Merken

Wie eine große Familie

Der Schwimmverein ist einer der ältesten in Roßwein. In 120 Jahren gab es Höhen und Tiefen.

Teilen
Folgen
© Dietmar Thomas

Von Elke Braun

Roßwein. Roßwein und der Schwimmsport. Diese Fakten hängen beinahe so eng zusammen wie Chemnitz und das Eiskunstlaufen. Schon seit fast 120 Jahren existiert in der Muldestadt ein Schwimmverein. Am Sonnabend wird das Jubiläum gefeiert. Aktive und ehemalige Sportler kommen zusammen, um an alte und nicht ganz so alte Zeiten zurückzudenken.

„Mit fünf Jahren habe ich mit dem Schwimmen angefangen“, erinnert sich die heute 88-jährige Gertraude Block. Sie wohnte damals mit ihren Eltern in einer Villa schräg gegenüber dem Stadtbad. „Ich habe das Schwimmen noch an einer Angel gelernt. Das war damals so üblich.“ Am Schwimmsport fand sie Gefallen, trat als Schulkind in den Verein ein. „Das war mitten im Krieg. Wir haben dann immer für die gefallenen Schwimmer Schweigeminuten eingelegt“, weiß sie noch heute. Sie nahm oft an Wettkämpfen teil, war auch Kunstspringerin. Da es in Roßwein keinen Sprungturm gab, wurde des Öfteren mal heimlich von der Empore gesprungen. „Ich bin einmal erwischt worden und bekam ein viertel Jahr Badeverbot. Das wurde dann vorn an der Kasse ausgehangen“, sagt Gertraude Block. Ihr größter Erfolg war einmal der Kreismeister-Titel. „Aber das ist nicht so wichtig“, winkt sie ab. Das Schwimmen macht ihr bis heute Spaß. Einmal wöchentlich kommt sie noch immer ins Bad, um 1000 Meter zu schwimmen.

Zu den jüngeren Vereinsmitgliedern zählt Ulrike Richter. Die 35-Jährige kam mit fünf oder sechs Jahren zum Schwimmverein, weil ihre Eltern bereits dort trainierten. Zweimal wöchentlich ging es ins Roßweiner Stadtbad zum Training. Dazu kam noch das Krafttraining einmal pro Woche, und sonntags übte sie mit den Rettungsschwimmern in Döbeln. Gerne denkt sie an die Trainingslager zurück, die regelmäßig durch den Roßweiner Verein organisiert wurden. „Da haben wir auf dem Sportplatz im Vereinshaus übernachtet. Wir waren wie eine große Familie“, sagt sie. Mit ihrem kleinen Sohn Vincent besucht sie derzeit das Babyschwimmen. Und auch der fühlt sich mit seinen reichlich sechs Monaten schon im Wasser pudelwohl.

Doreen Braune (42) kam durch ihre Tochter Lina zum Roßweiner Verein „Ich war eigentlich eine Döbelner Schwimmerin“, sagt sie. Die zehnjährige Lina ist heute aktives Mitglied, während ihre Mutter bei Wettkämpfen dabei ist und organisatorische Aufgaben übernimmt.

Ein guter Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit im Beruf ist für Martin Jahn das Schwimmen. Er war erst nur in der Freizeitgruppe aktiv. Nach dem Hochwasser 2002 begann er mit dem Wettkampf-Sport. „Das ist eigentlich viel zu spät, aber um Siege ging es mir dabei nicht“, sagt er. Das Schwimmen sei einfach ein super Sport. Es gebe ein geringes Verletzungsrisiko und alle Muskelgruppen würden trainiert.

Das findet auch Sven Nestler. Er denkt besonders gern an den Austausch mit dem befreundeten tschechischen Verein aus Jilhava zurück. „Wir sind damals mit einem Barkas und einem Bus hingefahren, waren ungefähr sieben Stunden unterwegs. Zwischendurch war in Theresienstadt Kranzniederlegung. Gewohnt haben wir bei Gastfamilien, und wenn die tschechischen Schwimmer zu uns kamen, haben sie bei unseren Familien übernachtet.“ Nestler verließ 1984 wegen seiner auswärtigen Lehrausbildung den Verein, kam aber sechs Jahre später als Trainer wieder zurück. Heute arbeitet er im Roßweiner Stadtbad als Fachangestellter für Bäderbetriebe und hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

So wie seine Kollegin Liane Patzelt – ein Urgestein des Schwimmsports in Roßwein. Dabei hätte sie selbst nie gedacht, dass sie einmal Trainerin wird. „Ich habe in Roßwein studiert und bin zum Studentenschwimmen gegangen. Dann waren meine Kinder im Schwimmverein und der damalige Trainer hörte von heute auf morgen auf“, erzählt sie. Die Anfrage des Vereins, ob sie nicht eine Gruppe übernehmen wolle, bejahte sie. „Kurz nach den Sommerferien 1990 habe ich angefangen, erst die Rettungsschwimmer- und dann die Trainerausbildung gemacht“. Durch die Schule von Liane Patzelt ist auch Tom Berthold gegangen. Der 18-jährige Etzdorfer schwimmt seit seinem vierten Lebensjahr im Verein. Sein Vater arbeitete bei der Kriminalpolizei und hatte oft mit Badeunfällen zu tun. „Da hat er gesagt: Der Junge muss schwimmen lernen“, erzählt er. So habe er zunächst das Seepferdchen abgelegt. „Die Schwimmlehrer sahen damals schon, dass da noch mehr Potenzial in mir steckt“, so Berthold. Seit 2004 ist er im Verein aktiv. Wie lange noch, ist offen. „Nach dem Abitur werde ich wohl aus der Region weggehen“, erzählt der Gymnasiast.

In 120 Jahren Vereinsgeschichte gab es Höhen und Tiefen. „Mir hat immer die familiäre Atmosphäre hier sehr gut gefallen“, sagt Doreen Braune. Zu den weniger schönen Erinnerungen zählt die Flut 2002, die das Stadtbad zerstörte. „Damals haben wir zum Glück in Wurzen auf einer Bahn den Trainingsbetrieb einmal wöchentlich für zwei Stunden fortsetzen können“, erinnert sich Sven Nestler. Martin Jahn kann sich noch genau an die Wiedereröffnung des Roßweiner Bades im Dezember 2003 erinnern. „Ich war damals bei der Bundeswehr in Leipzig, hatte aber die Hauptrolle im Wassermärchen, das zur Eröffnung gezeigt werden sollte. Ihm wurde die Teilnahme an den Proben ermöglicht, sodass bei der Aufführung alles reibungslos klappte.

Wenn sich am 16. Juni die Roßweiner Schwimmer im Stadtbad treffen, werden viele Erinnerungen geweckt. „Wir gehen natürlich auch ins Wasser“, sagt Liane Patzelt. Wer nicht schwimmen möchte, kann als Zuschauer die Sportler anfeuern. Es gibt einige Spaßwettkämpfe. Außerdem ist eine Überraschung geplant. Abends wird im Gasthof Haßlau noch weiter gefeiert.