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Windhose reißt Flieger weg

Dem am Großenhainer Flughafen tödlich verunglückten Piloten wurde offenbar ein Mini-Tornado zum Verhängnis. Er überraschte ihn am Boden.

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© Kristin Richter

Von M. Müller und B. Ulbricht

Großenhain. Durch eine Windhose ist am Sonntagnachmittag gegen 14 Uhr auf dem Großenhainer Flugplatz ein Gleitschirmflieger ums Leben gekommen. Der Dresdner war nach einem Probeflug schon wieder auf dem Rasen gelandet, als ihn der Mini-Tornado erfasste. Flugleiter Bernd Fiedler war vor Ort, als der Unfall passierte. „Die Windhose wirbelte keinen Staub auf, sodass man sie vorher nicht sehen konnte“, sagt er. Erst, als sich der Schirm und die Seile verdrehten und den Flieger mit sich rissen, habe er mitbekommen, was da abläuft. Der 54-jährige Pilot wurde zunächst gegen seinen Transporter geschleudert, wobei er wahrscheinlich schon das Bewusstsein verlor. Die Beulen am Auto hätten zumindest darauf hingedeutet, dass der Aufprall sehr hart gewesen sein muss, sagt Fiedler. Dabei öffnete sich offenbar auch noch der Reserveschirm. Die Kameraden des Betroffenen seien hinterhergerannt und hätten versucht, den Schirm zu stoppen, aber die Kraft des Windes sei so stark gewesen, dass das misslang. Beim Versuch zu helfen, zogen sich eine Frau und zwei Männer Schnitt- und Brandverletzungen zu. Sie wurden später zur Behandlung in umliegende Krankenhäuser gebracht.

Auch mit Auto nicht zu stoppen

„Ich bin sofort ins Auto gesprungen, in der Hoffnung, dass ich auf den Schirm fahren und ihn so aufhalten kann“, erzählt Bernd Fiedler noch immer sichtlich geschockt. Aber der Gleitschirm wurde vom Wind hin- und hergezerrt, sodass auch dieser Rettungsversuch fehlschlug. Fast 500 Meter schleifte er den Piloten mit, wobei dieser mehrmals hochgehoben wurde und wieder auf dem Boden aufschlug. Kurz vor dem Zaun an der nördlichen Flugplatzbegrenzung riss die Windhose den Schirm noch einmal in die Höhe und trug ihn auf das benachbarte Bothursche Grundstück, wo er in den Bäumen hängenblieb.

„Wir haben sofort den Rettungsdienst gerufen, und der war sehr, sehr schnell da“, erklärt Bernd Fiedler. Auch der Rettungshubschrauber sei nach wenigen Minuten gekommen. Aber Thomas K. habe, behindert durch die Gleitschirmleinen und das mehrfache Aufschlagen, wohl keine Chance gehabt. Noch vor Ort organisierte die Polizei den Einsatz des Kriseninterventionsteams, das mit vier Helfern Angehörige und Vereinskollegen betreute. Eine Oberärztin, selbst Pilotin, die das Unglück mitbekam, bot sich an, sofort über die Universitätsklinik Dresden Seelsorger nach Großenhain zu holen. Nikolaus Krause, Klinikseelsorger im Ruhestand, wäre sofort nach Großenhain gefahren, wäre nicht schon Hilfe auf dem Weg gewesen.

Fiedler sieht den Vorfall als tragisches Unglück, das mit unvorhersehbaren Naturkräften, aber nichts mit dem Flugbetrieb in Großenhain zu tun hat. Es ist der erste tödliche Unfall seit der Wende. Auch die Kriminalpolizei sieht derzeit keine Anhaltspunkte für ein Fremdverschulden. Der Unfall wird aber derzeit noch genau vom kriminalpolizeilichen Dienst in Meißen untersucht. Gleitschirmpilot Thomas K. war ein erfahrener Flieger mit vielen Jahren Erfahrung und hatte als Tandempartner schon viele Fluggäste sicher durch die Lüfte gesteuert. Am vergangenen Sonntag war ebenfalls ein Tandemflug geplant. Der Flugbetrieb wurde unmittelbar nach dem Unfall gestoppt. Piloten, die Großenhain ansteuern wollten, mussten auf benachbarte Landeplätze, so etwa nach Riesa, ausweichen. Auch Brigitte Koch vom Fliegenden Museum konnte auf ihrem Rückflug nicht in Großenhain landen.

Der Deutsche Hängegleiterverband, der den Deutschen Gleitschirmverband und Drachenflugverband umfasst, nannte eine Fehleinschätzung des Wetters als häufigste Unfallursache gegenüber dpa. Bei Windböen schon am Boden, dürfe man nicht starten, sagte Pressesprecher Benedikt Liebermeister: „Solche Wetterlagen sind nichts für einen Gleitschirm.“ Zu Einzelheiten im konkreten Fall wollte sich der Verband aber nicht äußern, weil er keine detaillierte Kenntnis des Falles hatte. Denn offenbar waren die Piloten von der Windhose völlig überrascht worden. Nach Verbandsangaben kamen im Jahr 2017 sieben Gleitschirmflieger in Deutschland ums Leben. In den beiden Jahren zuvor waren es acht beziehungsweise zehn. „Gleitschirmfliegen ist normalerweise eine sichere Luftsportart. Ein Risiko bleibt aber immer“, sagte Benedikt Liebermeister.