Merken

Weder Zweck noch weg

Studenten aus Eberswalde schlagen vor, was mit der Industriebrache Thermoplast in Neugersdorf passieren könnte.

Teilen
Folgen
© Matthias Weber

Von Gabriela Lachnit

Ebersbach-Neugersdorf ist noch immer reich – an Industriebrachen. Eine davon ist das ehemalige Thermoplast-Werk in Neugersdorf an der Breitscheid-Straße. Seit 1997 die Thermoplast Verwertungsgesellschaft Insolvenz anmelden musste und alle Maschinen zwangsversteigert wurden, steht das Gebäude leer und ist dem Verfall preisgegeben. Es ist jetzt herrenlos.

Alternative 1 – Denk-mal-anders
Alternative 1 – Denk-mal-anders © Jürgen Blankenhagen
Alternative 2 – Galerie des Wandels
Alternative 2 – Galerie des Wandels © Jürgen Blankenhagen
Alternative 3 – Blühendes Gemäuer.
Alternative 3 – Blühendes Gemäuer. © Jürgen Blankenhagen

Zumindest in Visionen ist es nun wiederbelebt worden. Studenten der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE) haben sich mit der Industriebrache beschäftigt. Eher zufällig kamen sie auf dieses Objekt, als sie privat mit dem Gründerzeiten-Verein Neugersdorf zu tun hatten. Der Verein will die ehemalige Fabrik „Lina Koch“ beleben. In unmittelbarer Nähe steht die alte Thermoplastfabrik. „Nach Diskussionen zum bisherigen und künftigen Umgang mit Leerstand in der Stadt kam die Frage auf, ob man die Thermoplastfabrik beleben könnte, und wenn ja, wie“, erzählt Elisabeth Apel-Isbarn, eine der Studentinnen der HNE. Dann gab es mehrere Gespräche mit der Stadt, bei denen deutlich wurde, dass Interesse an neuen Ideen für den alternativen Umgang mit Industriebrachen vorhanden ist. Also haben die Studenten ein Konzept erarbeitet. Sie zeigen darin auf, welche Alternativen möglich sind zu Abriss und Sanierung der alten Fabrik. „Weder Zweck noch weg“, so der Titel ihrer Visionen. Die haben die Studenten bereits dem Stadtrat Ebersbach-Neugersdorf vorgestellt. Bürgermeisterin Verena Hergenröder (parteilos) fand die studentischen Ansätze sehr interessant. Alle drei Vorschläge hätten etwas „Schickes“, wie sie es formulierte. Sie drückte ihre Hoffnung aus, dass sich vielleicht einmal jemand findet, der für das herrenlose Grundstück Verantwortung über- und Geld in die Hand nimmt. „Auf jeden Fall muss man sich damit beschäftigen, die Visionen und die Machbarkeit abwägen“, hatte die Bürgermeisterin im Stadtrat gesagt. Für das Gremium waren die alternativen Ausarbeitungen der Studenten eine neue Sichtweise auf die Frage „Was geht außer grüne Wiese?“ Drei Vorschläge für die Thermoplast-Fabrik haben die Studenten erarbeitet.

Alternative 1 Denk-mal-anders

Dabei soll die Kubatur des denkmalgeschützten Haupthauses erhalten bleiben. Es wird entkernt, Fensterglas und Decken werden entfernt und abgerissen. Übrig bleibt das tragende Skelett. Das Haus soll nicht begehbar sein. Potenziale sehen die Studenten hier zum Beispiel im Naturschutz. Das Haus könne mit Fledermauskästen und Nisthilfen den Artenschutz fördern und außerdem zur geplanten Entwicklung des Blattbinderquartieres beitragen. Knapp 1,3 Millionen Euro würde das kosten, haben die Studenten errechnet. Reichlich zwei Millionen Euro würde der Abbruch aller Objekte mit der Wiederherstellung der Bebaubarkeit des Thermoplast-Grundstücks kosten.

Alternative 2 Galerie des Wandels

Hier soll das Hauptgebäude zum Großteil abgerissen werden. Keller, Bodenplatte und wenige Teile der Wände des Erdgeschosses bleiben erhalten. Verzierungen entlang der Traufe sollen auf die neue Mauerkrone versetzt werden. Es entsteht eine Art moderne Ruine. Sie ist begehbar und wird Begegnungsraum oder Kulturzentrum für Theater, Tanzabende oder Ausstellungen. Reste der Fabrik zeugen von der vergangenen Hochphase der Industrie. Kosten von rund 1,9 Millionen Euro haben die Studenten für diese Alternative errechnet.

Alternative 3 Blühendes Gemäuer

Bei diesem Vorschlag wird fast das gesamte Hauptgebäude zurückgebaut. Lediglich die Fundamentlinien auf Höhe der Erdgeschoss-Bodenplatte bleiben erhalten. Die Bodenplatte selbst und der Keller werden abgerissen. Es entsteht ein begehbarer und bunt bepflanzter Teil des Parks, der rund um das Gebäude entstehen soll. Für das Stadtbild ergibt sich hier, dass die verlorene Sichtachse zur tschechischen Wallfahrtskirche Filipov wieder hergestellt wird. 1,9 Millionen Euro müssten dafür aufgewendet werden, steht im Konzept.

Keine der drei Alternativen, deren Potenziale das Konzept ausführlich beschreibt, erwägt Ebersbach-Neugersdorf in absehbarer Zeit umzusetzen. Das Studentenprojekt ist lediglich ein Gedankenanstoß. Allerdings haben die jungen Leute mit ihrer Arbeit der Stadtverwaltung eine umfangreiche, detaillierte und aussagekräftige Grundlage für eventuelle künftige Planungen in die Hand gegeben. Sie haben sich auch die Mühe gemacht, aufzuzeigen, welche Förderquellen zur Verfügung stehen könnten und weisen die Stadt darauf hin, dass Fördergelder an anderer Stelle „abgeholt“ werden könnten als bisher.