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Zankapfel Schloss Liberec

Die Stadt Liberec könnte den historischen Bau kaufen, aber noch ist man sich uneins.

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© Jan Skvara

Von Steffen Neumann

Tschechien. Zwei Rosenstöcke ranken am Eingang zum Schloss Liberec (Reichenberg). Doch hier will kein Dornröschen wach geküsst werden. Es ist das Schloss selbst. „Es steht im Stadtzentrum, ist ein architektonisch und stadtgeschichtlich wertvolles Objekt und es verfällt immer mehr“, nennt Jiri Bartolomej Sturz Gründe, sich um das Schloss zu kümmern. Der Sänger am hiesigen F.X.-Salda-Theater und Kunsthistoriker wirbt für den Erhalt des Schlosses, doch das mit dem Wachküssen ist nicht so einfach, seit der dreiflügelige Bau der Firma Ústí Development gehört.

Wertvollster Teil ist die Renaissancekapelle mit lutherischen Elementen im manieristischen Stil Kaiser Rudolfs II.
Wertvollster Teil ist die Renaissancekapelle mit lutherischen Elementen im manieristischen Stil Kaiser Rudolfs II. © Jan Skvara
Der neuere Teil des Schlosses diente einst als Showroom des Glashändlers Skloexport. Die Sammlung wurde von den jetzigen Besitzern verkauft.
Der neuere Teil des Schlosses diente einst als Showroom des Glashändlers Skloexport. Die Sammlung wurde von den jetzigen Besitzern verkauft. © Jan Skvara

Lange Jahre waren die Türen zum Schloss komplett verschlossen. Dass er nun die Räume zeigen darf, hängt mit dem steigenden Interesse der Eigentümer zusammen, das Schloss loszuwerden, sagt Sturz. Am 8. und 9. September öffnet es sogar im Rahmen des Tags des offenen Denkmals seine Türen. Von Ústí Development gibt es keine offizielle Stellungnahme, aber in Immobiliendatenbanken steht das Schloss schon länger zum Verkauf. Kostenpunkt: 105 Millionen Kronen, umgerechnet etwas mehr als 4 Millionen Euro.

Das Interesse hielt sich lange in Grenzen, bis die Stadt Liberec begann über den Kauf nachzudenken. Als erstes schlug Wirtschaftsbürgermeister Jan Korytar vor, das Schloss zu übernehmen. Inzwischen ist das Unternehmen Schlosskauf ein veritables Thema vor den im Oktober anstehenden Kommunalwahlen geworden. Inzwischen plädieren auch Oberbürgermeister Tibor Batthyány und sein Stellvertreter Ivan Langr für einen Kauf. Alle drei sind in den Kommunalwahlen Konkurrenten. Abgesehen davon, dass das Geld auch anderweitig gebraucht wird, stellt sich vor allem die Frage der Nutzung.

Pläne hatte auch der jetzige Eigentümer. Das Schloss sollte Hotel werden. Aber passiert ist nichts. „Im Prinzip sieht das Gebäude immer noch so aus, wie beim Kauf“, schätzt Sturz ein. Über die Eigentümer ist gerade einmal so viel bekannt, dass sie aus den Niederlanden stammen und das Schloss vor über zehn Jahren für 60 Millionen Kronen aus der Konkursmasse des Glashändlers Skloexport erwarben. Seitdem geriet der Bau in Vergessenheit. „Dabei ist das Schloss eng mit dem Aufstieg der Stadt von einem unbedeutenden Dorf zu einer der wichtigsten Industriestädte im damaligen Österreich verbunden“, weiß Kunsthistoriker Jiri Bartolomej Sturz.

Lange stand der Ort im Schatten des viel berühmteren Frydlant (Friedland) mit seinem Schloss. „Erst als die Familie von Rödern die Friedländer Herrschaft übernahm, ging es mit Liberec bergauf“, erzählt Sturz. Das Adelsgeschlecht baute Liberec zu einem wichtigen Sitz auf und brauchte dafür einen repräsentativen Bau.

Nach der Kirche Antonius des Großen ist das Schloss der zweitälteste Steinbau der Stadt. Doch während die Kirche neugotisch umgebaut wurde, ist mit der Kapelle der älteste und wertvollste Teil des Schlosses immer noch erhalten. „Der Bau begann 1885. Die Kapelle überstand einen Brand, vor allem aber die spätere Rekatholisierung“, führt Sturz in die nordwestliche Ecke des Schlosses. „Die Kapelle ist ein herausragendes Beispiel für die sächsische Renaissance mit starken Elementen des Manierismus“, stellt Sturz die Einzigartigkeit der Kapelle heraus. Sie besteht vor allem aus dem prächtigen Altar, dem Oratorium und der Kanzel sowie einer Kassettendecke.

Da die Schlossherren von Rödern lutherisch waren, wurde ihnen nach der Niederlage der Protestanten in Böhmen zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges sämtlicher Besitz konfisziert und sie mussten das Land verlassen. Die wirtschaftlich prosperierende Herrschaft sicherte sich kein geringerer als Albert von Waldstein, der durch Schiller berühmte Feldherr Wallenstein.

Nun steht womöglich wieder ein Eigentümerwechsel an. Geht es nach Sturz, der sich selbst als überzeugter Heimatforscher bezeichnet, sollte die Stadt nichts übereilen. „Erst wollten die Eigentümer das Schloss für 120 Millionen Kronen verkaufen, zwischenzeitlich war der Preis auch schon mal bei 90 Millionen. Ich denke, die Stadt kann sich leisten, etwas zu warten, um den Preis noch zu senken“, so seine Vorstellung. Vor den Wahlen passiert ohnehin nichts mehr. Dass die Stadt das Schloss kaufen soll, davon ist aber auch Sturz überzeugt. Dem Bau würde es nur gut tun. Er hat unter der fehlenden Nutzung gelitten. „Da wurde nur das Nötigste getan.“ Am Schlossturm, der am 8. und 9. September ebenfalls bestiegen werden kann, regnet es herein. Und keiner weiß, in welchem Zustand sich das Schloss wirklich befindet. „Da können noch einige Überraschungen zutage treten“, mutmaßt Sturz.

Für die Nutzung mangelt es nicht an Ideen. Wirtschaftsbürgermeister Korytar schlägt eine Ausstellung über die deutsche Geschichte und Kultur vor, die Liberec geprägt hat. OB Batthyány will in das Schloss Teile der Stadtverwaltung verlegen. Für Jiri Bartolomej Sturz ist vor allem wichtig, dass das Schloss endlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. „Außerdem fehlt der Stadt eine Ausstellung zur Heimatgeschichte“, nennt er eine weitere Nutzungsmöglichkeit. Diese könnte in den alten Rödern-Flügel einziehen, in dem sich auch die Kapelle befindet. Wenn sich der Rauch des Wahlkampfes verzogen hat, wird das Schloss vielleicht tatsächlich wachgeküsst.