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Wegen der Schüssel haben sie den Salat

Mieter im Dresdner Stadtteil Prohlis sollen ihre Satellitenanlagen abbauen, obwohl viele eigentlich eine Erlaubnis dafür haben.

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© René Meinig

Von Klemens Deider

Was da plötzlich in Prohliser Briefkästen steckte, ist so eindeutig wie ärgerlich. Viele Mieter sind nun verunsichert. In einem Brief hat sie der Großvermieter Deutsche Wohnen aufgefordert, bis zum 11. Juni ihre Satellitenanlagen abzubauen. Andernfalls drohten „weitere mietrechtliche Schritte“. Mitte Mai hatte auch Angelika Adler das Schreiben erhalten. Sie empfängt ihr Fernsehsignal seit zehn Jahren über die Satellitenschüssel auf ihrem Balkon. Seit zehn Jahren hängt diese dort, nun soll sie plötzlich weg.

Auch Frank-Norbert Schöne ist einer der Mieter, die in den 1 900 Wohnungen der Deutsche Wohnen leben. Er ist der Vorsitzende vom Mieterbeirat Prohlis-Ost und damit Ansprechpartner und Interessenvertreter der Mieter in den ehemaligen Genossenschaftswohnungen. Viele haben ihn deswegen angesprochen; unsicher, ob sie ihre Schüssel abbauen oder in Widerspruch gehen sollen. Denn im Schreiben lässt die Deutsche Wohnen eine Hintertür für die Betroffenen offen: Sie müssen nachweisen, dass ihnen ein vorheriger Vermieter das Anbringen erlaubt hat. Frank-Norbert Schöne ärgert, dass die Deutsche Wohnen nicht im Vorfeld mit dem Mieterbeirat gesprochen hat, um mögliche Probleme zu klären.

„Es gibt nicht viele Mieter, die eine schriftliche Bestätigung für das Anbringen haben“, sagt Katrin Kroupova. Sie ist Juristin und Rechtsberaterin im Mieterverein Dresden. Ohne Schriftstück dürfte es vielen schwerfallen, eine Erlaubnis nachzuweisen. Eine Nachfrage beim Vermieter Deutsche Wohnen bestätigt das. „Uns ist für eine Wohnung die Erlaubnis vom Vorvermieter bekannt“, sagt deren Sprecher Marko Rosteck.

Die Wohnungen gehörten zu DDR-Zeiten der Wohnungsgenossenschaft Glückauf. So wie Angelika Adler und Frank-Norbert Schöne, die seit 40 Jahren hier wohnen, gibt es viele langjährige Mieter. 1986 wurde auch mithilfe der Mieter eine Satellitenanlage auf einem Hochhaus errichtet, über dessen Kabel die Genossenschaftler ihre Fernsehsignale bezogen. Im Jahr 2000 verkaufte die Genossenschaft alle Wohnungen an ein Privatunternehmen. Der vorher für die Mieter in Aussicht gestellte Kauf der eigenen Wohnung war plötzlich vom Tisch. Die Bewohner fühlten sich übergangen, auch, weil viele in der Zwischenzeit in ihre Wohnung investiert hatten, etwa in neue Elektroleitungen oder Bäder. Als Reaktion auf die Privatisierung gründete sich der Mieterbeirat.

Die gemeinschaftliche Satellitenanlage ging in den Besitz vom Netzbetreiber Tele Columbus über, der für die Mieter mit Altverträgen vergünstigte monatliche Zahlungen für den Kabelzugang verlangte. Im Jahr 2008 erhöhte Tele Columbus für die Altmieter die Kabelbeiträge um etwa ein Drittel. Da das Unternehmen keinen Widerspruch akzeptierte, kündigte es vielen Mietern, die nicht einverstanden waren. Auch Angelika Adler bekam die Kündigung. Noch im selben Jahr installierte sie ihre Satellitenschüssel. Viele andere taten es ihr gleich. Auf den Balkonen schauten immer mehr Schüsseln hervor. Das habe jetzt den Vermieter Deutsche Wohnen dazu veranlasst, die Schüsselnutzung zu verbieten – wegen der Optik und der Gefahr, dass angeschraubte Schüsseln abfallen könnten. „In all unseren Beständen befürworten wir das nicht, wenn es überhand nimmt. Es wurde in Prohlis immer mehr in letzter Zeit“, sagt Marko Rosteck von der Deutsche Wohnen, die seit November 2013 Eigentümer ist.

Ein Mieter, der seit 1978 dort wohnt und seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte vor über zehn Jahren beim damaligen Vermieter um Erlaubnis gebeten. „Sie wurde vor meinen Augen im Computer eingetragen“, sagt er. „Die Bedingungen waren: nicht in die Dämmung bohren, nicht über den Balkon hinaus ragend und nicht groß sichtbar von der Straße“, so der Mieter. Eine schriftliche Bestätigung für den Eintrag gab es nicht. Er versucht jetzt, sich mit dem Vermieter zu einigen.

Eine individuelle Prüfung hätte auch Katrin Kroupova vom Mieterverein erwartet. Sie stört vor allem das Gießkannenprinzip, mit dem über alle Mieter Briefe verteilt wurden. So etwas in dieser geballten Form habe sie in Dresden noch nicht erlebt. Die Mieter können laut Schreiben ihr Fernsehprogramm künftig über den Kabelanbieter Tele Columbus, jetzt unter dem Namen PŸUR, für zehn Euro pro Monat oder über das Internet empfangen. Zudem können mit einer DVB-T2-Zimmerantenne öffentlich-rechtliche Sender empfangen werden. Private kosten knapp sechs Euro monatlich.

An einer Stelle zeigt sich der Vermieter dann doch kulant. „Während der Weltmeisterschaft werden wir das nicht mit vollem Nachdruck verfolgen“, sagt Rosteck. Mit welchen Konsequenzen die Mieter danach rechnen müssen, konnte er noch nicht sagen.