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Zehnkampf im Achteck

Männer mixen bei MMA diverse Künste und steigen am Sonnabend in Dresden zum vierten Mal in den Käfig.

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© Robert Michael

Von Maik Schwert

Die Ausrichter von We love MMA haben seit gut einer Woche wieder mehr gegen negative Klischees über Mixed Martial Arts zu kämpfen als davor. Erst strahlte die ARD den Dortmunder Tatort aus. Am 7. Oktober ging es in „Tod und Spiele“ um einen dubiosen Schläger-Klub. Dann war am Sonnabend in Ostritz eine rechte Veranstaltung als MMA-Event angemeldet und genehmigt worden. Das bereitet Sportlern und Trainern der gemischten Kampfkünste, bei denen es zu Vollkontakten kommt, Kopfzerbrechen. Sie wehren sich seit Jahren gegen Vorurteile.

Marcel Quietzsch bereitet sich derzeit auf den vierten We-love-MMA-Kampfabend am Samstag in der Dresdner Messehalle 1 vor. „Wir betreiben kein brutales Gemetzel“, betont er. Der Freitaler trainiert bei Uwe Korn im MMA-Team Dresden und gehört zum Trio des Vereins Takedown, das am Sonnabend seine Kräfte im sportlichen Rahmen misst. Quietzsch vergleicht seinen Sport mit dem Zehnkampf in der Leichtathletik. „Jeder Kämpfer hat seine Schokoladen-Disziplinen. Andere Techniken beherrscht er eventuell nicht so perfekt wie sein Gegner“, erklärt der 32-Jährige.

Er kam vom Boxen über das Kickboxen zum MMA. „Ich probiere, lange auf den Beinen zu bleiben und im Stehen zu kämpfen – besonders dann, wenn mein Konkurrent seine Stärken am Boden hat.“ Das gilt beispielsweise für ehemalige Judoka wie Korn oder Ringer. Der Trainer erinnert an die Ursprünge von MMA. Einst hieß die Frage: Boxer oder Ringer – wer ist der beste Kämpfer? Sie lässt sich laut Korn nicht so einfach beantworten. „Es gibt nicht die beste Kampfkunst, sondern nur den, der sie am besten mischt“, meint der Trainer. Er vergleicht seinen Sport mit Schach. „Die eigenen Fähigkeiten sind die Figuren“, sagt Korn. „Die Kämpfer müssen sie so anwenden, dass sie ihren Gegner mattsetzen.“

Die Sportler dürfen auch am Boden schlagen und treten. Daher gilt MMA als gefährlich und hat einen zweifelhaften Ruf. „Die Nase kann schon kaputtgehen“, gibt Quietzsch zu. „Auch eine Zehe war mal gebrochen, doch beim Boxen geschehen schlimmere Dinge als bei uns.“ Auch Korn behauptet, dass es nicht darum geht, „den anderen bloß umzuhauen. Dafür haben wir zu viel Respekt vor dem Gegner.“ MMA sei eine faire Sportart, bei der zwei Menschen nur mit Händen und Füßen gegeneinander kämpfen.

Das beste Argument, dass das Bild von der unzähmbaren Kampfmaschine nicht stimmt, ist Korn selbst. Er entpuppt sich als Feingeist, der Bücher des Ökonomen Jeremy Rifkin aus den USA liest. Wenn der jetzt 48-Jährige von seiner Karriere als Kämpfer und Trainer berichtet, strahlt er jungenhaft: „MMA trainiert den Körper wie kaum ein anderer Sport.“ Das treibt auch Quietzsch an, und der Mix aus diversen Künsten macht für beide die Faszination aus. „Es geht darum, an seine physischen Grenzen zu kommen und seinen inneren Schweinehund zu überwinden“, sagt Quietzsch. „Dadurch gewinnen wir eine Selbstdisziplin, die sich auf das ganze Leben überträgt.“ Er arbeitet als Kraftfahrzeugmeister bei einem Autohaus.

Auch die anderen Kämpfer, die der selbstständige Bauunternehmer Korn trainiert, beweisen, dass an den negativen Klischees nichts dran ist. Es sind Ärzte, Handwerker, Kindergärtner, Pharmavertreter oder Studenten und keine Leibwächter oder Türsteher vor Nachtklubs. „Sie stammen aus vielen sozialen Schichten“, sagt Korn – und den Altersgruppen von 18 bis 50 Jahre. „Wir sind wie eine große Familie.“ Als Trainer trägt er die Verantwortung – in erster Linie dafür, dass sie ihr Können nicht privat oder auf der Straße anwenden und Streit anzetteln. Poser, Quertreiber und Schläger gehören nicht dazu.

Wer auffällt, den schließt Korn aus. Außerdem gibt es das Achteck sowie viele Regeln und Verbote. „Der Käfig dient unserem Schutz und unserer Sicherheit“, sagt Quietzsch. Dadurch können die Kämpfer nicht herausfallen – anders als Boxer im Ring. Außerdem ermöglicht das Oktagon, sich beispielsweise am Boden aus einem Griff zu befreien, indem man am Rand entlangläuft. Die Mindestmaße des Achtecks: sechs Meter im Durchmesser, 1,8 Meter hoch und der Belag drei Zentimeter dick. Amateure wie Quietzsch schützen die gefährlichen Stellen mit Polstern.

Die Liste der Tabus ist lang. Sie beinhaltet gut 30 Handlungen, beispielsweise abwärts gerichtete Schläge mit der Spitze des Ellenbogens, anspucken, beißen, Fersentritte in die Nieren, Griffe oder Hebel an den kleinen Gelenken, Haare ziehen, kneifen, Kopfstöße, kratzen, Schläge zum Hals, Stiche mit den Fingern in Augen, Mund, Nase, Ohren, Tiefschläge, Treffer am Hinterkopf oder an der Wirbelsäule und würgen. All das senkt die Verletzungsgefahr. „Natürlich bleibt ein Risiko – so wie in allen anderen Sportarten auch“, sagt Korn. Dafür gibt es beim MMA die Kampfrichter und Ringärzte. Sie greifen im Ernstfall ein.