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Wegen Mobbings aufgegeben

Ingeburg Zimmermann hat mehr als 40 Jahre im Rathaus gearbeitet. Ihre letzten Wochen dort waren eine Tortur. Brigitte Schreier erging es ähnlich.

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© André Braun

Von Heike Heisig

Leisnig. Wenn Ingeburg Zimmermann in der Stadt unterwegs ist, wird sie häufig angesprochen. Lange habe man sie nicht mehr im Rathaus gesehen, sagen die Leute der ehemaligen Leisniger Standesbeamtin. Sie ist jetzt – nach genau 30 Jahren in dieser Position – arbeitslos. Angefangen hatte Ingeburg Zimmermann beim damaligen Rat der Stadt Leisnig 1977 in der Abteilung für Handel und Versorgung.

Die letzten Jahre, gibt Ingeburg Zimmermann zu, fehlte sie krankheitsbedingt längere Zeit. 2015 musste sie sich drei Augenoperationen unterziehen. Ab vergangenem September konnte sie wegen Schulterproblemen nicht mehr zum Dienst kommen. Als sie sich im Frühjahr 2018 zurückmeldete, durfte sie nicht an ihren Arbeitsplatz im Standesamt zurück. „Ich durfte keinen Kontakt zum Publikum mehr haben, keine Urkunden ausstellen, niemanden beraten. Zugleich wurde aber zunächst verlangt, dass ich in einer Woche im Sommer, in der die übrigen beiden Standesbeamtinnen zeitgleich Urlaub hatten, sechs Trauungen vornehme“, erzählt Ingeburg Zimmermann Kopf schüttelnd.

Mehr als 1100 Paare getraut

Ihrem Verlangen, wieder als gleichberechtigte Standesbeamtin eingesetzt zu werden, wurde nicht stattgegeben. Selbst in der Gerichtsverhandlung habe sie nicht erfahren, was ihr im Detail vorgeworfen wird. „Es war nur allgemein von Fehlern die Rede, die zum Nachteil der Stadt hätten führen können“, so die Leisnigerin. Sie ist schlichtweg enttäuscht, wie mit ihr nach so vielen Jahren im Dienst der Kommune umgegangen worden ist und dass es keinen Weg gegeben habe, die angeblichen Fehler anzusprechen und abzustellen.

Ein Jahr vor der Rente ist Ingeburg Zimmermann mit 64 jetzt arbeitslos. Das Kapitel Rathaus abzuschließen, fällt ihr wegen der Unstimmigkeiten schwerer, als wenn sie 2019 ohne Querelen in den Ruhestand gegangen wäre. „Ich habe meine Arbeit immer gern gemacht, junge Kollegen eingearbeitet, Praktikanten angeleitet“, schildert sie. Mehr als 1 100 Paaren habe sie das Eheversprechen abgenommen. „Schön ist immer noch, wenn ich das eine oder andere Paar nach langer Zeit treffe und es immer noch glücklich ist.“ Zufriedene „Kunden“ seien immer der schönste Lohn gewesen.

Auch Bürgermeister Tobias Goth (CDU) hat sich von Ingeburg Zimmermann trauen lassen. „Ich persönlich finde es schade, wie das Dienstverhältnis zu Ende gegangen ist“, sagt er dem DA auf Anfrage. Er bescheinigt der ehemaligen Standesbeamtin ein fehlerfreies Arbeiten über viele Jahre. Erst zuletzt hätten sich hier und da Fehler eingeschlichen. Er könne sich vorstellen, dass dies auch krankheitsbedingte Ursachen gehabt haben könnte. Als Beispiel für einen Fehler, der der Kommune Ärger einbringen könnte, nennt der Bürgermeister einen falsch eingetragenen beziehungsweise beurkundeten Namen. Abgemahnt hat die Stadt Ingeburg Zimmermann nicht.

Ständig nur Fehler gesucht

Brigitte Schreier kann die Enttäuschung ihrer ehemaligen Kollegin gut nachvollziehen. Ihr ist es vor ein paar Jahren ähnlich ergangen. Sie fing im Januar 1985 bei der Stadt Leisnig an. Bis zur Jahrhundertflut 2002 leitete sie die Stadtgärtnerei und übernahm die Vertretung für den Bauhofchef – auch in den Hochwassertagen. In dieser Zeit koordinierte sie sämtliche Fluteinsätze des Bauhofteams. Das imponierte dem damaligen Bürgermeister Heiner Stephan, der daraufhin auf das Organisationstalent von Brigitte Schreier nicht mehr verzichten wollte und sie fortan als Bauhofleiterin einsetzte. Lange Zeit lief das gut. 2011 bekam Brigitte Schreier zu hören, „dass der Bauhof auf der Führungsebene unrentabel arbeitet. Danach hatte ich dann den Eindruck, dass nach Fehlern gesucht wird“, erzählt die heute 66-Jährige und nennt zwei Beispiele dafür. Ihr Vorgesetzter forderte eine Erklärung für „das schlampige Hinterlassen öffentlicher Räume“. Das gefaxte „Beweisfoto“ – ein großer schwarzer Fleck – bedarf der Erklärung. „Dies ist die Stadtpyramide an der Kirchstraße, die im Fuß mit Reisig abgedeckt ist. Das jedoch konnten wir an jenem Tag mit Frost- und Tau-wetter einfach nicht entfernen“, begründet Brigitte Schreier. Sie musste sich weiterhin für einen unzureichenden Winterdienst verantworten, der mit alten Fahrzeugen und kaputter Technik schlichtweg nicht abzusichern war.

Bei einem Gespräch mit Vorgesetzten wird der damaligen Bauhofchefin verweigert, einen Vertreter des Personalrates (PR) hinzuzuziehen. „Dies wurde rigoros verboten“, steht im Protokoll dieses Gespräches vom 10. Juni 2011, das dem DA vorliegt. Weiter heißt es darin: „Wenn dieses Gespräch nicht ohne jemand vom PR stattfinden kann, würde Frau Schreier gekündigt werden.“

Als immer mehr zusammenkommt, weiß sich Brigitte Schreier keinen anderen Rat und schaltet einen Anwalt ein. Am Ende wird Brigitte Schreier bis zum Ruhestand entsprechend ihrer bisherigen Tätigkeit bezahlt, sucht sich aber selbst Arbeit, klopft an jedem Büro im Rathaus an. Als Vollzugsbedienstete wollte sie nicht unterwegs sein. Das wäre die Alternative gewesen.

Indes genießt die ehemalige Bauhofchefin ihren Ruhestand. Auf einen offiziellen Abschied hat sie damals wie Ingeburg Zimmermann jetzt verzichtet. „So, wie mit uns umgegangen worden ist...“, begründen beide. Als Rentnerin geht Brigitte Schreier nun wieder häufiger ins Rathaus. Denn als berufene Bürgerin berät sie die Mitglieder des Technischen Ausschusses. „Das tue ich für die Leute in Leisnig. Zu denen hatte ich immer ein gutes Verhältnis und viel Rückhalt im Kollegenkreis“, sagt sie.