Merken

Weichen für Niesky gestellt

Für Ray Wiesner endet die Zeit auf dem Stellwerk der Stadt. Dafür entsteht am Bahnhof etwas Neues.

Teilen
Folgen
© André Schulze

Von Katja Schlenker

Niesky. Mit aller Kraft drückt Ray Wiesner den Hebel nach unten. Auf dem Gleis unterhalb des Fensters im Nieskyer Stellwerk schiebt sich die Weiche langsam zur Seite. Als Gegengewicht zum Hebel hängen eine Etage tiefer unter Ray Wiesners Füßen 75 Kilo. Von dort aus führen auch zahlreiche Kabelstränge unterirdisch zu den einzelnen Weichen. Ein ausgeklügeltes System. Aber die Weichen müssen erst mal bewegt werden. Mit Hilfe der Flaschenzüge im Stellwerk geht das. Seit dem Jahr 1908 gibt es die Anlage am Nieskyer Bahnhof. „Sie ist sehr zuverlässig“, sagt Heike Heinrich, Bezirksleiterin im Bereich Betrieb bei der DB Netz AG.

Für den Raum Ostsachen ist die Frau zuständig und regelmäßig zwischen Hoyerswerda und der polnischen Grenze unterwegs. Doch dort verändert sich momentan einiges. Die Moderne hält Einzug. Im Zuge des Ausbaus der Niederschlesischen Magistrale werden die mechanischen Stellwerke auf elektronische umgerüstet, die aus der Ferne gesteuert werden können. Das passiert auch mit einem weinenden Auge. Denn zum einen geht dadurch ein Stück Geschichte verloren. Zum anderen müssen sich zahlreiche Mitarbeiter eine neue Aufgabe suchen. Einer davon ist Ray Wiesner.

Seit seiner Lehre zum Facharbeiter für Eisenbahnbetrieb im Jahr 1986 arbeitet der heute 47-Jährige bei der Deutschen Bahn. In Schirgiswalde hat er gelernt, die praktische Ausbildung im Bahnhof Löbau gemacht. Dort hat er 2006 schon einmal seine letzte Schicht im Stellwerk gehabt als Fahrdienstleiter. Auch in Zittau hat er bereits gearbeitet. „Dort war richtig Betrieb“, sagt der Familienvater. „Jeder Tag ist dann anders und abwechslungsreich.“

Seit 2006 ist er nun in Niesky im Stellwerk, wo es ruhiger zugeht. Am 29. August wird er dort wieder seine letzte Schicht haben. Dann erreicht der Ausbau der Niederschlesischen Magistrale endgültig Niesky. Als letzter Abschnitt wird der Bereich zwischen der Brücke an der Bundesstraße 115 und dem Bahnhof in Horka gebaut. Die beiden Stellwerke werden dann für alle Zeit außer Betrieb genommen und abgerissen, erklärt Projektleiter Ulrich Mölke. Das betrifft sowohl das Gebäude am Bahnübergang Muskauer Straße, als auch das Stellwerk am Abzweig Särichen. Dort teilen sich derzeit zwei Frauen den Dienst.

Wohin die Mitarbeiter dann wechseln, ist noch offen. Auf jeden Fall werden sie aber bei der Deutschen Bahn bleiben, erklärt Heike Heinrich. „Wir müssen mal schauen, wie wir die Mitarbeiter unterbringen, wahrscheinlich bekommen sie ihre neuen Arbeitsplätze in Hoyerswerda.“ Das bedeutet dann zwar einen langen Arbeitsweg für Ray Wiesner, der aus der Nähe von Löbau kommt. Aber er arbeitet dennoch gerne bei der Bahn. „Der große Vorteil ist, dass ich nie arbeitslos gewesen bin und immer pünktlich mein Geld bekommen habe“, sagt er.

Außerdem werden zunehmend auch junge Leute gesucht, die eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn machen wollen. Vor allem die Lausitz spielt da eine wichtige Rolle. Und auch Niesky. Denn dort gibt es mit der WBN Waggonbau Niesky GmbH einen der größten Arbeitgeber in der Region. Und der stellt Waggons für Bahnunternehmen her und ist folglich auf Schienen angewiesen. Auch bei der Stahl- und Brückenbau Niesky GmbH ist das ähnlich. Der Waggonbau hat sogar einen eigenen Anschluss an die Gleise im Nieskyer Bahnhof. „Wir wollen was tun für die Lausitz“, sagt Heike Heinrich. „Damit junge Leute hierbleiben können.“

Etwas anderes zu machen als im Stellwerk zu arbeiten, kann sich Ray Wiesner nicht vorstellen. So einfach ist es auch nicht, innerhalb des Unternehmens zu wechseln. Denn die einzelnen Arbeitsplätze brauchen völlig unterschiedliche Ausbildungen. „Die Mitarbeiter müssen sich umorientieren“, sagt Heike Heinrich. Zwölf Stellwerke hat sie bereits geschlossen entlang der Magistrale – drei in Klitten, jeweils zwei in Knappenrode, Uhyst, Mücka und Horka sowie eins in Lohsa. Nach August kommen zwei in Niesky und das am Abzweig Särichen hinzu.