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Wie Pirna der Schuldenfalle entgehen will

Die Stadt muss bei geplanten Investitionen kräftig abspecken. Sonst droht ein finanzielles Debakel.

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© Daniel Schäfer

Von Thomas Möckel

Pirna. Pirna hatte und hat gewaltige Investitionen zu stemmen: Anbau und Sanierung der Pestalozzi-Oberschule kosten 14 Millionen Euro, die neue Kita an der Roßmäßlerstraße schlägt mit 3,14 Millionen Euro zu Buche, das Übergangsquartier für die Diesterweg-Grundschule kostet 1,9 Millionen Euro, die Sanierung der Kita Spieloase verschlang über 800 000 Euro. Und es geht in den nächsten Jahren so weiter: Das Schiller-Gymnasium bekommt einen Anbau für sieben Millionen Euro, linkselbisch werden zudem noch eine neue Kita und ein neuer Hort gebraucht, deren Kosten noch gar nicht feststehen. Viele der Projekte sind im Investitionsplan für die Jahre 2016 bis 2027 verankert, einige kamen jedoch – aus der Not heraus geboren – hinzu.

Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich nicht alle geplanten Vorhaben in den kommenden Jahren realisieren lassen, dazu fehlt das Geld. Daher will die Stadt den Investitionsplan vom Stadtrat noch einmal überarbeiten und zunächst für die nächsten fünf Jahre einigermaßen festschreiben lassen, um einem finanziellen Debakel zu entgehen. Die SZ zeigt einen Überblick, wie Pirna der Schuldenfalle entgehen will.

Wieso will Pirna den Invest-Plan von zehn auf fünf Jahre reduzieren?
Den bislang geltenden Investitionsplan – Grundlage für die jeweilige Haushaltplanung – beschloss der Stadtrat 2016. In dem Papier sind sämtliche Investitionen bis 2027 verankert, zu denen die Stadt gesetzlich, vertraglich oder aufgrund von Ratsbeschlüssen verpflichtet ist. Zudem enthält er auch geringe finanzielle Mittel für freiwillige Leistungen. Es ist so eine Art Soll- und Wunschliste. Doch längst steht fest: Es ist nicht alles machbar. Nach Auskunft der Stadt soll die bisherige Arbeitsgrundlage noch einmal diskutiert und neu gefasst werden, um die gesetzlich geforderten Richtwerte einzuhalten.

Warum muss der Investitionsplan überarbeitet werden?
Pirna steht vor großen finanziellen Herausforderungen: Die wachsende Bevölkerung trifft auf eine bereits ausgelastete Infrastruktur, was neue Lösungen fordert. Zudem steigen die Anforderungen an die soziale Infrastruktur, vor allem im Kita- und Schulbereich. Auch steigen die Preise für Bauleistungen mächtig an, ebenso gibt es gesteigerte Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur – vor allem aus Gründen des Umweltschutzes.

Auf welcher Grundlage will Pirna den Plan überarbeiten?
Es basiert im Wesentlichen auf zwei Vorgaben: Zum einen muss Pirna neben den Krediten auch noch andere Verbindlichkeiten zu den Schulden hinzurechnen, was den Schuldenstand mächtig erhöht. Zudem hat der Gesetzgeber mit 850 Euro eine Größe für die Pro-Kopf-Verschuldung festgelegt, die nicht überschritten werden darf. Aus Sicht des Rathauses ist diese Grenze willkürlich gewählt. Aber sie ist verbindlich.

Was passiert, wenn Pirna ungehindert weiter investiert?
Würde Pirna nach dem bisherigen Investitionsplan handeln, würden die Schulden von derzeit 23 Millionen Euro bis 2023 auf über 39 Millionen Euro anwachsen, die zulässige Pro-Kopf-Verschuldung würde spätestens 2021 überschritten. Pirna hat das Szenario überspitzt dargestellt, um zu zeigen: Stadt und Rat müssen gegensteuern.

Welche Folgen hätte ein unverändertes Investitionsverhalten?
Die Auswirkungen sind drastisch: Da nach Aussage der Stadt die Ausgaben ständig steigen, die Einnahmen aber sinken, könnte Pirna künftig nur noch die gesetzlich geforderte Tilgung abdecken, um Schulden abzubauen. Das heißt, im Umkehrschluss: Pirna erwirtschaftet dann selbst keinerlei Eigenmittel mehr für neue Investitionen. Um aber mögliche Fördermittel in Anspruch zu nehmen, braucht Pirna Eigenmittel in Form neuer Kredite. Das sei aber im ursprünglich geplanten Investitionsumfang finanziell nicht zu bewältigen. Und sollte Pirna gar keine neuen Darlehen mehr aufnehmen dürfen, müsste die Stadt sämtliche Eigenmittel selbst erwirtschaften, dann aber könnten nur noch Pflichtaufgaben im Mindeststandard realisiert werden. Die Zinsen für Kredite schränken die Eigenmittel zusätzlich ein. Daher sieht Pirna nur einen Ausweg: Bereits angedachte Projekte müssen zeitlich gestreckt oder in spätere Jahre verschoben werden.

Welches Szenario droht, wenn Pirna die Richtwerte nicht einhält?
Überschreitet Pirna die Richtwerte für die Verschuldung, kann das Landratsamt die finanzielle Leistungsfähigkeit als gefährdet einstufen. Als Folge müsste die Stadt ein Haushaltsstrukturkonzept erarbeiten, also sämtliche Aufgaben müssten auf den Prüfstand, zudem noch, wie Einnahmen erhöht und Ausgaben verringert werden können – was allerdings Investitionen noch mehr einschränkt.

Wie lässt sich ein solches Szenario verhindern?
Pirna will diese negative finanzielle Entwicklung verhindern, ohne dass das Landratsamt eingreift. Daher soll der Stadtrat den Invest-Plan diskutieren. Alle Leistungen sollen auf den Prüfstand gestellt und auf das erforderliche Mindestmaß reduziert werden. Zudem sollen sämtliche Förderprogramme ausgeschöpft werden. Laut des Rathauses muss alles, was notwendig, wünschenswert und finanzierbar sein soll, in Übereinstimmung gebracht werden.

Wie könnte eine mögliche Streichliste aussehen?
Die Stadt hat mit dem Ältestenrat den Investitionsplan schon mal überarbeitet. Das neue Papier sieht vor, die Kosten für die EDV-Technik an den Schulen zu reduzieren, ebenso die Kosten für die neue Kita und für die Sanierung der alten Kita in Graupa. Auch für Radwege soll es weniger Geld geben, ebenso für die Sanierung des Dohnaischen Platzes und des Knotenpunktes Mockethal. Verschoben werden sollen die Sanierung des Brückenparks, die Stadtgärten auf der Breiten Straße und der Ausbau der S 174 in Neundorf. Gestrichen wird die Straßenbeleuchtung an der Pratzschwitzer Straße, in Niedervogelgesang sowie die Weihnachtsbeleuchtung, auch die Sanierung der Brücke Dietzmühle.

Hat Pirna in den letzten Jahren zu sehr auf Pump gelebt?
Das Rathaus sagt: Nein. 2013 bis 2016 nahm die Stadt gar keine Kredite auf. Vielmehr sei investiert worden, um vorhandenes Vermögen zu erhalten und neues zu schaffen – so, wie gesetzlich gefordert. Pirna sei immer in der Lage gewesen, Schulden abzubauen und zu investieren. Die Stadt geht davon aus, auch für 2019/2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Auch sieht sich Pirna nicht vor einem finanziellen Kollaps – sofern jetzt gehandelt und der Plan überarbeitet wird.