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Wenn der Dino erwacht

Dort, wo jetzt noch tonnenschweren Figuren die Beine angenäht werden, sollen bald Familien staunen. Eine Visite.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Mit Nadel und Faden nähert sich der chinesische Chirurg seinem Patienten. Ganz vorsichtig. So ein gigantisches Urkrokodil sollte man lieber nicht verärgern. Vielleicht weiß es ja nicht, dass Herr Bo es nur gut mit ihm meint. Gerade ist er dabei, dem Räuber ein Vorderbein wieder anzunähen. Mit geschickten Stichen verbindet er die Teile und verklebt die Übergänge zur Sicherheit noch mit Silikonkleber. Operation gelungen, Patient wohlauf. Es ist einer von 60 Dinosauriern, die in diesen Tagen für die Ausstellung „Dino World“ zusammengesetzt und -genäht werden. Bevor die Schau am Samstag in der Zeitenströmung an der Königsbrücker Straße eröffnet wird, gibt es noch viel zu tun.

Überall wird geräumt, gerückt und gestrichen. Dazwischen stehen die meisten Dinos schon bereit. Die Exponate aus Stahlrohren, Schaumstoff und Silikon kamen mit zehn Sattelschleppern direkt aus München, wo die Ausstellung zuletzt 180 000 Besucher anlockte. Allein der 13 Meter lange und zwei Tonnen schwere Spinosaurus brauchte einen Laster für sich – dabei wurde auch er in Einzelteile zerlegt. Nur wenig kleiner und noch einmal furchteinflößender ist der T-Rex, der gemeinsam mit seinem Nachwuchs natürlich zu den beliebtesten Fotomotiven gehört.

Viele Dinos bewegen sich schon und brüllen. Die Technik versteckt sich hinter ihnen in hohlen Felsen. „Kann der Patient mal ausgeschaltet werden“, ruft ein Arbeiter von einem Hubwagen herab. Er kommt nicht durch den Gang, weil der majestätische Herrerasaurus ständig neugierig seinen Kopf zu ihm herumdreht. Er ist einer der ältesten Dinosaurier und lebte vor mehr als 200 Millionen Jahren auf der Erde. Ein bisschen Respekt kann er da doch wohl erwarten. Ausgeschaltet wird er trotzdem.

Ein paar Meter weiter wartet ein mit drei Metern Länge vergleichsweise kleiner Saurier namens Minmi noch auf Hilfe. Der einst im heutigen Australien lebende Panzerträger hat einen Zettel auf der Stirn kleben: „Lüfter sehr laut, Augenlider müssen repariert werden.“ Sicher wird sich bald ein Chirurg um ihn kümmern. Die beiden Dinosaurierbauer wurden eigens von der chinesischen Herstellerfirma nach Dresden geschickt, um hier die Dinos wieder flottzumachen. Die Produzenten der Ausstellung kommen wiederum aus den USA und schauen, dass jedes Exponat den Platz erhält, den es verdient.

Leiten wird die Ausstellung in Dresden aber ein Dresdner, der 27-jährige Tom Scheppat. Der wollte als Kind tatsächlich mal Paläontologe werden, wie er sagt, studierte dann aber Mathematik. Über Studentenjobs erarbeitete er sich in den vergangenen Jahren einen gut Ruf in der Ausstellungswelt und hält nun erstmals alle Fäden in den Händen. „Ich werde hier früh der Erste und abends der Letzte sein“, sagt er. Besonders freue er sich, dass die Ausstellung mit ihrer Station in Dresden um einiges kinderfreundlicher geworden ist. Erstmals gibt es nun Dinos zum Reiten, einen Baumstammweg, große Rohre zum Durchklettern und Fühlboxen, unter anderem mit einem echten versteinerten Dinosaurier-Ei. Aber auch die Exponate selbst dürften die Kleinen begeistern, denn Anfassen ist hier ausdrücklich erlaubt. „Wir weisen nur gern darauf hin, dass die Dinos so behandelt werden sollten, wie man auch ein Haustier behandeln würde“, sagt Scheppat. Sicherheitshalber werden die Chinesen eine Kiste mit Ersatzteilen dalassen, falls doch mal ein Zahn ersetzt werden muss.

Jetzt gilt es aber erst einmal, im Zeitplan zu bleiben, denn der ist knapp. „Zwei Wochen Aufbauzeit sind schon sportlich“, sagt Scheppat. „Die Halle hier ist sehr schmal und lang. Da kann man sich schnell Laufwege verbauen, wenn man das nicht gut koordiniert.“ Insgesamt 40 Leute sind für die Dino-World mit Aufbau und Verwaltung beschäftigt.

Für den Beobachter mag das Gewusel ziemlich chaotisch wirken, aber jeder weiß, was er zu tun hat, damit ab Samstag die perfekte Illusion einer Zeit präsentiert werden kann, die vor 66 Millionen Jahren endete.

Vom 29. September bis 3. Februar ist die „Dino World“ im Kulturquartier Zeitenströmung zu erleben. Erwachsene zahlen 14,90 Euro, Kinder 11,90 Euro.