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Wo einst die Trafos surrten

Eine Finanzwirtin baut ein funktionales Gebäude in ein Künstleratelier um. Dafür erhielt sie einen 1. Preis.

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© Matthias Schumann

Von Uta Büttner

Weinböhla. Klein, unscheinbar und trist. So erscheint das ehemalige Trafohaus am Kirchplatz 15 b in Weinböhla. Eine Einladung zum Eintritt sieht definitiv anders aus. Wer sich dennoch entschließt, die Tür zu öffnen, bleibt bereits kurz nach der Eingangstür gebannt stehen. Auf der mittleren Ebene des Gebäudes schweift der Blick in einen so nie vermuteten offenen Raum. Eine fast filigran wirkende Stahltreppe – eine Sonderanfertigung – verbindet drei Ebenen. Unten, diagonal in der Ecke, steht das Schmuckstück des Hauses: ein Kamin aus der Zeit der Leonardo-da-Vinci-Villen. Auf der Empore befinden sich Tisch und Staffeleien. Und an den Wänden hängen farbenfreudige Bilder der Künstlerin Heike Böttger, die in dem schlichten technisch-kühlen Ambiente hervorragend zur Geltung kommen. Ein großes Fenster – eine ehemalige Tür – gegenüber dem Standpunkt am Eingang geben dem Raum zusätzlich Offenheit und ein interessantes Licht.

Das ehemalige Trafohaus baute Heike Böttger innerhalb von zwei Jahren in ein Atelier um. Dafür erhielt sie einen 1. Preis beim Sächsischen Landeswettbewerb „Ländliches Bauen“.
Das ehemalige Trafohaus baute Heike Böttger innerhalb von zwei Jahren in ein Atelier um. Dafür erhielt sie einen 1. Preis beim Sächsischen Landeswettbewerb „Ländliches Bauen“. © Matthias Schumann

Kein Zweifel: Da ist ein architektonisches Schmuckstück entstanden. Und genau so sah es auch die Jury des Sächsischen Landeswettbewerbs „Ländliches Bauen“. In der Kategorie „Gestaltung von Freianlagen und baulichen Anlagen“ erhielt die Weinböhlaerin Heike Böttger Anfang Dezember den 1. Preis. Damit setzte sich die studierte Finanzwirtin auch gegen das von Denkmalpfleger Andreas Christl aus Meißen eingereichte Bauprojekt durch.

„Ich war total aufgeregt, als ich zur Preisverleihung ging.“ Mit der Einladung war sie informiert, dass sie eine Anerkennung erhält. Dass es ein 1. Preis werden würde, daran wagte sie nicht im Traum zu denken – unter all den Einsendungen von Architekten. Spannung baute sich bei Heike Böttger auf, als vor der Preisverleihung unter den wechselnden Projektfotos an der Leinwand auch ihre auftauchten. Als ihr Name für den 1. Preis fiel, war sie überwältigt. „Ich bin überglücklich und so stolz“, sagt die 48-Jährige mit leuchtenden Augen.

Besonders beeindruckend: Kunst und Architektur sind nur Hobbys der Finanzwirtin. Doch beides betreibt sie mit Leidenschaft. Vielleicht ihr Vorteil: Zeitdruck spielt bei ihr keine Rolle. Bereits seit ihrer Kindheit malt Heike Böttger. Ihre erste Ausstellung wagte sie 2007 beim Künstlermarkt. Seitdem wurde sie immer mal wieder gefragt, wo sie denn zu finden sei. Doch ein Atelier hatte sie nicht, ihre Bilder lagerten im Keller. Auf der Suche nach passenden Räumlichkeiten stieß die Hobbymalerin auf das Trafohaus, das 2010 stillgelegt werden sollte. Sie erkundigte sich bei der Enso, ob das Gebäude käuflich zu erwerben war, und hatte Glück. Die Gemeinde plante jedoch bereits den Abriss, um Parkplätze an dieser Stelle anzulegen. „Aber ich konnte mit meinem Konzept den damaligen Bürgermeister überzeugen“, erzählt sie rückblickend.

Bis 2014 dauerte es dann, bis alle rechtlichen Dinge geklärt waren und sie den Bauantrag einreichen konnte. Dazu waren genaue Vorstellungen und Bauzeichnungen gefordert. Zwar hatte Heike Böttger Ideen, doch wie das alles im Raum wirkt, dazu fehlt ihr die Vorstellungskraft, gibt sie offen zu. Zuerst zeichnete sie alles auf, auch auf Millimeterpapier. „Ich habe sogar die Legobausteine meines Sohnes genommen und im Wohnzimmer den Zollstock ausgelegt, um eine Vorstellung für Raum und Maße zu bekommen.“

Schließlich sollte der Raum von einer Grundfläche von knapp 39 Quadratmetern und einer Höhe von etwa 4,80 Meter die Ausstrahlung eines Künstlerateliers erhalten. Große Unterstützung bekam Heike Böttger von einem Familienangehörigen, der vom Baufach ist. „Ich habe mit ihm stundenlange Telefonate geführt. Er hat mich toll beraten und auch bei nötigen Ausbesserungen geholfen.“ Denn das Arbeiten mit den unterschiedlichen Gewerken war nicht immer leicht. „Ich brauchte viel Ausdauer, vor allem kommunikative. Ich war nicht gerade die unkomplizierteste Bauherrin.“ Denn Heike Böttger hatte genaue Vorstellungen, die oft nicht mit dem „üblichen“ Bauen übereinstimmten. Doch das Ergebnis und die Auszeichnung sind der Lohn für zwei Jahre Bauen. „Wo einst die Trafos summten, soll das Atelier Ampere weiterhin für Spannung sorgen“, schrieb Heike Böttger bei ihrer Bewerbung. Das hat sie bereits jetzt geschafft.

www.atelier-ampere.de