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Wie weiter mit dem öffentlichen Nahverkehr?

Das Angebot im Landkreis ist nicht schlecht, aber ausbaufähig. Ideen gibt es dazu einige.

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© Dirk Zschiedrich

Von Franz Werfel

Sächsische Schweiz. Über den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird aktuell so viel diskutiert wie lange nicht mehr: Es geht um ein kostenloses Angebot, die Landesregierung arbeitet an einem Bildungsticket für Schüler und Azubis, Berufspendler und regionale Firmen wünschen sich eine bessere Anbindung. Auf dem Land hat der ÖPNV zudem eine hohe Symbolkraft: Auch Bürger, die nur selten Bus fahren, beschweren sich, wenn Linien eingestellt werden. Schnell entsteht das Gefühl, abgehängt zu werden.

Auch deshalb hat die neue Landesregierung den ÖPNV ganz oben auf der Agenda. Dabei geht es um viel Geld. Im Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) wurden im vergangenen Jahr 173 Millionen Euro durch verkaufte Tickets eingenommen. Etwa noch einmal so viel Steuergeld vom Freistaat und aus den Landkreisen kommt hinzu, um alle Kosten zu decken. Die SZ hat Stimmen gesammelt, wo es im Landkreis gut läuft – und was besser werden sollte.

Was klappt gut – und wo hakt es?

Spricht man mit Bürgern, Behörden und Unternehmern, zeigt sich ein vielschichtiges Bild. Festhalten kann man: Schlecht ist der ÖPNV in der Region nicht, vieles klappt richtig gut. Vor allem entlang der S-Bahnstrecke von Dresden über Pirna nach Schöna sind die meisten sehr gut angebunden. Auch die Strecke von Dresden über Freital und Tharandt nach Freiberg ist bei Pendlern und Tharandter Studenten, die in Dresden wohnen, beliebt. An Wochenenden kann es in den Zügen aber sehr eng werden – besonders wenn viele Radler oder Familien mit Kinderwagen unterwegs sind.

Je weiter man auf das Land fährt, desto schwieriger wird es. Bei einer Diskussion, die die SZ vor ein paar Monaten auf ihrer Facebookseite initiiert hat, sagte etwa Iris Schilke: „Vor allem am Wochenende müssten wieder Busse auf die Dörfer fahren, für Einwohner und Wanderer.“ Jens Bernert ergänzt: „Wenn die öffentlichen Verkehrsmittel so fahren, wie ich Schicht in meinem Betrieb habe, gern. Ansonsten bleibt mir nur das Auto, im Sommer der Roller oder das Fahrrad.“

Tino Hauffe, Ortsvorsteher im Altenberger Ortsteil Rehefeld, lenkt den Blick nach Westen, denn auch im Übergang vom VVO zum Mitteldeutschen Verkehrsverbund läuft nicht alles rund. „Viele Fahrgäste haben sich vom ÖPNV verabschiedet, seitdem die Verbindung von uns nach Olbernhau und Freiberg schlechter geworden sind“, sagt er. Jeder Verkehrsverbund plane für sich. „Besser werden muss die Abstimmung an den Schnittstellen“, so Hauffe.

Das sagt die Wirtschaft

Unternehmer klagen darüber, dass das Busnetz nicht zum Schichtbetrieb passt. Auf Nachfrage teilt die Arbeitsagentur mit, dass Mitarbeiter in Firmen, die auch am Wochenende arbeiten oder wo die Schicht ab fünf oder sechs Uhr morgens beginnt, Probleme haben, zur Arbeit zu kommen. „Hier können wir regelmäßig nur Job-Bewerber vermitteln, die einen Führerschein und ein Auto haben“, sagt Sprecherin Iris Hoffmann. Problematisch sei das besonders in Altenberg, Glashütte, Dippoldiswalde und Klingenberg sowie den Ortsteilen. Aber auch eine Firma mit Schichtbetrieb in Kesselsdorf findet nur schwer Mitarbeiter aus Dresden oder Freital, wenn diese vor sechs Uhr ohne Auto zur Arbeit kommen wollen. Eine große Firma in Neustadt beklagt sich, dass minderjährige Azubis nur schwer ohne Auto oder Moped zur Berufsschule nach Radebeul kämen und dass Interessenten aus dem Süden des Nachbarlandkreises Bautzen nicht gut nach Neustadt kommen.

Und auch die Tourismusbranche merkt, wenn das Angebot nicht passt. So sagt etwa Karen Trepte, Inhaberin der Steinreich-Erlebniswelt nahe der Bastei: „Es ist doch irrsinnig, wenn in den Schulferien weniger Busse fahren – gerade dann wollen wir doch Besucher zu uns holen.“ Dass die Schulbusse in den Ferien fehlen, bemerkt auch die Arbeitsagentur und fasst zusammen: „Es wäre wünschenswert, wenn sich der ÖPNV an üblichen Schichtrhythmen orientieren könnte.“ Wenn dann auch noch Gewerbegebiete bei der Planung berücksichtigt würden, könne man sicher mehr Menschen zu einer Arbeit oder einer Ausbildung verhelfen – und den Firmen Arbeitskräfte vermitteln.

Der VVO denkt über Lösungen nach

VVO-Sprecher Christian Schlemper kennt die Herausforderungen. Er verweist auf einen Beschluss des VVO-Zweckverbandes vom Juni 2012. Darin steht der Plan, dass VVO und ZVON, der Zweckverbund Oberlausitz-Niederschlesien, zu dem die Kreise Bautzen und Görlitz sowie die Stadt Görlitz gehören, fusionieren. „Der Vorteil besteht in einer einheitlichen Planung und Organisation des ÖPNV“, heißt es. Dieser Zusammenschluss zu einem großen Verkehrsverbund in Ostsachsen scheitert dem Vernehmen nach bisher am Widerstand von Görlitz. Landkreis und Stadt haben Bedenken, in einem größeren Verbund an Bedeutung zu verlieren. Zwar gibt es schon jetzt für Pendler einen Übergangstarif von VVO zum ZVON und andersherum. Spontanfahrer haben davon aber nichts.

Bautzens Landrat Michael Harig (CDU), derzeit Chef der beiden Verkehrsverbünde VVO und ZVON, hat kürzlich gesagt, dass er lieber ein besseres Linien-Angebot hätte als komplett kostenlosen Nahverkehr. „Wir brauchen gut getaktete Bus- und Zugverkehre, damit das Arbeiten in der Stadt und das Wohnen auf dem Land zueinander passen“, so Harig.