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Wasser marsch für den Hermannsdorfer See

Im Tagebau Nochten begann am Freitag die Flutung. Bis 2024 entsteht ein Naturschutzgewässer. Gleich nebenan geht die Kohleförderung weiter.

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© J.Rehle

Von Constanze Knappe

Nochten. In 100 Jahren werden wir nicht an Zahlen und Erfolgen gemessen, sondern daran, wie wir die Landschaft hinterlassen haben. Das sagte gestern Uwe Grosser, Bergbauvorstand der Lausitz Energie Bergbau AG (Leag). Eine Stunde später drehten er und der Görlitzer Landrat Bernd Lange quasi am Rad – und damit die Wasserzufuhr für den Hermannsdorfer See auf. Über die 1,2 Kilometer lange mit Uferböschungen und Findlingen gestaltete Flutrinne läuft das Nass an den tiefsten Punkt des Geländes. Das sanfte Plätschern hat etwas von Bergbach und es bedarf einiger Fantasie, sich an dieser Stelle einen See vorzustellen. Aber der Anfang ist gemacht. Nach einer Wässerung auf Probe vor zwei Monaten begann gestern offiziell die Flutung der Bergbaufolgelandschaft des weiterhin aktiven Tagebaus Nochten. Auf dessen Fläche wurden bereits 1 600 Quadratmeter rekultiviert, entstand beispielsweise der Findlingspark Nochten, der 2003 eröffnet wurde und bisher mehr als eine Million Besucher hat.

Geohydrologe Christian Graetz erklärt die Funktionsweise des Wasserstandsmessers, einer Eigenentwicklung der Leag. Die Daten werden in Schwarze Pumpe überwacht.
Geohydrologe Christian Graetz erklärt die Funktionsweise des Wasserstandsmessers, einer Eigenentwicklung der Leag. Die Daten werden in Schwarze Pumpe überwacht. © J.Rehle
Landrat Bernd Lange geht baden. Dieses Foto wird einmal historischen Wert haben. Nämlich, wenn 2024 der Hermannsdorfer See gefüllt und von der einstigen Flutrinne am Grund des Sees nichts mehr zu sehen ist.
Landrat Bernd Lange geht baden. Dieses Foto wird einmal historischen Wert haben. Nämlich, wenn 2024 der Hermannsdorfer See gefüllt und von der einstigen Flutrinne am Grund des Sees nichts mehr zu sehen ist. © J.Rehle

Die Eckdaten des künftigen Hermannsdorfer Sees sind schnell aufgezählt: ein Wasservolumen von 24,3 Millionen Kubikmetern, 256 Hektar Wasserfläche, tiefste Stelle bei knapp 30 Metern, Inseln und eine Halbinsel. Sehr viel länger dauerte es hingegen bis zum Beginn der Flutung. Schon der Braunkohleplan für den Tagebau Nochten von 1994 sah drei Flächen für den Naturschutz vor. Im Februar 2003 einigte sich der Braunkohleausschuss darauf, in der Folgelandschaft des Tagebaus Nochten den Hermannsdorfer See entstehen zu lassen. Zu jener Zeit war die Grube 80 Meter tief. Weil so ein tiefer, aber kleiner See wasserwirtschaftlich kaum nutzbar ist, entschied man sich für ein Naturschutzgewässer.

Mit Grubenwasser wird gefüllt

Bis 2004 wurde im Bereich des künftigen Sees noch Kohle gefördert, bis 2013 die Grube zu zwei Dritteln mit Sedimenten aus dem Vorschnitt des nahen Tagebaus aufgefüllt. Auch wurde eine bis zu drei Meter dicke Tonschicht eingebracht, um das Versickern des Wassers zu verhindern. Sehr anspruchsvoll sei das Anbringen einer Tonschürze an den Rändern gewesen, damit die Böschungen nicht abrutschen, so Ingolf Arnold. Die Begeisterung ist dem Chef-Geotechniker der Leag noch immer darüber anzumerken, dass bei der Ausformung des Seebeckens und der Uferbereiche die größte Planierraupe der Welt zum Einsatz kam. Der Koloss aus Stahl bewegte mit seiner Schaufel aufs Mal 95 Tonnen Material.

Die beiden Inseln und die Halbinsel konnten aber erst 2016 angelegt werden. Nach einem, wie Uwe Grosser sagte, „sehr schwierigen Planfeststellungsverfahren“ und dem Eingang der wasserrechtlichen Genehmigung durch die Landesdirektion. Seit Juni sind die Inseln fertig. In den beruhigten Bereichen werden einmal Wasservögel ungestört nächtigen können.

In den nächsten Jahren fließen bis zu zehn Kubikmeter Wasser pro Minute in den See. Aus der Grubenwasserbehandlungsanlage Tzschelln wird Reinwasser mit einem pH-Wert von 7,5 bis 8 über eine 13 Kilometer lange Rohrleitung in den See gepumpt. Etwa 2024 soll der Hermannsdorfer See den geplanten Wasserstand erreichen. Aber auch danach werde man noch Jahrzehnte Wasser zuführen müssen, um Verluste durch Verdunsten und Versickern auszugleichen, so Ingolf Arnold. Geplant sind vier natürliche Einläufe für den See, deren Gräben sich später unter der Wasseroberfläche befinden. Demnächst wird ein zwei Kilometer langer Damm für den Hochwasserschutz errichtet. Die Auslaufbauwerke in den Floßwasser- sowie den Rothwassergraben entstehen erst 2045 bis 2050. Zuvor sei allerdings ein weiteres wasserrechtliches Planfeststellungsverfahren erforderlich.

Wertvolle Moorpflanzen gesichert

Die Gestaltung des Hermannsdorfer Sees basiert auf einem landschaftsökologischen Leitbild. In dem Gelände, welches verschiedenen Tieren Lebensraum bieten soll, befinden sich derzeit Trocken- und Heideflächen, wachsen Stieleichen. Mit etwas Fantasie könne man sich den Dünenbereich vorstellen, so Iris Rumplasch von der Unteren Naturschutzbehörde. „Jetzt fehlt bloß noch das Wasser, damit man von einem See sprechen kann“, sagte sie. Dieser soll sich weitgehend unbeeinflusst entwickeln. Vorbereitet wird eine 1,7 Hektar große Fläche für das Moorinitial „Neue Jeseritzen“ in Anlehnung an das frühere Naturschutzgebiet „Altteicher Moor und Große Jeseritzen“. Dessen wertvolle Pflanzen wurden 2005 gesichert. 2010 wurden für das spätere Moor die ersten Pflanzen gesetzt. Unter gutachterlicher Beobachtung kommen jedes Jahr Torfmoose hinzu. Die Moose können, so war gestern mit Verweis auf den heißen Sommer zu vernehmen, klimatische Schwankungen abfedern. „Es ist der erste Naturschutzsee, der in Verantwortung eines Bergbauunternehmens entsteht“, erklärte Bergbauvorstand Uwe Grosser. Und das, während im Tagebau Nochten die Kohleförderung weitergeht.

Für die Leag ist es überhaupt der erste See. Alle anderen im Lausitzer Seenland entstanden in Verantwortung der Vorgänger. Im November beginnt mit der Flutung der Cottbuser Ostsee auf 1 900 Hektar die Entstehung des größten künstlichen Sees in der Lausitz. Beide Projekte ähneln sich. Doch während dieser See zum großen Teil aus der Spree gespeist wird, betrage der Anteil des Flusswassers bei der Flutung des Hermannsdorfer Sees nur zwei Prozent. Dies sei zu vernachlässigen, so Ingolf Arnold. Er erinnerte daran, dass vor zwei Monaten der Ziegelteich in Weißwasser in Betrieb genommen wurde, und lobte, wie sich die Stadt Weißwasser dem annimmt.