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„Wir haben Truppenübungsplätze gekauft“

Kronospan wartet zum Geburtstag mit einigen Überraschungen auf. Ein Gespräch mit drei Herren.

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© Anne Hübschmann

Lampertswalde. Unternehmen gibt es viele. Doch große Industriebetriebe wie Kronospan Lampertswalde nur wenige. Wie in einer Stadt passiert da ständig etwas und nicht immer ist das von außen zu sehen. Wie im Fall des neuen Logistikzentrums, dessen Bau noch aussteht. Warum, auch das dürfte Anwohner und Prominenz am Sonnabend interessieren, wenn zum 25. Werksjubiläum eingeladen wird. Die SZ traf vorab die drei Kronospan-Geschäftsführer Tino Hesse (operatives Geschäft), David Brenner (Personal, Vertrieb und öffentliche Angelegenheiten) und Dr. Wolfgang Seifert (Standort und Genehmigungen) zum Gespräch.

Können Sie sich noch an die ersten Dekore erinnern, mit denen alles begann?

Tino Hesse: Oh, da gab es nicht viel: Buche, Eiche, Ahorn und das war‘s. Inzwischen haben wir 230 Dekore und verschiedene Oberflächen, die der Maserung des Dekors folgen und so den Charakter natürlichen Holzes täuschend echt nachempfinden. Nächstes Jahr kommt eine völlig neue Generation von Fußböden heraus, da geht es nicht bloß um Optik, sondern um wasser- und schmutzabweisende Eigenschaften und modernen Verlegekomfort.

David Brenner: Die Branche hat sich unwahrscheinlich entwickelt. Wir liefern in über 90 Länder. Egal, wo sie sind auf der Welt, Menschen treffen unsere Produkte.

Ist der Geschmack da nicht sehr verschieden auf der Welt?

David Brenner: Ja, das ist in der Tat so. In Skandinavien lieben die Menschen helle Farben und Grautöne. Im arabischen Raum sind dunkle, warme Töne gewünscht. Und dann gibt es noch Eigenheiten, die sind einfach da. Die Spanier stehen in der Tradition der Fliese und frage immer als erstes nach der Abriebklasse. Andere interessiert das gar nicht. Den Kanadiern braucht man kein Brett unter zwölf Millimeter Dicke anbieten, das hat für sie keine Wertigkeit. So muss man sich auf jedes Land, jeden Kontinent einstellen.

Wolfgang Seifert: Dabei sind wir kein Handwerksbetrieb. Die Kunden erwarten nicht nur höchste Qualität, sondern eine schnelle Lieferung im Maßstab industrieller Fertigung und dazu zunehmend kleine Losgrößen, die samt Klicksystem und Sockelleisten in der Größenordnung von 20, 30 Quadratmetern kommissioniert werden.

Tino Hesse: Seit 2016 hat sich die Versendung von Kleinstmengen verzehnfacht und der Marktanteil wächst weiter.

Umso verwunderlicher ist es doch eigentlich, dass Kronospan das neue Logistiklager auf der anderen Seite der B 98 noch nicht gebaut hat, obwohl es genehmigt ist. Oder?

Wolfgang Seifert: Keine Sorge, wir sind einer der größeren Standorte der Zukunft in der Branche. Aber wie ein solches Unternehmen wächst, ist manchmal ein recht schwieriger Prozess. Einfach Anbauen reicht da nicht. Wir müssen eben wegen der völlig veränderten Erwartungen der Händler logistisch umdenken. Wir mussten zuerst Flächen im Werk freibekommen, um Prozesse anders zu organisieren, die Fahrzeugströme neu zu ordnen. Drei Genehmigungsprozesse haben sich dabei überlagert, der für die neue OSB-Plattenanlage, das Hochregallager und das genannte Logistikzentrum. Für die OSB-Anlage haben wir zwei Jahre gebraucht, für das komplizierteste Verfahren – das Logistiklager – sind 15 Jahre ins Land gegangen, bis alles genehmigt war. Für das Hochregallager haben wir nun letzten Freitag das Okay bekommen. Damit werden wir im März, April nächsten Jahres auch anfangen. Erst wenn das abgeschlossen ist, bereiten wir weitere Entscheidungen vor. Wir entwickeln uns von innen nach außen neu.

Das Hochregallager wird nahezu vollautomatisch funktionieren. Fallen da Jobs weg?

David Brenner: Qualifizierte Arbeitskräfte zu finden, ist schwierig. Die Automatisierung ist eher ein Beitrag, den Standort zu sichern. Wir sind zwar ein global vernetztes Unternehmen, aber wir sind regional aufgestellt und suchen wie viele Arbeitskräfte. Derzeit haben wir 700 Mitarbeiter, etwa 85 Prozent kommen aus einem Umkreis von 50 Kilometern. Es hat im Alltag für die Menschen nur bedingt Sinn, weiter zu fahren.

Und von woher kommt das Holz? Da hat man schon Abenteuerliches gehört, von wo das herangefahren wird.

Wolfgang Seifert: Unser Holz kommt aus der Region. Alles andere macht betriebswirtschaftlich keinen Sinn, zumal die Kronospan-Werke in Osteuropa ebenfalls um ihren Rohstoff kämpfen. Man kann letztlich einen Umkreis von gut 150 Kilometer um Lampertswalde ziehen, und hat unseren Lieferbereich. Wir haben tatsächlich einmal in großen Mengen Sturmholz aus Bordeaux bekommen, aber das ging nur, weil das staatlich in großem Umfang von Frankreich subventioniert war, um die Sturmschäden zu beseitigen.

David Brenner: Ich bin Österreicher. In unserem Unternehmen, das seine Wurzeln in einem kleinen österreichischen Bergdorf hat und vor über hundert Jahren in die Forstwirtschaft eingestiegen ist, gibt es von jeher ein Bewusstsein für regionales Wirtschaften. Wir haben drei Forstbetriebe in Brandenburg, für die wir u. a. Teile alter Truppenübungsplätze wie Wünsdorf und Lieberose gekauft haben. Alle sind FSC-zertifiziert für nachhaltige Forstwirtschaft. Wir haben inzwischen 400 000 Bäume aufgeforstet und unterstützen Naturschutzprojekte. Einfach Holzeinschlagen und weiterziehen ist kein Wirtschaften. Kronospan ist da viel mehr als das, was die Leute vor Ort in Lampertswalde sehen, und darauf sind wir stolz, weil wir aus Industrieholz, das kein Möbeltischler verwenden würde, aber zum Großteil ein Naturprodukt bleibt, wunderschöne Produkte entwerfen und herstellen, die Menschen ein gutes Lebensgefühl geben.

Was ist Kronospan in der Region?

David Brenner: Jedes Kind hier weiß, wir sind die Wolkenfabrik. Aber ernsthaft: Wir haben Zahlen, dass noch etwa 5 000 Arbeitsplätze und 260 Zulieferbetriebe hinter Kronspan stehen.

Wolfgang Seifert: Das sind lokale Dienstleister, aber auch Spediteure im Umkreis von 200 Kilometern. Jeden Tag bringen 130 Lkw Holz zum Werk, werden 2 000 Paletten bewegt. Nur, um Größen zu nennen.

Enorm dürfte auch der Energieumsatz im Werk sein.

Wolfgang Seifert: Ja, das ist der großen Posten unserer variablen Kosten. Beim Gas würde ich mir echten Wettbewerb am Markt wünschen und von der Politik, dass die Energiepolitik für Unternehmen wieder planbar wird. Aber darüber hinaus tun wir natürlich selbst sehr viel. Wir verbrennen jeden Tag hundert Tonnen Reststaub aus unserer Produktion, um unseren Wärmebedarf zu decken.

Das Gespräch führte Birgit Ulbricht.

Diesen Sonnabend finden zum Jubiläum von 10.30 Uhr bis 15.30 Uhr halbstündlich Werksführungen statt.