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Zeugen der Festungsstadt Dresden

Schon vor 800 Jahren hat sich Dresden mit Mauern geschützt. Reste der Anlagen tauchen auch heute noch auf.

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© Marion Doering

Von Peter Hilbert

Im Dresdner Zentrum wird derzeit viel gebaut. So entstehen am Neumarkt, aber auch rings um den Postplatz neue Gebäude. Dabei stoßen die Bauleute immer wieder auf Spuren der Vergangenheit. Denn auch zu Zeiten der Gründung Dresdens vor 800 Jahren wurde viel gebaut. Die Stadt war im Mittelalter, aber auch in folgenden Jahrhunderten gut mit Mauern geschützt.

Im Keller des thailändischen Restaurants Singha am Dr.-Külz-Ring 17 sind Reste der Festungsmauer (l.) und der alten Stadtmauer zu sehen.
Im Keller des thailändischen Restaurants Singha am Dr.-Külz-Ring 17 sind Reste der Festungsmauer (l.) und der alten Stadtmauer zu sehen. © Marion Doering
Am Rathausplatz ist noch die Spitze der Bastion Jupiter erhalten.
Am Rathausplatz ist noch die Spitze der Bastion Jupiter erhalten. © Marion Doering
Die Position der historischen Dresdner Festunganlagen
Die Position der historischen Dresdner Festunganlagen

In der jüngsten Baugrube von Baywobau-CTR an der Wallstraße musste erst kürzlich ein Teil der alten Festungsmauer gesichert werden. Beim Neubau der sogenannten runden Ecke am Postplatz war dies 2017 nötig. Abteilungsleiter Thomas Westphalen vom Landesamt für Archäologie erfasst mit seinen Fachleuten die Reste der alten Stadtmauern und Festungsanlagen bei den Grabungen vor dem Baustart. Der 61-Jährige kennt diese Zeugnisse der Dresdner Baugeschichte deshalb genau.

Die alten Stadtmauern: Reste vom Frauentor im Untergrund erhalten

Besonders viel wurde zwischen Neumarkt und Schloss gegraben. „Das war die größte archäologische Untersuchung, die in der BRD durchgeführt wurde“, verweist er auf die Bedeutung. Wo die heutige Frauenstraße zum Neumarkt einmündet, war neben dem ersten Gewandhaus das Frauentor (siehe Grafik). Es war die wichtigste mittelalterliche Toranlage Dresdens. Entstanden war das Tor um 1200 mit den Stadtmauern.

Von März bis Oktober 2003 hatten Archäologen vor dem Bau der Neumarkt-Tiefgarage auf 6 000 Quadratmetern bei Grabungen das Areal untersucht und dokumentiert. Die mittelalterliche Stadtbefestigung bestand aus mehreren Anlagen, erläutert Westphalen. Innen stand die hochmittelalterliche Stadtmauer. Dahinter folgte ein freier Streifen, ein sogenannter Zwinger, auf dem Angreifer in Schach gehalten werden sollten. Danach schloss sich die äußere Zwingermauer an, vor der der Stadtgraben lag. Die Archäologen stießen auf die alten Stadtmauern und viele andere Zeugen der Vergangenheit. Genau bestimmen konnten sie das Alter auch, weil sie vor dem Bau des Palais City One des Bauträgers USD einen alten Holzkeller entdeckten. Mit dendrochronologischen Untersuchungen, einer wissenschaftlichen Altersbestimmung, konnte das genau Fälldatum der Hölzer ermittelt werden. „Das lag um 1200, sowohl etwas früher als auch etwas später“, erläutert der Fachmann. Im Jahr 1170 hatte der Stadtbau hier begonnen.

„Bei den Grabungen waren wir auf vieleFehlbrände von Töpfern gestoßen“, sagt Westphalen. Dabei habe es sich um Ofenladungen von Töpfen, Tellern, Tonfiguren und weiteren Stücken gehandelt. Entdeckt wurden bei den Grabungen auf der Fläche vor dem Tor auch Gebeine von über 1 000 Menschen, die auf dem mittelalterlichen Friedhof lagen. Vor dem Tiefgaragenbau habe er darauf gedrängt, dass zumindest Reste einer spätmittelalterlichen Steinbrücke am Frauentor erhalten bleiben. Sie sind jetzt in der Tiefgarage zu sehen.

Die Renaissance-Wälle: Schusswaffen machten Festung mit Bastionen nötig

„Im 15. Jahrhundert kamen Schusswaffen auf“, nennt er einen Einschnitt. Um 1520 wurde die alte Stadtbefestigung überflüssig und später geschleift. „Unter dem Wettiner-Herzog Moritz, nach 1547 Kurfürst von Sachsen, wurde Dresden zu einer europäischen Metropole“, erklärt Westphalen. So begann 1545 der Bau der Festung um die mittlerweile deutlich größere Stadt. Abgeschlossen wurde der erst Ende des 16. Jahrhunderts mit der Erweiterung der Bastionen (siehe Grafik). „Mit einer Länge von rund 3,7 Kilometern ist dies das größte erhaltene Bauwerk des historischen Dresdens. Auch wenn man es teilweise nicht mehr sieht“ sagt er. Die Festungsmauern seien 13 bis 14 Meter hoch und die Anlage bis zu 100 Meter breit gewesen. Große militärische Bewährungsproben mussten sie jedoch selbst im Siebenjährigen Krieg nicht bestehen. Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, habe dies mit seinen Veduten eindrucksvoll festgehalten.

Zwischen 1809 und 1830 wurden die Anlagen bis auf die Brühlsche Terrasse und Bereiche am Zwinger weitgehend beseitigt und die Freiflächen überbaut. In der Tiefe wurde die Festung aber nur so weit abgebrochen, wie es für Neubauten nötig war. Der Festungsring ist unter den früheren Kellern der 1945 zerstörten Gebäude erhalten. Mauern wurden sichtbar, als das Bürohaus am Dr.-Külz-Ring 17 mit der Sparkasse gebaut wurde. Im Keller des thailändischen Restaurants Singha sind dort sowohl Teile der Festungsmauer als auch Reste eines spätmittelalterlichen Turms der Zwingermauer zu sehen (siehe Grafik). Unweit entfernt ist am Rathaus noch die Spitze der Bastion Jupiter an der Oberfläche erhalten.

Die Sicherung: Alte Mauer wird mit Stahlbetonhülle für Nachwelt erhalten

„Da mittlerweile sämtliche Flächen innerhalb des Dresdner Stadtkerns bebaut sind, werden Neubauten jetzt auch auf dem ehemaligen Festungsgürtel errichtet“, verweist Westphalen auf die Entwicklung an der Wallstraße. Die Mauern wurden in die Tiefgaragen integriert, um sie für künftige Generationen als „Trittsteine in die Vergangenheit“ zu erhalten. Beim jüngsten Baywobau-CTR-Neubau wurde die alte Mauer im zweiten Untergeschoss der Tiefgarage mit Stahlbetonwänden umhüllt.