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„Wir haben uns verbessert“

Die Bewohner des Papageienviertels mussten ihr Zuhause verlassen. Einige sind trotzdem zufrieden.

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© Steffen Unger

Von Nicole Preuß

Bischofswerda. Die Fenster wurden inzwischen ausgebaut. Ein paar wenige sind drin geblieben und die Türen, damit sich niemand noch vor dem Abriss im Haus zu schaffen macht. Ein Bagger steht auf einem Schutthaufen. Er scheint nur auf das „Los“ zu warten, um den Viergeschosser an der Bautzener Straße dem Erdboden gleich zu machen. Der soll fallen. Das ist schon seit Langem beschlossene Sache, genauso wie die beiden anderen Gebäude des Papageienviertels. Der Block an der Bautzener Straße wird in den nächsten Tagen abgerissen, die anderen sollen folgen, sobald die Wohnungswirtschaft und Bau GmbH Bischofswerda (WuB) Fördermittel dafür bekommt. „Wir müssen abwarten, bis wieder ein Programm aufgelegt wird, oder andere ihre Fördermittel zurückgeben“, sagt Geschäftsführer Andreas Wendler. „Wenn das tatsächlich geschieht, muss es aber in der Regel ganz schnell gehen.“

Die Voraussetzungen dafür sind gegeben, denn die Mieter haben schon vor einem Jahr ihre Häuser verlassen. Silke Marx lebte 27 Jahre in dem Block, der jetzt abgerissen werden soll. „Wir bekamen mit Kind eine Drei-Raum-Wohnung und waren froh darüber“, sagt sie. „Der Standort war wunderschön, wir hatten 22 Jahre einen Garten ganz in der Nähe, die Anbindung an den Bus nach Bautzen war da, das Ärztehaus nicht weit.“ Sieglinde Kirste wohnte mit ihrer Familie in einer anderen Wohnung im Haus. Sie zog 1988 als eine der ersten in den neu gebauten Block. „Wir waren froh, dass wir so zurück nach Bischofswerda konnten, wir hatten vorher woanders gelebt“, sagt die Bischofswerdaerin. Die Kinder der Familien wuchsen in den Wohnungen auf. Der Sohn von Silke Marx und ihrem Mann zog in eine Ein-Raum-Wohnung im Block, als er volljährig wurde.

Die Mieter fühlten sich wohl, sie unternahmen aber einiges, damit das so blieb. Familie Marx strich aller zwei Jahre die Fenster und flieste Küche und Bad neu. „Die Häuser wurden immer baufälliger“, sagt Sieglinde Kirste. „Wir hätten selbst bei einer Sanierung nicht drin bleiben können, alles hätte gemacht werden müssen, sämtliche Leitungen und auch die Fenster.“

2009 zogen Michael Noack und seine Familie ein. Sie brauchten wegen ihres dritten Kindes noch ein weiteres Kinderzimmer. Eine Fünf-Raum-Wohnung war in Bischofswerda aber nicht zu bekommen. Deshalb zogen sie in zwei benachbarte Wohnungen und hatten so noch einen Raum mehr. „Wir haben das Zimmer als Hobbyraum für die Eisenbahn genutzt und dort auch die Gefriertruhe abgestellt“, sagt Michael Noack. „Wir waren froh, dass wir so was Preisgünstiges gefunden hatten.“

Doch dann kündigte die WuB an, die verbliebenen Blöcke im Papageienviertel ebenfalls abreißen zu wollen. Das lag unter anderem an der Heizung, die so nicht mehr betrieben werden durfte. „Man hätte uns schon, als der erste Block abgerissen wurde, sagen müssen, dass wir auch noch drankommen“, sagt Sieglinde Kirste. Michael Noack hatte erst einen Monat vor der Nachricht eine Ersatzwanne beantragt und selbst dafür einen Wannenträger gekauft, um sie später einzufliesen. „Das hätte man uns ruhig früher sagen können“, sagt er.

Er zog mit seiner Familie in zwei Zwei-Raum-Wohnungen an der Heinrich-Mann-Straße. Der Hobbyraum fiel weg und die Miete stieg ebenfalls. „Wir müssen jetzt monatlich 250 Euro mehr zahlen“, sagt er. Das ist ein großer Brocken für die Familie und ersetzt ihnen den besseren Komfort auf keinen Fall. „Wir haben eigentlich keine Verbesserungen durch unseren Umzug. Im Gegenteil. Wir haben auch unseren Balkon eingebüßt. Den hatten wir im Papageienviertel“, sagt Michael Noack.

Sieglinde Kirste hatte Glück. Sie und ihr Mann haben mit der WuB eine Wohnung gefunden, die den gleichen Schnitt hat wie ihr Zuhause im Papageienviertel. Damit musste sich das Rentnerehepaar nicht mehr neu einrichten. Das Paar ist wie Familie Marx in die Blöcke am Gymnasium gezogen. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Silke Marx. Die Wohnung liege zentral und gefeuert müsse nun auch nicht mehr werden. „Wir haben uns verbessert“, findet auch Sieglinde Kirste. Sie wollte mit ihrem Mann eigentlich schon in den 80er Jahren in eines der Häuser an der Schule ziehen. Jetzt bekamen sie die Möglichkeit. Trotzdem hängen die Familien weiterhin an ihrem alten Viertel. Sie werden wohl am Bauzaun stehen, wenn ihr ehemaliges Zuhause abgerissen wird. „Es ist vorbei und vorüber“, sagt Sieglinde Kirste. „Ein bisschen leid tut es uns aber trotzdem.“