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Wenn der Schmerz nicht warten kann

Der große Ansturm in der neuen Bereitschaftspraxis im Görlitzer Klinikum ist ausgeblieben. Trotzdem sind alle Seiten zufrieden.

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© pawelsosnowski.com

Von Frank-Uwe Michel

Görlitz. Kommen sie oder kommen sie nicht? „Ich war schon ein bisschen aufgeregt“, sagt Dr. Leonhard Großmann. Er hat seine allgemeinärztliche Praxis eigentlich in der Goethestraße. Im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS) ist er nun aber auch Ärztlicher Leiter der neuen Bereitschaftspraxis im Görlitzer Klinikum. Vergangene Woche ist wie in Niesky, Annaberg, Zschopau, Delitzsch und Eilenburg auch in Görlitz der Startschuss für das neue Behandlungsangebot der KVS gefallen, mit dem Patienten unkomplizierter als bisher an den Wochenenden sowie mittwochs und freitags an einem immer gleichen Punkt Hilfe vom Arzt erhalten können. „Darin sehe ich einen der Vorteile des Systems“, erklärt Großmann. „Bisher gab es oft ein Rätselraten, welcher Arzt denn außerhalb der normalen Sprechzeiten Dienst hat. Das fällt nun weg, denn die Bereitschaftspraxis befindet sich im Städtischen Klinikum und ist über den neuen Haupteingang ganz leicht zu finden.“

Großmann hatte seine Erwartungen am Eröffnungstag ziemlich nach unten geschraubt. „Bis zu zwei Patienten, dachte ich, werden vielleicht kommen.“ Mit letztlich vier Fällen hatte er nicht gerechnet. Natürlich stellten auch die noch keine echte Belastungsprobe für das neue medizinische Angebot dar. Zwei Infekte, eine eitrige Mandelentzündung und einmal Rückenschmerzen – nichts Außergewöhnliches für den Arzt. Und: „Wir behandeln all das, was nicht bis zum nächsten Tag warten kann und auch nicht zur Kategorie Notfall zählt.“

Denn helfen soll die Bereitschaftspraxis vor allem bei der Entlastung der Notfallaufnahmen in den Krankenhäusern, die in der Vergangenheit oft mit Fällen überlastet waren, für die auch die Hilfe vom Hausarzt ausgereicht hätte. „Wer selbst abschätzen kann, dass sein Leiden nicht so schwer und akut ist, der ist in unserer Praxis bestens aufgehoben. Denn in der Notfallaufnahme wird priorisiert. Je weniger schnell ein Fall behandelt werden muss, desto mehr rutscht er nach hinten“, zeigt der Ärztliche Leiter einen weiteren Vorteil der Bereitschaftspraxis auf. In der nach der Erstuntersuchung übrigens entschieden wird, wie weiter verfahren werden soll. „Das kann von der Wiedervorstellung beim Hausarzt bis zur Einweisung in die Klinik reichen. Natürlich kann der Bereitschaftsarzt auch ein Rezept und überbrückende, kurzfristige Krankschreibungen verordnen.“

Die örtliche Verknüpfung mit dem Görlitzer Klinikum findet Leonhard Großmann äußerst sinnvoll. Zum einen habe man kurze Wege und könne die Infrastruktur des Hauses nutzen. Zum anderen lerne man auch die Kollegen besser kennen, denn sämtliche niedergelassenen Haus- und Fachärzte wechseln sich hier künftig mit den Diensten ab. In der Regel seien die Mediziner etwa achtmal im Jahr mit Praxis oder der anderen Flanke des neuen Bereitschaftssystems, dem Fahrdienst, dran. „Wenn die Sache ein paar Wochen läuft, muss man sehen, ob noch Änderungsbedarf besteht.“ Angela Neubeck, die am Freitag als eine der ersten Patientinnen von Dr. Dariusz Chraniuk behandelt wurde, kam aus dem Urlaub und zeigte sich von dem neuen Service überrascht. „Ich finde es gut, dass man hier fachkompetente Betreuung bekommt, ohne als Notfall behandelt zu werden.“ Bernhard Dubielzig erhoffte sich Linderung seiner Schmerzen, war zwar beim Hausarzt, wollte nun aber noch eine weitere Meinung hören.

Wie in Görlitz blieb auch in den anderen neuen Bereitschaftspraxen im Freistaat der vermutete Ansturm aus. KVS-Sprecherin Patrice Fischer machte die Urlaubszeit und das heiße Wetter dafür verantwortlich. Außerdem rechne man damit, dass es etwas Zeit brauche, bis sich die neuen Behandlungsangebote in der Bevölkerung herumgesprochen hätten.

Felix Kurtze von der Presseabteilung des Görlitzer Klinikums wollte sich noch nicht auf eine Einschätzung festlegen lassen, ob die Bereitschaftspraxis zur erhofften Entlastung der Notaufnahme und zur Vermeidung unnötiger stationärer Einweisungen beitragen könne. Die Zeit sei bisher einfach noch zu kurz, um belastbare Daten zu bekommen.

Geöffnet ist die neue Bereitschaftspraxis im Görlitzer Klinikum am Mittwoch und Freitag von 15 bis 19 Uhr, Sonnabend, Sonntag, an Feier- und Brückentagen von 9 bis 13 Uhr und 15 bis 19 Uhr.

Telefonisch erreichbar ist sie unter 116117.