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Wohin gehst du, Kamenz?

Die Stadt hat – angeregt auch durch die Bürger – die Leitbild-Debatte angeschoben. Es geht um eine lebenswerte Stadt.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Kamenz. Das lateinische „Quo vadis?“ ist längst ins deutsche Vokabular übergangenen. „Wohin geh‘st du?“ Diese Frage wird anders als im berühmten Sketch von Böhnke und Lange eben nicht gestellt, wenn es um den Kinobesuch am Abend geht. Das hat höhere Bedeutung, der sich dieser Tage auch die Stadt Kamenz stellt. Mit einer Leitbild-Debatte, die in den vergangenen Monaten auch durch die Bürgerschaft angeschoben wurde. Auf einer vielbeachteten Bürgerversammlung im Mai hatte die Architektengemeinschaft Dr. Braun & Barth aus Dresden die Grundzüge der kommenden Stadtentwicklung unter dem Titel „Kamenz – die lebenswerte Stadt zwischen Dresden und Bautzen“ zusammengefasst. Jetzt ist daraus ein 35-seitiges Leitbild-Konzept geworden, über das diskutiert werden soll. Die SZ stellt die Grundzüge vor:

Auch die Neugestaltung des Marktplatzes in Kamenz tangiert die Leitbild-Debatte in der Lessingstadt Stichwort: Innenstadtbelebung.
Auch die Neugestaltung des Marktplatzes in Kamenz tangiert die Leitbild-Debatte in der Lessingstadt Stichwort: Innenstadtbelebung. © Grafik: Ilona Palme

Kamenz ist und bleibt ein wichtiges Mittelzentrum im Landkreis

Die Stadt versteht sich als regionales Wirtschafts-, Versorgungs-, Bildungs- und Kulturzentrum. Dazu sind mindestes 15 000 Einwohner eine wichtige demografische Voraussetzung, was langsam knapp wird. Darüber hinaus braucht es mindestens 45 000 Einwohner im Kerneinzugsgebiet, derzeit sind es fast 69 000, allerdings mit fallender Tendenz. Die „höherwertige Daseinsvorsorge“ in einem Mittelzentrum braucht z.B. einen ausgebauten Schulstandort, ein Krankenhaus, ausreichende Fachärzte und Behinderteneinrichtungen sowie Polizei und Gerichtsbarkeit. Das ist gegeben bzw. kommt. Von den Oberzentren ist Dresden gut zu erreichen, Hoyerswerda oder Bautzen eher schwer.

Kamenz ist ein sehr großer Verwaltungsstandort im Landkreis

Neben Bautzen und noch deutlich vor Hoyerswerda hat sich Kamenz als Sitz der öffentlichen Verwaltung etabliert. 700 Menschen arbeiten hier für den Landkreis, etwa 400 für die Landesstatistik. Bald wird in Kamenz der Hauptsitz des Sächsischen Informatik-Dienstes mit IT-Schulungszentrum eingerichtet. Das Polizeirevier in der Poststraße deckt eine große Fläche ab.

Kamenz entwickelt sich auch als Wirtschaftsstandort weiter

Größte gewerbliche Arbeitgeber in der Stadt sind Daimler mit derzeit 360, Sachsenfahnen mit mehr als 250, Litarion mit über 150, die Ewag mit mehr als 100 und Jägermeister mit rund 70 Beschäftigten. Ein großer Arbeitgeber mit 325 Mitarbeitern ist das Malteser Krankenhaus St. Johannes. Vor allem der Batteriestandort entwickelt sich positiv (siehe unten stehenden Beitrag). Dies bringt neue infrastrukturelle Anforderungen mit sich – z.B. beim Wohnen.

Kamenz muss seine Potenziale als Wohnstandort ausschöpfen

Die Stadt will stärker als bisher sowohl Arbeits-, als auch Wohnstandort sein. Das Leitbild-Papier weist das derzeit vorhandene Bauland in der Weißmantel., Grenz-, Königsbrücker Straße, in Jesau (ehemaliges Pflegeheim), Straßenmeisterei in Bernbruch, Straße der Einheit/Jesauer Feldweg sowie Muhlestraße/Kirschberg aus. Dr. Braun & Barth haben am Siedlungsweg eine größere innerstädtische Entwicklungsfläche ausgemacht, die allerdings noch konfliktbeladen ist (Edeka-Supermarkt, Heizwerk, Schwimmhalle). Platz wäre hier für bis zu 43 Einfamilienhäuser mit 750 bis 850 Quadratmetern Grundstücksgröße.

Kamenz entwickelt das Gründerzeit- Quartier in zwei Richtungen

Die ehemalige Kleingartenfläche unterhalb der Lessingschule ist zum Zankapfel geworden. Das Rathaus hat die gesamte Fläche in zwei Richtungen überplant. Zum Ausbau des Schulstandortes gibt es Konsens, beim großflächigen Lebensmittelmarkt nicht. Dr. Braun & Barth plädieren für die Handelsfunktion – vor allem mit Blick auf die Verlagerung von Einzelhandel vom Stadtrand mehr in die Mitte. Die positive Auswirkung auf Handel und Gewerbe die Kerninnenstadt ist umstritten. Stadt und Stadtrat bewegen sich auf gänzlich offenem Terrain. Zuletzt war im Gymnasium auch die Sportplatzlösung unterhalb der Schule ins Spiel gebracht worden. Da die Finanzierung für Jahnsportplatz und Sporthalle seitens des Schulträger noch offen ist, wird die Idee zumindest mitbedacht.

Kamenz braucht eine deutlich lebendigere Kern-Innenstadt

Der Kamenzer Markt mit Pulsnitzer und Bautzner Straße hat es vor allem auch aus topografischen Gründen schwer. Der Felsen zwischen Hutberg und Herrental liegt nicht in der Mitte, sondern eher am südlichen Stadtrand. Seit zwei Jahren wird die Neugestaltung des Marktplatzes forciert. Das Kamenzer Architekturbüro von Ilona Palme und das Ingenieurbüro Linke aus Dresden haben ein ganzheitliches Umgestaltungskonzept vorgestellt. Beginnend beim Rundum-Einbahnstraßenverkehr, fortgesetzt bei einer Parkplatzordnung über die Möblierung bis hin zur Begrünung. Das Konzept ist Bestandteil der Leitbild-Studie. Gleiches gilt für die Entwicklung der Pulsnitzer Vorstand oder die Wiederöffnung der Fichtestraße in Kamenz-Ost, wobei das Rathaus jetzt offenbar doch die ganz große Öffnungsvariante mit SWG-Teilblockabriss bevorzugt.