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Wurzelbehandlung

Manfred Ernst betreibt ein seltenes und sehr aufwendiges Hobby. Aber es lohnt sich, sagt der Neustädter Holzkünstler.

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© Daniel Schäfer

Von Nancy Riegel

Neustadt. Sie nennen sich „Monster“, „Fantasie“ oder auch „Amsel-Reigen“. Sie sind aus Holz, aber so ganz anders, als man das Naturmaterial kennt – glatt, glänzend und filigran. Gemeint sind die Holzskulpturen, die der Neustädter Manfred Ernst als Hobby anfertigt. Als Kunst könne man die surrealen Stücke kaum bezeichnen, findet der 87-Jährige. „Eher als Fleißarbeit.“ Andere erkennen in den hölzernen Gebilden aber durchaus den kreativen und detailverliebten Anspruch, den Manfred Ernst in sein Hobby hat. Deshalb wird er seine Arbeiten auch an diesem Wochenende bei der Hobbykünstler-Ausstellung in der Kulturscheune präsentieren.

Den Anfang nahm seine Wurzelkunst mit einer Kur. „Mir war langweilig, ich war im Wald spazieren und entdeckte einen morschen Wurzelstock.“ In dessen Kern befindet sich das sogenannte Kienholz. Es entsteht, wenn die Baumrinde verletzt wird und die Pflanze vermehrt Harz produziert. Dieses lagert sich im Stamm und der Wurzel ab und verfestigt sich. Genau dieses Kernholz braucht Manfred Ernst für seine Skulpturen. Je morscher der tote Baum, desto besser. Mit Stechbeitel, Messer und Raspel arbeitet er sich Zentimeter für Zentimeter an das schön gemaserte Kienholz vor. Dann wird noch geschliffen, so lange, bis so gut wie alles morsche Holz verschwunden ist. Fehlt noch ein dünner Film aus Lack, um alles zu konservieren.

Was am Ende vom Wurzelstock übrig bleibt? „Das weiß ich vorher nie. Ich gestalte die Figuren so, wie sie die Natur im Kern übrig lässt.“ Fakt ist, von der eigentlichen Wurzel selbst bleibt am Ende nur noch ein kleiner Teil übrig – mal zwanzig, mal fünf Prozent des ursprünglichen Gewichts. „Zum Schluss muss ich mir dann einen Namen für die Figur ausdenken. Da muss ich dann wirklich kreativ werden!“ Er zeigt seine letzten Werke, das „Monster“ und den „Galan“ – eine hohe, schmale Figur, die mit breiter Brust an einen selbstverliebten Kavalier erinnert.

Die Wurzelstöcke für solche Interpretationen findet der fitte 87-Jährige auf seinen Spaziergängen in den Wäldern von Neustadt. Kiefer, Tanne, Lärche und Kirsche eignen sich am besten für die Wurzelkunst. Nicht alle Fundstücke werden am Ende zu Manfred Ernsts Hobby, das sieht er aber erst, wenn er die Rinde entfernt hat. Hat sich Kienholz entwickelt, dauert es lange, bis die fertige Figur steht – sehr lange. Bis zu 120 Stunden. Der Neustädter verkauft deshalb seine Werke nicht. „Dann würden sie ja in meiner Ausstellung fehlen.“ Und eben das Ausstellen sei es, was ihm so viel Freude bereite. „Ich komme mit den Besuchern ins Gespräch, kann ihnen die Arbeitsschritte erklären und erfahre dadurch auch von ihren Hobbys.“ Seine Wurzelarbeiten hatte er im Frühling bereits in der Partnergemeinde Kehlen in Luxemburg ausgestellt, nun folgt die Hobbyausstellung zum Wald- und Jagdtag am Sonnabend in Langburkersdorf. Neben allen Stücken, die er jemals hergestellt hat, zeigt er auf Schautafeln die jeweiligen Arbeitsschritte. Und Fotos, die zeigen, wie die Skulpturen vor der Bearbeitung ausgesehen haben – wild, morsch, dreckig, wie tote Baumwurzeln eben so sind. Was aus ihnen schlussendlich geworden ist, ist reiner Zufall.