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Wenn Teer aus der Erde tropft

In Dresden-Reick entsteht ein Firmenneubau. Dabei stößt der Bauherr auf ein Umweltvergehen. Jetzt muss saniert werden - das wird sehr teuer.

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© Sven Ellger

Von Christoph Springer

Es stinkt zum Himmel an der Gasanstaltstraße. Auch die Nachbarn von Andreas Rudolph haben das bereits bemerkt und sich bei dem Unternehmer beschwert. Stechender Teergeruch waberte von seinem Baugrundstück durch ihre Kleingärten in der Sparte „Güttler-Heim“. Besonders dann, wenn auf der Brache an der Ecke Oskar-Röder-Straße/Gasanstaltstraße Bagger Erde aushoben. Rudolph kennt das Problem seit fast zehn Jahren. Gleich nebenan ist er 2008 mit der Firma Topas in einen zweistöckigen Altbau eingezogen. Seitdem floriert und wächst das Unternehmen. Rudolph hat inzwischen etwa 70 Mitarbeiter. Die Firma entwickelt und baut Geräte, mit denen Schadstoffe aus der Luft gefiltert und die kleinsten Staubkörnchen aufgespürt werden können.

Solch feine Messtechnik ist für das Umweltproblem auf dem Grundstück Gasanstaltstraße 47 nicht nötig. Immer der Nase nach führt der Weg in eine Baugrube, in der das Problem beim ersten Blick zu sehen ist. Eine dickflüssige, schwarze Masse sickert aus der Erde, die zu einem Berg aufgeschichtet ist. Sie klebt am Schuh, tritt man versehentlich in den zähen Brei. Es ist Teer, der aus dem Boden fließt und der dort eigentlich nicht sein sollte. „Es muss festgestellt werden, dass der Boden massiv mit reinem Teer belastet ist“, schreibt Ingenieur Frank Schmidt, ein Pirnaer Fachmann für Umweltschadstoffe, am 17. Juli 2018 in einer Aktennotiz über die aktuellen Funde. „Vermutlich wurden Fässer und zähflüssiges Teer vergraben.“

Als Andreas Rudolph das Grundstück Anfang November 2015 von der Dico-Werk Dresden GmbH gekauft hat, glaubte er zu wissen, worauf er sich einlässt. Einen mittleren sechsstelligen Betrag hat er damals für die reichlich 5 100 Quadratmeter große Brache bezahlt. Dabei verließ er sich auf ein Schreiben des Dresdner Umweltamtes vom Juli 2013. Darin werden der Rückbau, die Entsorgung und die Sanierung des Grundstücks bescheinigt, auf dem fast 80 Jahre lang mit Materialien wie Teer, Asphalt und Bitumen hantiert wurde. Es gebe keine Nutzungseinschränkung als Industrie- und Gewerbefläche, bescheinigt die städtische Behörde darin der Firma Dico. „Ich will da ja auch keinen Kindergarten und kein Biofeld hinbauen“, sagt Rudolph.

Doch auch mit seiner neuen Werkhalle und einem daran angeschlossenen Bürobau geht es nicht so zügig voran, wie sich der Topas-Direktor das vorstellt. Eigentlich wollte er im November in den Neubau einziehen. Jetzt rechnet Rudolph damit, dass das vielleicht im Februar wird. Bei den Erdarbeiten auf dem Grundstück lief plötzlich Teer aus dem Boden. Etwa 30 Zentimeter tief hatte der Bagger gegraben. Die Bauleute mussten pausieren, die Erde wurde abgetragen und entsorgt. Danach durfte weiter gebaggert werden. Und wieder kamen Teerreste ans Tageslicht. Inzwischen kostet allein die Bodensanierung noch einmal so viel, wie Rudolph für das Grundstück zahlen musste. „Der Bauherr trägt das Risiko“, sagt dazu die Stadt und beruft sich auf denselben Sanierungsbericht, der im Juli 2013 Basis für die positive Bewertung des Umweltamts war. Danach wurden dort „alle bekannten Kontaminationsbereiche ... saniert.“ Dass dabei Fehler gemacht wurden, weist die Stadt zurück. „Die Altlastenerkundung bezieht sich immer auf die Anhaltspunkte aus der historischen Recherche und der Anhörung von Zeitzeugen“, erklären die Verantwortlichen des Umweltamts. Dazu kämen Untersuchungen vor Ort und Infos aus weiteren Quellen. „Der Sanierungsumfang war mit dem damaligen Wissensstand korrekt durchgeführt worden.“

Andreas Rudolph ist anderer Ansicht. Zwar bekommt er 80 Prozent der neuen Sanierungskosten von der Landesdirektion Sachsen, etwa 150 000 Euro muss er aber aus eigener Tasche zahlen. Außerdem rechnet er mit bis zu 200 000 Euro zusätzlichen Kosten durch den Bauverzug. Für die Unterstützung der Landesdirektion ist er dankbar. „Die haben sich alle bemüht, keine Behörde hat mir Steine in den Weg gelegt.“ Dennoch ist der Topas-Chef überzeugt: „Die Sanierung war halbherzig oder schlampig. Ich weiß, dass hier irgendjemand Dreck am Stecken hat.“