckert die Asphaltwalze. Und dahinter schiebt sich ein riesiger Möbelwagen durchs Wohngebiet. In der Gartenstadt Striesen geht es momentan hoch her. Das neue Viertel ist fast fertig. Während die letzten Arbeiten laufen, ziehen ununterbrochen neue Bewohner ein.

Zu ihnen gehören auch Kathrin Leuthold und ihr Mann. Sie haben soeben ihr Erdgeschossapartment mit kleinem Garten bezogen. Dort leben sie zur Miete, der Vermieter ist ihr Sohn. „Er wohnt nur zwei Häuser weiter und hat die Wohnung als Altersvorsorge gekauft“, sagt Kathrin Leuthold. 290 000 Euro hat die Dreizimmerwohnung gekostet. Auch die Eltern der Schwiegertochter sind schon in der Gartenstadt heimisch geworden.

Auf dem Areal zwischen Haenel-Clauss- und Geisingstraße sind 29 Mehrfamilienhäuser mit 200 Wohnungen entstanden. Die Arbeiten haben 2015 begonnen, seit einem Jahr ziehen die Eigentümer und Mieter ein. Parallel wird noch an den restlichen Häusern gebaut. Kathrin Leuthold und ihre Schwester Antje Runschke kennen das Areal noch aus ihrer Kindheit. Sie haben im Zehngeschosser auf der Müller-Berset-Straße gewohnt. Auf dem Weg zur damaligen 58. Polytechnischen Oberschule sind die Schwestern an dem Grundstück vorbeigekommen, auf dem damals Gärtnereien standen. Daran erinnert heute der Name „Gartenstadt Striesen“, die Häuser tragen Blumennamen. Im Viertel wird das allerdings oft belächelt, weil die „Gartenstadt“ nicht gerade durch übermäßig Grün auffällt. Kathrin Leuthold stört das nicht.

Ihr gehe es nur um eine Altersvorsorge, sagt die 52-Jährige. Jetzt hat sie noch einen Garten in Weinböhla. Wenn sie den mal nicht mehr bewirtschaften kann, genügt ihr der Vorgarten an der neuen Wohnung. „Ich pflanze hier natürlich keine Bohnen an, aber es reicht“, sagt Leuthold. Sie und ihr Mann hatten gezielt nach einer Wohnung im Erdgeschoss gesucht, auch wollten sie gerne in Striesen bleiben. Da kam das Angebot des Sohnes gerade recht. Nur an die ziemlich enge Bebauung muss sich die Striesenerin noch gewöhnen.

Die ist auch für Thomas Hirche ein Minuspunkt. Doch die Vorteile haben überwogen, und so haben sich der 31-Jährige und seine Frau 2016 zum Kauf einer Vierraumwohnung entschlossen.

Die 343 000 Euro werden sie die nächsten 20 Jahre über abbezahlen. „Wir hatten ursprünglich nach einer Mietwohnung gesucht“, so Hirche. Das Ehepaar hat ein paar Jahre lang in Magdeburg gelebt und wollte nun zurück nach Dresden. Als die beiden von den neuen Wohnungen erfahren haben, fiel der Entschluss, die Wohnung als Kapitalanlage zu kaufen. „Notfalls könnten wir immer noch vermieten“, sagt der Immobilienkaufmann. Für ihn war klar, dass seine kleine Tochter in Striesen aufwachsen soll. Die Schwiegereltern wohnen in der Nähe, und auch sonst habe der Stadtteil für Familien viel zu bieten.

Die Lage war dann auch der entscheidende Punkt. „Die gleiche Wohnung in Laubegast hätten wir nicht genommen“, sagt Hirche. Denn an die beengte Wohnsituation müsse man sich schon erst gewöhnen. „Ein Haus weniger pro Reihe wäre gut gewesen.“ Zwar haben die Planer die Mindestabstände zwischen den Gebäuden eingehalten. Trotzdem leben die Menschen hier dicht beieinander. „Man könnte sich beobachten“, sagt Hirche. Deshalb gibt es in seiner Wohnung Gardinen. Vom Balkon aus können sich die Nachbarn gegenseitig auf die Grillteller schauen. Passanten erhaschen momentan noch Blicke in die Erdgeschosswohnungen, bis die Hecken höher sind. „Das muss man mögen“, sagt Hirche. Zudem sei die Siedlung recht hellhörig. Wenn die Leute jetzt im Sommer lange draußen sitzen, versteht man jedes Wort. Es kam auch schon vor, dass ein Nachbar nach 20 Uhr noch den Rasenmäher angeworfen hat. „Das ließ sich aber alles entspannt klären.“

Insgesamt überwiegen die Vorteile. Grundriss und Bodenbeläge der neuen Wohnung konnten die Käufer selbst bestimmen. Und wenn Thomas Hirche auf dem Balkon sitzt, hat er das Gefühl, in einer Feriensiedlung zu sein. Das tägliche Urlaubsgefühl entspannt. Um die Nachbarn etwas besser kennenzulernen, will die junge Familie in ihrem Abschnitt der Gartenstadt demnächst ein kleines Sommerfest veranstalten. Auf diesem Weg wollen sie auch eine Art Nachbarschaftshilfe aufbauen. So könnten sich die Bewohner gegenseitig beim Werkeln an ihren neuen Bleiben unterstützen. Auch Kathrin Leuthold und ihr Mann können dann sicher ein paar Erfahrungen beisteuern.