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Wolf bedient sich im Wildgehege

Ein junger Landwirt in Cunewalde büßt sieben Tiere ein. Nicht zum ersten Mal. Nun hat er eine klare Forderung.

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© Uwe Soeder

Von Katja Schäfer

Cundewalde. Der Regen hat das Blut weggespült. Der Anblick des toten Damwilds ist trotzdem noch schlimm genug. Bei zwei Tieren sind die Bäuche aufgerissen. Eingeweide hängen heraus. Bei einem dritten fehlen Teile der Hinterkeulen. Die anderen scheinen auf den ersten Blick unverletzt. Doch alle sieben Tiere, die auf der nassen Wiese in Cunewalde liegen, haben am Hals kleine Löcher. Diese Kehlbisse machen Patrick Harig sicher: „Das war eindeutig der Wolf.“

So viel Beute wie möglich

Der junge Mann betreibt das weitläufige Damwildgehege, das oberhalb des Weigsdorfer Teiches liegt. Reichlich 70 Tiere leben darin. Jeden Morgen vor der Arbeit sieht der 26-Jährige, der ganz in der Nähe wohnt, nach dem Rechten. So auch am Freitag. Dabei macht er die traurige Entdeckung. Sieben Tiere sind tot. Eine Damkuh, ein einjähriges Tier und fünf Kälber. „Sie lagen über das ganze Gelände verstreut“, berichtet Patrick Harig. Außerdem stellt er fest, dass ein weiteres Kalb verletzt ist, aber noch in der Herde mitläuft. Er wird es heraus nehmen müssen.

Harig trägt die Kadaver auf einer Stelle zusammen, ruft im Landratsamt an. Der Riss-Gutacher kommt am Nachmittag. Ihm genügt ein eingehender Blick auf das tote Damwild. „Da gibt’s nichts zu diskutieren. Das war der Wolf“, konstatiert Hagen Rothmann. Der Fachmann erkennt das daran, dass alle Tiere einen Kehlbiss haben. Ein weiteres Indiz sind für ihn die aufgerissenen Bäuche, in denen sich noch die Eingeweide befinden. „Die frisst der Wolf nicht“, erklärt Hagen Rothmann. Dafür fehlen die Bauchlappen und Teile der Rippen. „Die Knochen frisst der Wolf mit, die braucht er für seine Verdauung“, äußert der Mann von der Naturschutzbehörde. Ob es ein Wolf war oder mehrere Exemplare in das Wildgatter eingedrungen sind, kann er nicht sagen. Dafür, dass viel mehr Tiere getötet als letztendlich gefressen wurden, hat er eine einfache Erklärung: „Der Wolf ist darauf programmiert, so viel Beute wie möglich zu machen, weil er nicht weiß, wann er wieder was kriegt.“

Hagen Rothmann macht mit dem Smartphone ein paar Fotos vom toten Damwild. Dann holt er aus seinem Alukoffer lange Wattestäbchen. Damit tupft er in den Bisslöchern an den Hälsen der Tiere herum und verpackt die Stäbchen dann sorgsam. „Mit dieser Genetikprobe können wir eventuell heraus bekommen, welche Wölfe hier zugange waren“, erklärt er Patrick Harig. Dem ist das ziemlich egal. Der junge Mann ärgert sich über den Verlust der Tiere. Sein Vater hat das Damwildgehege 1991 aufgebaut. Seit dessen Tod betreibt es der Sohn als Landwirt im Nebenerwerb. Von Beruf ist er Maschinenbautechniker, arbeitet im Sohlander Getriebewerk. Die Damwildzucht ist ein willkommener Zuverdienst. Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit werden im eigenen Schlachthaus etliche Tiere zerlegt und das Fleisch direkt vom Hof verkauft.

Es ist nicht das erste Mal, dass Patrick Harig der Wolf in die Quere kommt. Vor anderthalb Jahren hat der Cunewalder schon mal sieben Tiere eingebüßt. Damals bekam er dafür Entschädigung. Darauf hofft er auch jetzt. Trotzdem sagt er ohne Umschweife: „Ich will, dass der Wolf zum Abschuss freigegeben wird.“ Denn unter seinem Schutz würden die Halter von Nutztieren leiden. Nicht nur durch den materiellen Schaden. Auch ideell. „Jeden Morgen gehe ich mit einem unguten Gefühl zu meinen Tieren, habe Sorge, dass wieder was passiert ist“, sagt Patrick Harig.

Wald wird leerer

Manfred Ressel nickt zustimmend. Der Cunewalder Jäger, der den jungen Mann beim Begutachtungstermin der toten Tiere zur Seite steht, ist ebenfalls nicht begeistert von der Ausbreitung der Wölfe und deren Folgen. „In der Cunewalder Gegend hatten wir mal um die 170 Stück Muffelwild. Jetzt sind es gerade mal noch 15. Und Rehe sieht man im Wald auch kaum noch. Die halten sich jetzt lieber in Menschennähe auf“, nennt er seine Beobachtungen.

Das Damwild von Patrick Harig ist eigentlich gut geschützt. Um das gesamte Gehege zieht sich ein zwei Meter hoher Zaun. Wo und wie der Wolf in der Nacht zum Freitag trotzdem eindringen konnte, steht bisher nicht fest. Gut zu erkennen ist hingegen, dass einer der inneren Zäune, die das Gehege in verschiedene Bereiche untereilten, vom Raubtier untergraben wurde. Frisch aufgeworfene Erde zeugt davon.

Laut einer Statistik des Kontaktbüros „Wölfe in Sachsen“ wurden in diesem Jahr bis Mitte September in ganz Sachsen 63 Übergriffe auf Nutztiere gemeldet. In 24 dieser Fälle gilt der Wolf als Verursacher oder konnte nicht ausgeschlossen werden. Dabei wurden insgesamt 65 Tiere getötet und fünf verletzt; acht sind vermisst.