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Wegen Crystal in den Knast

Ronny und Dennis kamen wegen Drogen auf die schiefe Bahn. Heute sitzen sie in Zeithain ein – und wollen mit ihren Geschichten Schüler aufrütteln.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Stefan Lehmann

Riesa. Als Ronny im Kaufland klauen geht, ist er mal wieder richtig zugedröhnt. Barfuß und mit freiem Oberkörper marschiert er in den Markt, greift sich einige Elektrogeräte und steigt über die Absperrung an der Kasse. Als die Ladendetektive ihn festhalten wollen, ergreift er die Flucht. „Ich wäre wohl auch davongekommen“, sagt Ronny dann. „Aber dann fiel mir ein: Fahrrad vergessen. Dumm, kann mal passieren.“ Einen Monat später stehen neun Polizisten vor Ronnys Tür. „Danach ging’s nach Zeithain.“

Der 32-Jährige erzählt seine Geschichte locker, manchmal etwas flapsig, immer ohne den mahnenden Zeigefinger. Der Saal vor ihm ist voll. Alle 7. und 8. Klassen der Stadt haben sich im Stern getroffen, für einen Tag zum Thema Drogen. Gemeinsam mit Dennis, einem weiteren Häftling, erzählt Ronny, wie und warum er abhängig wurde – und wie mit der Sucht der stetige Abstieg in die Kriminalität begann.

Was beide Geschichten gleichermaßen zeigen: Den ganz typischen Werdegang gibt es nicht. „Ich hatte eigentlich eine relativ gute Kindheit“, sagt Ronny. Viel Quatsch habe er gemacht, auch öfter mal Schläge von der Mutter kassiert. Doch die Drogengeschichte beginnt erst viel später. Ronny, geboren und aufgewachsen in Freiberg, ist sportlich, kommt in eine Sportklasse, geht nach Rostock, ist erfolgreicher Leichtathlet. „Dann gab es einen kleinen Rückschlag.“ Der Traum von der Lehrstelle in einem Autohaus platzt. Ein anderer mit besseren Beziehungen zum Chef des Unternehmens habe die Stelle gekriegt. Ronny geht zurück nach Freiberg, beginnt mit 18 eine Bergmannsausbildung – und fängt an, Crystal zu nehmen. „Ich hatte das Gefühl, nicht genug Leistung zu bringen“, sagt er und verweist auf den Leistungsgedanken, der ihm als Sportler eingetrichtert wurde. Mit dem Stoff kann Ronny von früh bis Mittag durcharbeiten. „Ich kann damit gut leben, dachte ich.“ Mit 13 Jahren Abstand sehe er das anders. Er erzählt von Freunden, denen er für die Disco zusagt, nur um sich dann im Klein-Klein zu verlieren. „Als der Freund früh um fünf von der Disco wiederkam, hatte ich mein Fahrrad zerlegt und die Wohnung aufgeräumt.“ Nur das, was er eigentlich vorgehabt hatte, habe er nicht geschafft. Manchmal sei er sieben Tage am Stück wach gewesen. Danach war zwei Tage durchgängig Schlafen angesagt gewesen. „Und zwar so richtig, da ging es höchstens mal aufs Klo.“

Um seinen Drogenkonsum zu finanzieren, verkauft Ronny selbst. Zu den schlimmsten Zeiten verbraucht er bis zu vier Gramm am Tag. Den Stoff holt er sich relativ günstig in Tschechien, trotzdem kosten ihn allein die Drogen weit mehr als 6 000 Euro im Monat. Im Rausch begeht Ronny eine Straftat nach der anderen. Schlägereien seien sein neuer Sport geworden, sagt er. Er schließt sich einer Bande an, die in der Region Einbruch um Einbruch begeht. Nach einer Brandstiftung in Freiberg wird Ronny verpfiffen, kommt erstmals in den Knast – und konsumiert dort weiter. Nach der Entlassung geht es nahtlos weiter; dann folgt die Sache im Kaufland. Kurz zuvor hat Ronny noch zwei Leute zusammengeschlagen.

Nun ist er wie der 30-jährige Dennis in der Suchttherapie der JVA Zeithain. Der Tag ist straff durchorganisiert, zur Therapie gehören verschiedene Angebote vom Gärtnern, Nähen und Yoga bis hin zu Meditation. Es sei schon ein großes Glück, auf der Therapiestation zu sein, sagt Ronny. Er war nun schon in mehreren Schulen und hat von seinen Erfahrungen berichtet. Nicht, um zu moralisieren. Sondern um zu zeigen, wo die Sucht schlimmstenfalls hinführen kann. „Ich mache die Therapie für meine beiden Kinder“, sagt Dennis, der schon mit 14 anfing, Drogen zu verkaufen, stahl, einbrach und Raubüberfälle beging. „Aber ich mache sie eben auch für mich. Um etwas zu machen aus meinem Leben.“