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Wirtschaft wächst – aber nur langsam

In einem Ranking hat sich der Kreis leicht verbessert. Die Statistik zeigt, warum die Löhne fast nicht steigen.

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© Archiv: SZ

Von Dominique Bielmeier und Franz Werfel

Freital/Pirna. Was hat der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit dem Erzgebirge, dem Herzogtum Lauenburg in Holstein und Cuxhaven in Niedersachsen gemeinsam? Den – etwas merkwürdigen – Listenplatz 380,5 in einem neuen Ranking des Ifo-Instituts. Die Münchner Forscher haben sich die wirtschaftliche Entwicklung in den 402 deutschen Landkreisen für die Jahre 2000 und 2014 im Vergleich angeschaut. Dafür haben sie die Bruttoinlandsprodukte aller Regionen miteinander verglichen und überrascht festgestellt: Die regionale Ungleichheit in Deutschland ist in diesem Zeitraum gesunken.

„Die Wirtschaftskraft der 402 Kreise Deutschlands, gemessen an ihrer Bruttowertschöpfung pro Kopf, war 2014 deutlich gleicher verteilt als im Jahre 2000“, sagt Gabriel Felbermayr, Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft. Die regionale Ungleichheit der verfügbaren Einkommen sei in Deutschland außerdem niedriger als in allen großen EU-Staaten. An der Spitze des Rankings stehen Wolfsburg, Ingolstadt und München auf den ersten drei Plätzen. Schlusslichter sind der Rhein-Pfalz-Kreis sowie die Kreise Kusel und Südwestpfalz in Rheinland-Pfalz.

„Wolfsburg hat eine größere Wirtschaftsleistung als all unsere Landkreise zusammen“, sagt Lars Fiehler beim Blick auf die elf Seiten lange Ifo-Tabelle. Der Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden, zu deren Einzugsgebiet auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gehört, hat sich das Ranking für die Sächsische Zeitung einmal genauer angesehen.

Er kann auch erklären, warum der Untersuchungszeitraum so weit in der Vergangenheit liegt: „Bei einer regionalisierten BIP-Statistik hat man leider immer diesen großen Zeitversatz“, so Fiehler. Auch wenn die Zahlen nicht tagesaktuell sind, können sie jedoch einiges aussagen. Nämlich, dass sich der Landkreis nach wie vor schwertut, wertvolle Werte zu schaffen. Betrachtet man nur die sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte, sieht man, dass der Landkreis noch immer Schlusslicht in Sachsen ist – zusammen mit dem Erzgebirgskreis (siehe Tabelle). Der Kreis konnte aber von 2000 bis 2014 seinen Rankingplatz um 7,5 Stellen verbessern. Die halbe Stufe kommt zustande, da mehrere Kreise sich einen Platz in der Statistik teilen.

Blickt man in die jüngere Vergangenheit, erscheint das Bild noch positiver: „In den vergangenen Jahren kannte die Konjunktur nur eine Richtung – nach oben“, sagt Fiehler. Er hat die Ergebnisse aus dem Ranking in Prozentzahlen umgerechnet: Der Landkreis Meißen habe demnach zwischen 2000 und 2014 bei der Bruttowertschöpfung pro Kopf um knapp 28 Prozent zugelegt, Bautzen mit knapp 33 Prozent aber noch deutlich mehr. Und auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge kann sich mit einem Zuwachs von gut 24  Prozent sehen lassen. „Dabei neigen die ostsächsischen Landkreise ja immer etwas dazu, sich schlechter zu reden, als sie sind.“

Die Wachstumsraten sind jedoch nur eine Seite der Medaille. Denn in der gleichen Zeit hat sich auch bei den Einwohnerzahlen einiges getan: Im Jahr 2000 lebten im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge noch 272 600 Menschen, 14 Jahre später waren es nur noch rund 246 000. In anderen Landkreisen sehe die Entwicklung noch deutlich dramatischer aus, so Fiehler.

Schaden die Russland-Sanktionen?

Vernachlässige man den demografischen Wandel bei der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes, ergäben sich ganz andere Prozentwerte: Der Landkreis hätte dann nur noch ein Wachstum von knapp zwölf Prozent. „Es gab eine positive Performance in diesem Zeitraum“, sagt Fiehler. „Aber zwölf Prozent auf 14 Jahre... Viel weniger hätte es auch nicht sein dürfen.“ Die erste, positivere Rechnung kommt zustande, da sich die Wirtschaftsleistung nun auf weniger Köpfe verteilt. Die Statistik zeigt also nicht nur, dass das BIP gewachsen ist, sondern dass die sächsischen Kreise auch Einwohner verloren haben. Bautzen komme dann nur noch auf ein Plus von gut zwölf Prozent, Meißen auf gut zehn. Trotzdem will Fiehler die Ergebnisse auch nicht schlechtreden. Denn sie zeigen doch, wie gut die sächsischen Städte und Landkreise im ostdeutschen Vergleich abschneiden.

Erste ostdeutsche Stadt im Ranking ist Eisenach auf Platz 85,5. Daran zeigt sich, welchen Einfluss „Finalproduzenten“ wie die großen Automobilhersteller haben – während in Sachsen eher Zuliefererfirmen sitzen. „Das heißt, hier bleibt einfach weniger vom verdienten Euro hängen“, sagt Fiehler. „Im Zuliefererbereich ist die Marge geringer.“ Deshalb lohne es sich auch nicht, neidisch nach Bayern oder Baden-Württemberg zu schielen, wo die großen Gewinner des Rankings sitzen. „Da vergleicht man Äpfel mit Birnen.“ Sorge bereitet Fiehler dann doch eine Zeile in der Ifo-Liste: Die Landeshauptstadt Dresden ist von Rang 107 auf 124 abgerutscht, neben dem Vogtlandkreis der einzige Abstieg in Sachsen. Und das trotz steigender Einwohnerzahl. Vielleicht ein Resultat der Insolvenz der Infineon-Tochter Qimonda im Jahr 2009, mutmaßt Fiehler. Dresden sei sehr stark von der Chipindustrie abhängig.

Zwar gibt es auch im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge starke Industriefirmen. Man denke an das Edelstahlwerk in Freital, die Uhrenindustrie in Glashütte, florierende Firmen in Neustadt wie Capron oder Gerodur. Stark sind auch Autozulieferer wie die FEP in Pirna oder die Drehereien im Müglitztal. Schwer hätten es die Betriebe, die viel exportieren. „Da ist man nicht immer Herr des Geschehens“, sagt Fiehler. Er ist zum Beispiel überzeugt, dass die Russland-Sanktionen eine Art Bremswirkung auf die Wirtschaft haben. „Aber da lässt sich niemand in die Karten schauen.“ Die nächste Statistik könnte zeigen, ob er recht behält.