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Wohnraum statt Tanzsaal

Fast alle 14 Wohnungen im auferstandenen Gasthof sind belegt. Die Außenanlagen werden demnächst fertig.

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© Norbert Millauer

Von Ines Scholze-Luft

Reichenberg. Er war nicht mehr zu retten, der alte Gasthof im Moritzburger Ortsteil Reichenberg. Trotzdem präsentiert sich jetzt – nach Abschiedsparty, Abriss und Aufbau – im Ortszentrum ein Gebäude, das manchen Passanten staunen lässt: Das soll ein Neubau sein? Mit viel Liebe zum Detail ist der neue Komplex gewachsen. Allein die bodentiefen Fenster im ersten Stock neben dem Eingang August-Bebel-Straße: Sie erinnern an die Saalfenster des Gasthofs, der über vier Jahrhunderte hier zu finden war.

Inzwischen sind fast alle Mieter in die neu entstandenen Wohnungen eingezogen.
Inzwischen sind fast alle Mieter in die neu entstandenen Wohnungen eingezogen. © Norbert Millauer

Auch das Putzkratzbild mit Hahn, Bierglas, Bass, Pflug und Trompete – 1947 geschaffen von Hermann Glöckner, einem namhaften konstruktivistischen Maler und Bildhauer – soll bis Ende Oktober zurückkehren über den Eingang an der August-Bebel-Straße. Allerdings als Kopie.

Das Original wird ebenfalls wieder zu sehen sein. Bei seiner Bergung hat der Restaurator nicht den Putz von der Wand, sondern die Wand vom Putz getrennt. Allein das kostete rund 20 000 Euro. Im Stahlrahmen sicher gelagert, wartet das Sgraffito-Putzbild auf den zweiten Auftritt. In einem Pavillon, der im noch anzulegenden Park westlich des Gasthofs entstehen soll. Helge Harzdorf zeigt, wo das einmal sein wird.

Gemeinsam mit Hendrik Fuchs, ebenfalls Geschäftsführer der Coswiger Firma Bauhauf, hatte Helge Harzdorf den maroden Gasthof erworben. Das Projekt des Radebeuler Architekten Frank Mehnert für den Neubau fand schließlich die Zustimmung des Gemeinderates. Im Frühjahr 2017 verschwand der alte Gasthof.

Die Arbeiten für die 14 Wohnungen in den beiden neuen Gebäuden begannen mit einigen Überraschungen. Beispielsweise beim Keller. Früher gab es hier Helge Harzdorf zufolge einen ganz flachen. Nun aber musste ein tiefer her, um die geforderten mindestens sechs Quadratmeter Nebenflächen für die Mieter zu schaffen. Angesichts des hohen Grundwasserspiegels ein Problem – der auf historischen Bildern dargestellte Teich vorm Gasthof verweist darauf. Das machte eine sogenannte weiße Wanne erforderlich. Mehr Aufwand also. Wie die größere Betonplatte wegen der unterschiedlichen Festigkeit des Baugrunds.

Trotzdem wurden Zusatzaufgaben in Angriff genommen. So der Erhalt des Glöckner-Bildes. Kunst ist den Eigentümern wichtig. Und natürlich der Bau an sich. Auch in puncto Material. Auffällig der Boden aus sächsischem Sandstein am Eingang, im Treppenhaus. Barrierefreie Wohnungen, per Aufzug erreichbar. Zwei Penthouse-Wohnungen. Zwei Dreiraum-, die übrigen Vierraumwohnungen, etwa 100 Quadratmeter, Kaltmiete um die neun Euro. Am 1. August sind die ersten Bewohner eingezogen. Jetzt ist fast alles belegt.

Während der neue Gasthof schon gut belebt ist, wird im Umfeld noch auf Hochtouren gearbeitet. Die Bauleute bereiten das Areal für die rund 20 Parkplätze vor, Grünflächen samt Büschen sind zwischen den Häusern geplant. Mit den Wegen sind wir durch, das Pflaster wird fertig, sagt Helge Harzdorf. Am Brunnen vorm Haus – auch im hinteren Grundstück gibt es einen – arbeitet gerade der Sandsteinspezialist. Denn der Brunnen in der Dorfmitte soll besonders schön werden, erhält eine filigrane Metall-Haube mit Weinranken. Die Arbeit an den Außenanlagen soll im Oktober beendet werden. Bis auf den Park. Er soll im einstigen Schulgartengelände entstehen. Als Streuobstwiese, mit Spielflächen, Grillecken, dem Pavillon fürs Putzbild. Als Teil des Friedewald-Rundwegs. Ähnlich dem Park am Kurhaus Friedewald. Auch dem haben Hendrik Fuchs und Helge Harzdorf schon zu neuem Leben verholfen.

Ein weiteres Kunstwerk für das künftige Reichenberger Parkgelände – neben dem Putzbild – ist schon erworben: Eine Skulptur, entstanden beim internationalen Bildhauersymposium in Moritzburg.

Damit genügend Platz für den Park bleibt, musste eine spezielle Lösung fürs Versickern des Oberflächenwassers gefunden werden. Der Regenwasseranschluss ist jetzt beim übernächsten Nachbarn angebunden, unterirdisch an den Dorfbach. Sonst hätte eine Rigole oder eine offene Fläche angelegt werden müssen, sagt Helge Harzdorf. Das wäre dann zu groß geworden und auf Kosten der Parkpläne gegangen. Nun dürfen die Reichenberger und ihre Gäste gespannt sein, wie sich die Fläche am Ortseingang entwickelt.