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Weltmeister im Stöckchenwerfen

Mit seinem Team hat der Dresdner Christian Groth schon zweimal die Kubb-WM gewonnen. In Schweden will er den Titel verteidigen.

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© Christian Juppe

Von Anna Hoben

Er sieht nicht unbedingt so aus, wie man sich einen Wikinger vorstellt. Christian Groth ist groß, schlaksig und hat fast immer ein Lächeln im Gesicht, außer wenn er sich sehr konzentriert. Der 26-jährige Dresdner ist amtierender Weltmeister im Wikingerschach, pardon: im Kubb, so die professionelle Bezeichnung. An diesem Wochenende will er in Schweden den Titel verteidigen. Auf der Insel Gotland findet das Turnier statt, zum 21. Mal.

Wer in diesem Sommer durch Dresden spaziert, sieht sie an der Elbe, im Alaunpark und auf anderen Grünflächen: Menschen, die mit runden Hölzern versuchen, eckige Hölzer umzuwerfen. Sie spielen Kubb, ein Geschicklichkeitsspiel mit strategischen Elementen. In den vergangenen Jahren ist es in Deutschland immer beliebter geworden. Seinen Ursprung hat es in Schweden. Schon die Wikinger sollen es gespielt haben, mit Baumstämmen.

Das schwedische Wort für Klotz ist Kubb. Das Prinzip des Spiels ist einfach. Es symbolisiert eine Schlacht, in der zwei verfeindete Gruppen für ihren König kämpfen. Zwei Mannschaften, je bis zu sechs Personen, treten gegeneinander an. Die Spieler versuchen, die Holzklötze der Gegenpartei mit Wurfhölzern umzuwerfen. In der Mitte des Felds steht der König, er muss zuletzt getroffen werden. Sieger ist, wer zuerst alle Klötze der Gegner und den König abgeräumt hat. Es handelt sich also im Prinzip um vereinfachtes Schach.

Die Schweden haben sich für das Spiel, das auf der Idee einer kriegerischen Schlacht beruht, den schönen Satz ausgedacht: „Kubb unites people and brings peace on earth“, Kubb bringt die Menschen zusammen und Frieden auf Erden.

Sein erstes Spiel machte Christian Groth vor acht Jahren. Damals lebte er noch in Rostock. Seine Tante feierte Geburtstag, kurz zuvor hatte sie aus dem Urlaub in Schweden ein Kubb-Set mitgebracht. Auch ein Schulfreund tauchte plötzlich damit auf. Am Rostocker Stadthafen bildete sich eine Szene. „Ein Jahr später spielten wir die ersten Turniere.“

Querschießen verboten

Als Groth vor sechs Jahren zum Studium nach Dresden kam, wusste hier noch kaum jemand, was Kubb ist. „Damals waren wir schon irgendwie eine Attraktion“, erinnert sich der angehende Mathe- und Physiklehrer. Wenn er mit seinen Freunden am Wohnheim oder an der Elbe spielte, wurden sie regelmäßig angesprochen. Wenn sie zum Entspannen im Alaunpark saßen, bauten sie ein oder zwei Felder auf. Fünf mal acht Meter groß ist das Viereck. Es gibt ein paar universelle Regeln, so muss das Wurfholz zum Beispiel von unten geworfen werden und darf nur in eine Richtung rotieren. Quer oder von oben werfen ist nicht erlaubt. Vor einem Jahr wurde der Deutsche Kubb-Bund e.V. gegründet, der ein unverbindliches Regelwerk aufgestellt hat. Am Ende entscheidet jedoch der Veranstalter des jeweiligen Turniers.

Ende April, Anfang Mai fängt die Saison an, sie dauert bis zum August. Ungefähr zwei Turniere pro Monat spielt Christian Groth im Sommer, in Berlin genauso wie in Jena oder dem 600-Einwohner-Dorf Schindhard in Rheinland-Pfalz, wo sich ein regelrechter Kubb-Kult entwickelt hat. Dass er vor zwei Jahren zum ersten Mal zur Weltmeisterschaft nach Schweden fuhr, war Zufall. Ein Freund, der sonst im Team Kubb’Ings spielte, konnte wegen einer Uni-Prüfung nicht. Groth sprang kurzfristig ein – und wurde prompt Weltmeister. Das wurmte den Freund natürlich ein bisschen, doch er nahm es mit Humor.

Es war das erste Mal, dass eine deutsche Mannschaft als Sieger aus dem Turnier hervorging. Bis dahin hatten die Schweden jede Meisterschaft gewonnen, bis auf eine, da siegten die norwegischen Nachbarn. Traten beim ersten Mal noch 28 Teams an, waren es letztes Jahr 181. Groth und sein Team setzten sich durch und verteidigten ihren Titel. Auf das T-Shirt des Ruckzuck-Kubb-Kaputt-Clubs, in dem Groth normalerweise spielt, hat er zwei Sterne aufnähen lassen. Läuft es dieses Jahr wieder so gut, wäre es der dritte Sieg in Folge.

Wie macht man das? Tipps habe er eigentlich keine, sagt Christian Groth und lacht. „Üben, üben, üben.“ Es gibt verschiedene Techniken, von denen sich keine besonders durchgesetzt hat, manche werfen hart, andere eher lasch. Es gibt Rituale, regelrechte Choreografien, manche wackeln, manche berühren erst den Boden, andere halten den Stab ganz hoch. Seine eigenen Ticks: Er spielt am liebsten barfuß, „damit ich geerdet bin“. Früher wippte er vor dem Werfen auf den Zehen. Das hat er sich inzwischen abgewöhnt, aber er braucht immer noch lang, bis er anfängt. Erst die Konzentration, dann der Wurf. Seine Spezialität sind Entfernungen von etwa fünf Metern. „Auf die kurze Distanz bin ich treffsicher.“ Die acht Meter überlässt er lieber anderen. Trainieren muss er inzwischen nicht mehr, die Turniere sind sein Training. Was sie noch sind: eine große Party, mit Zelten und Festivalstimmung. Man trifft alte Freunde und macht neue Bekanntschaften. 2014 war bei der WM zum ersten Mal ein US-amerikanisches Team dabei. Die Bedingungen sind luxuriös, auf einem raspelkurzen Rasen reihen sich 32 Spielfelder aneinander, zum Finale schauen 300 Menschen zu. „Wenn die alle meinen Namen rufen, macht mich das ganz schön nervös, aber wenn ich dann treffe, das ist ein tolles Gefühl.“

Nach den Turnierspielen wird inoffiziell weitergespielt, manchmal mit Flutlichtern bis tief in die Nacht. Gut, dass es bei der Weltmeisterschaft genügend Spielmaterial gibt, denn ein eigenes Set hat Christian Groth noch nie besessen.