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Wölfe am Wanderweg?

Jäger und Anwohner bei Nossen berichten von mehreren Raubtieren. Hundehalter werden gewarnt. Ämter zweifeln.

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© dpa

Von Marcus Herrmann

Nossen/ Landkreis. Dass der Wolf oder möglicherweise Wolfshybriden die Wälder und Felder um Nossen für sich entdeckt haben könnten, ist nicht neu. Zuletzt vor eineinhalb Jahren sprach Kreisjägermeister Karsten Schlüter gegenüber der SZ von im Foto festgehaltenen Sichtungen eines jungen Rüden, der im Bereich Eula gesehen wurde. Auch in den Monaten danach berichteten Jäger von Wolfssichtungen während der Jagd. Im Juni-Amtsblatt der Stadt Nossen wenden sich die Nossener Jagdpächter nun mit einem eindringlichen Appell an die Nossener. Und sie berichten von konkreten Begegnungen mit dem grauen Raubtier – und dass nicht in einem abgelegenen Waldstück, sondern an einem beliebten Wanderweg, der nahe am Gewerbegebiet Augustusberg liegt.

Nossens Jagdpächter sind sich jedenfalls sicher, an einem Gebüsch neben der Kirschallee (kleines Bild) drei Wölfe oder Wolfshybriden entdeckt zu haben. Das haben sie nun auch im Amtsblatt der Stadt mitgeteilt.
Nossens Jagdpächter sind sich jedenfalls sicher, an einem Gebüsch neben der Kirschallee (kleines Bild) drei Wölfe oder Wolfshybriden entdeckt zu haben. Das haben sie nun auch im Amtsblatt der Stadt mitgeteilt. © privat

Hinzu kommt eine Ungewöhnlichkeit: In dem Schreiben unter der Überschrift „Wölfe in Nossen“ ist die Rede von drei Tieren. So heißt es: „Besonders brisant ist die Beobachtung von drei zusammengehenden Wölfen, die mehrfach in Augustusberg, aber auch in Richtung Lommatzsch gesehen wurden.“ Des Weiteren sei vor etwa zwei Monaten ein Jäger bei einbrechender Dunkelheit „direkt und neugierig von einem Wolf angelaufen“ worden. Erst durch lautes Rufen sei der Wolf etwa fünf Meter vor dem Jäger abgebogen. „Die anderen beiden Wölfe näherten sich bis auf etwa zwei Meter dem abgestellten Fahrzeug des Jägers und inspizierten es neugierig.“ Und: „Die Wölfe lagen wohl schon am Tage nur etwa 20 Meter vom beliebten Hundespazierweg, der Kirschallee, entfernt.“

Der in dem Text der Jagdpächter angesprochene Jäger ist der Kreisjägermeister selbst gewesen. Das bestätigt Karsten Schlüter der SZ am Telefon. „Ich war abends mit der Wärmebildkamera im Revier unterwegs und habe die drei Tiere im Gebüsch wahrgenommen. Eines davon lief dann schnurgerade auf mich zu. Da ist mir schon anders geworden, zum Glück ist das Tier wenige Meter vor mir abgebogen.“

Schlüter sei zu 100 Prozent sicher, dass es sich nicht um einen Fuchs gehandelt habe. „Natürlich kann ich nicht ausschließen, dass es sich um einen Hybriden, also Wolfs-Hund-Mischling, gehandelt hat.“ So oder so sollten Hunde auf Nossener Flur unbedingt an der Leine gehalten werden. „Wölfe betrachten einen Hund als Eindringling in sein Revier und versuchen, diesen zu töten“, heißt es dazu in dem Schreiben. Darin sind auch der Name und die Telefonnummer von Kerstin Reinhold angegeben. Entdeckungen und Fotos möglicher Wolfsrisse oder Begegnungen sollten an die Wolfsbeauftragte des Kreisjagdverbandes Meißen weitergeleitet werden. Bei ihr laufe die Monitoringarbeit des Kreises zusammen.

„Wenn Beobachtungen gemacht und womöglich auch dokumentiert werden, nehme ich sie entgegen und leite sie an die zuständigen Behörden weiter“, sagt Kerstin Reinhold. Zu den Adressaten gehörten neben Naturschutzbehörden und Jagdbehörden auch Universitäten wie die TU Dresden oder das Kontaktbüro Wölfe in Sachsen. Aus Nossen seien ihr neben den geschilderten Beobachtungen der Jäger zwei Hinweise einer Bürgerin von Sichtungen an der Eichholzgasse bekannt. Für zusätzliche Informationen sei die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises zuständig.

Hier ist Torsten Peters der Sachbearbeiter Wolfsmanagement. Er schließt nicht aus, dass ein Wolf in Nossen gesichtet worden sein könnte. Der Zellwald komme als Ausbreitungsgebiet infrage. Der Landkreis Meißen sei seit 2011 Wolfsgebiet. Das geschilderte Verhalten und das Auftreten im Rudel seien jedoch äußerst fragwürdig. Einen Nachweis gebe es für Nossen bisher nicht, somit auch kein Monitoring. Bilder, die einen Wolf zweifelsfrei nachweisen, sind ihm aus Nossen nicht bekannt. „Ich ermutige jeden Jäger, sich bei uns zu melden, wenn er einen Nachweis zu besitzen glaubt“, sagt Peters. Leider, so sein Eindruck, ist die Bereitschaft nicht immer gegeben – vielleicht wegen des detaillierten Fragenkatalogs, der bei einer vermuteten Wolfssichtung mit abzulegen ist. Grundsätzlich sei der Wolf ein natürliches Gefahrenpotenzial, weshalb Hunde nicht freilaufen gelassen werden sollten.

Im vergangenen Jahr sicher nachgewiesen wurden ein Wolfsrudel mit Welpe in Raschütz, eines mit drei Welpen in der Gohrischheide und eines mit zwei Welpen in der Dahlener Heide. Ob sich eines oder mehrere dieser Tiere nun im Raum Nossen ein neues Revier erschlossen haben oder es sich bei den Beobachtungen doch nicht um Wölfe handelt, ist nun die Frage.