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Wolfsradar im Praxistest

Reagieren Wölfe auf Feueralarm? Schüler testen das in Ralbitz-Rosenthal jetzt in der freien Natur.

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© Lino Mirgeler/dpa

Ob Nachwuchsforscher oder Schafhirte, Schiller-Schüler können beides. Julia, Lukas und Johannes stapfen durch das Gras und treiben eine kleine Herde zusammen. Die Tiere blöken aufgeregt – ganz so, als ob sie wüssten, dass sie Teil eines Experiments sind. Wir sind auf einer Weide in der Gemeinde Ralbitz-Rosenthal, nahe Kamenz. Die Schüler der Friedrich-Schiller-Oberschule Neustadt wollen hier das von ihnen entwickelte Wolfsradar ausprobieren.

Denn hier gibt es quasi Wolfsgarantie. „Wir sehen die Tiere ständig um die Herden schleichen, vor allem hier am Waldrand“, sagt Schäfer Martin Just, dem die aufgeregten Schafe im Gatter gehören. Die Wölfe gehören zum Rosenthaler Rudel und haben zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda bisher mehr als 250 Nutztiere gerissen.

So gefräßig sind die Wölfe in der Sächsischen Schweiz, wo die drei Jugendlichen herkommen, nicht. Mittlerweile sind sie fertig mit dem Herdentrieb und gesellen sich zu dem Schäfer am Waldrand. Dort werkelt schon Ullrich Hering, der Ingenieur aus Stolpen, der zusammen mit den Schülern das Wolfsradar entwickelt hat. Es fing als Beitrag für „Jugend forscht“ an. 

Mithilfe von Radarsensorik und einer Alarmanlage sollen Wölfe, die sich einer Herde nähern, abgeschreckt werden. Treten sie in den Wirkungsbereich des Sensors, ertönt eine Stimme. Da Wölfe lieber Abstand zu Menschen halten, suchen sie das Weite, so die Theorie. Für ihre Erfindung bekamen die Neustädter einen Sonderpreis. Mittlerweile ist es zum Herzensprojekt der Jugendlichen geworden und für Hering ein potenzielles neues Produkt.

Die Schäfer Gerhard Schmidt und Martin Just aus der Westlausitz haben schon mehrere Schafe an das Rosenthaler Wolfsrudel verloren. Interessiert beobachten sie, wie die Schüler Lukas Lösel, Johannes Löscher und Julia Giebe zusammen mit dem Stolpener Ingeni
Die Schäfer Gerhard Schmidt und Martin Just aus der Westlausitz haben schon mehrere Schafe an das Rosenthaler Wolfsrudel verloren. Interessiert beobachten sie, wie die Schüler Lukas Lösel, Johannes Löscher und Julia Giebe zusammen mit dem Stolpener Ingeni © René Plaul

Der Wolf spaltet nicht nur die Gemüter, sondern tötet auch Nutztiere, und er ist schlau. „Egal, wie hoch man die Zäune zieht: Sie springen drüber. Oder sie graben sich drunter durch. Auch Lichtschranken, die einen Alarm auslösen, tricksen sie aus“, zählt Martin Just auf. Der Züchter hat schon wieder mehrere Risse zu beklagen, an die 100 sind es insgesamt bisher. Fünf Herden hat er auf der Wiese stehen. Er weiß, dass er diese nicht ab sofort mit dem Wolfsradar beschützen kann – dafür ist die Technik nicht ausgereift genug –, aber zumindest ausprobieren könne man es ja.

Johannes ist mittlerweile auf die Knie gegangen und montiert die einzelnen Teile des Radars zusammen. Da sind ein Kasten von der Größe einer Schreibmaschine, zwei viereckige Sensoren, ein knallroter Lautsprecher und zig Kabel miteinander zu verbinden. Martin Just schaut interessiert über die Schulter des Schülers. „Das Radar reagiert also nicht auf Wärme, sondern auf Volumen?“ „Richtig“, antwortet Julia und fügt hinzu, dass es bei einem Fuchs nicht auslöse, bei einem Wolf, einem großen Hund oder einem Menschen schon.

Das Einstellen der Technik dauert seine Zeit. Dann endlich kann das Radar scharf geschaltet werden. „Lukas, mach uns den Wolf!“ Lukas geht auf alle viere und passiert die unsichtbare Schranke. „This is a fire alarm test. No action required.“ Huch, das Wolfsradar ist eine englischsprachige Dame!

Weiterentwicklung gewünscht

Im Idealfall ist der Wolf multilingual und verzieht sich zurück in den Wald. Die menschliche Sprache sei die effektivste Abschreckung gegen Wölfe. Schlägt der Sensor an, ertönt nicht nur die Stimme der Dame, auch sendet das Gerät eine SMS an Ullrich Hering. So kann dieser nachvollziehen, wann und wie oft das Radar angeschlagen hat. Schäfer Martin Just geht noch einen Schritt weiter und bringt eine Kamera an – um zu sehen, ob tatsächlich ein Wolf den Alarm auslöst oder ein Spaziergänger. Mit der Überwachung soll die Technik auch vor Dieben geschützt werden.

Im Prinzip ist das Neustädter Wolfsradar nun einsatzbereit. Doch schon am Tag eins der Scharfschaltung taucht das erste Problem auf: Der Akku hat sich komplett entladen, ein neuer muss her. Für den wiederum hat der Schäfer keine Ladestation. „Ja, so ist das mit einem Probebetrieb, da geht schon mal was schief“, sagt Ullrich Hering. Ende der Woche will er das Problem beheben und dann kann das Radar endlich seine Arbeit vollrichten.

Nicht nur wegen des Akkus ist das Radar noch längst nicht serienreif. „Es müsste so klein sein, dass man es an jeder Ecke eines Gatters anbringen und individuell einstellen kann“, überlegt Schäfer Just. Denn die Tiere stehen nicht immer auf fest eingezäunten Weiden, sondern werden umgesetzt, ebenso wie die Umfriedung. Hering stellt in Aussicht, dass man durchaus ein Wolfsradar in Taschengröße entwickeln könnte. Doch erst einmal müssen die Schüler und der Ingenieur herausfinden, ob Wölfe sich tatsächlich vom Feueralarm abschrecken lassen – oder nicht.